Die gantze Heilige Schrifft Deudsch
D. Martin Luther, Wittenberg 1545
Zum Text in 52 Kapiteln
Abschnitt | Überschrift | Link zum Text |
1 | |
2 | |
3 | Jeremia tritt als Bote auf, der Strafe und Zorn, aber auch die Erlösung verkündet |
4 | |
5 | Ein Lehrstück: Je mehr von Gott gepredigt wird, desto verächtlicher reagiern die Leute |
6 | |
7 |
[34b]
DEn Propheten Jeremia
zuuerſtehen / darffs nicht viel gloſens / Wo man nur die Geſchicht anſihet / die ſich begeben haben / vnter den Königen / zu welcher zeiten er gepredigt hat / Denn wie es da zu mal im Lande geſtanden iſt / ſo gehen auch ſeine Predigt.
ERſtlich / war das Land voller Laſter vnd Abgötterey / Erwürgeten die Propheten / vnd wolten jre Laſter vnd Abgötterey vngeſtrafft haben. Darumb iſt auch das erſte Teil / faſt eitel ſtraffe vnd klage vber die bosheit der Jüden / bis an das. xx. Cap. hinan.
ZVm andern / Weiſſagt er auch die ſtraffe / ſo furhanden war / nemlich / die verſtörunge Jeruſalem vnd des gantzen Landes / vnd das Babyloniſche gefengnis / Ja auch aller Heiden ſtraffe / Vnd doch daneben tröſtet vnd verheiſſet er auff gewiſſe beſtimpte zeit / nach ergangener ſolcher ſtraffe / die Erlöſung vnd heimfart wider ins Land / vnd gen Jeruſalem etc. Vnd dis ſtück iſt das furnemeſt in Jeremia / Denn vmb deſſelbigen willen / iſt Jeremias erweckt / Wie im. j. Cap. das Geſicht anzeigt / von der wacker Ruten / vnd ſiedendem Töpffen / ſo von Mitternacht komen.
VND das war auch hoch von nöten / Denn weil ſolch grewliche Plage ſolte vber das Volck gehen / das es gar zuriſſen vnd weggefürt würde aus ſeinem lande / hetten die fromen Hertzen / als Daniel vnd ander viel, verzweiuelen müſſen / an Gott vnd an allen ſeinen Verheiſſungen / Als die nicht anders hetten mügen dencken / denn als were es gar aus mit jnen / vnd ſie von Gott aller dinge verſtoſſen weren / das kein Chriſtus nimer mehr komen würde / Sondern Gott hette ſeine Verheiſſung / vmb des Volcks ſunde willen / in groſſem grim / zu rücke gezogen.
DArumb muſte Jeremias da ſein / vnd die ſtraffe vnd den zorn alſo verkündigen / das ſie nicht ewig / ſondern eine beſtimpte zeit / als. 1xx. jar weren ſolten / Vnd darnach ſie widerumb zu gnaden komen. Welcher Verheiſſunge er ſich ſelbs auch hat müſſen tröſten / vnd ſich damit erhalten / Hat ſonſt nicht viel
[34b | 35a]
Vorrede.
XXXV.
troſtes noch guter tage gehabt. Denn er ein elender / betrübter Prophet geweſt iſt / zu jemerlichen böſen zeiten gelebt / Dazu ein trefflich ſchweer Predigampt gefüret / Als der vber vierzig jar bis zum Gefengnis / ſich mit böſen halſtarrigen Leuten hat müſſen ſchelten / vnd doch wenig nutz ſchaffen / Sondern zuſehen / das ſie je lenger je erger wurden / vnd jmer jn tödten wolten / vnd jm viel Plage anlegten.
ZV dem / Hat er erleben vnd mit augen ſehen müſſen / die verſtörung des Lands vnd Gefengnis des Volcks / vnd viel groſſen jamer vnd Blutuergieſſung. On was er darnach in Egypten hat müſſen predigen vnd leiden / Denn man helts dafur / das er von den Jüden ſey geſteinigt in Egypten.
ZVM dritten / Thut er auch / wie ander Propheten / vnd weiſſagt von Chriſto vnd ſeinem Reich / ſonderlich im xxiij. vnd xxxj. Cap. Da er gar klerlich von der Perſon Chriſti / von ſeinem Reich / vom newen Teſtament / vnd vom ende des alten Teſtaments weiſſagt. Aber dieſe drey ſtück / gehen nicht in Ordnung nach einander / vnd ſind nicht von einander geteilet im Buch / wie ſie in der that vnd weſen nach einander gangen ſind. Ja im erſten ſtück / ſtehet offt im folgenden Ca. etwas / das doch ehe geſchehen iſt / weder das im vorigen Cap. Das ſichs anſihet / als habe Jeremias ſolche Bücher nicht ſelbs geſtellet / Sondern ſeien ſtücklich aus ſeiner Rede gefaſſet / vnd auffs Buch verzeichent Darumb mus man ſich an die Ordnung nicht keren / vnd die vnordnung nicht hindern laſſen.
WIR lernen aber aus Jeremia vnter andern das / wie gemeiniglich je neher die ſtraffe iſt / je erger die Leute werden / Vnd je mehr man jnen predigt / je höher ſie es verachten. Das man greifft / wenn Gott ſtraffen wil / das er die Leute verſtocken leſſt / Auff das ſie ja on alle barmhertzigkeit vntergehen / vnd mit keiner Buſſe Gottes zorn verſünen. Alſo muſten die zu Sodom vorhin den fromen Lot nicht allein verachten / ſondern da er ſie leret / auch plagen / vnd war doch jr plage fur der thür. Pharao / da er ſchier ſolte im Roten meer erſauffen / muſte er die kinder Iſrael / zwifeltig martern mehr denn vor. Vnd Jeruſalem muſte Gottes Son auch creutzigen / da jr endlich verſtörung daher gieng.
ALſo gehets auch jtzt allenthalben / Nu das Ende der Welt herzu trit / wüten vnd toben die Leute wider Gott auffs aller grewlichſt / leſtern vnd verdamnen Gottes wort / das ſie wiſſentlich erkennen / das es Gottes wort vnd die warheit ſey. Daneben ſo viel grewlicher Zeichen vnd Wunder erſcheinen / beide am Himel vnd faſt an allen Creaturen / die jnen ſchrecklich drewen / vnd iſt auch wol ſo eine böſe jemerliche zeit / vnd noch erger / denn Jeremias zeit.
Aber es wil vnd mus ſo ſein / das ſie ſicher werden / vnd ſingen / Pax / Es hat nicht not / Vnd nur verfolgt alles / was Gott haben wil / vnd alles drewen der Zeichen in wind geſchlagen / Bis ſie (wie S. Paulus ſagt) plötzlich das verterben vbereilet / vnd verſtöret / ehe ſie es gewar werden.
Doch wird Chriſtus die ſeinen wiſſen zubehalten / vmb welcher willen er ſein Wort leuchten leſſt / in dieſer ſchendlichen zeit / Wie er zu Babel Daniel /
vnd ſeine gleichen behielt / vmb welcher willen
Jeremias weiſſagung leuchten muſte. Dem
ſelben lieben HERRN / ſey Lob vnd
Danck / ſampt dem Vater vnd
heiligem Geiſt / einigem Gott
vber alles vnd in ewigkeit /
AMEN.
❦❧
1) Lat: pax; dt.: »Frieden« bzw. »Friede! «
Luther erklärt, dass sich die Leute in Frieden sicher fühlen und dabei einerseits jede Warnung in den Wind schlagen, anderseits Gottes Willen ignorieren.
Wörtersuche
Gesuchtes Luther-Wort eingeben:
Die Liste aller der Schlagwörter im Wörterbuch findet sich im Register.
Der Text aus der Lutherbibel ist auf unseren Seiten in Anlehnung an das Druckbild des Originals von 1545 wiedergegeben.
Den Seitenaufbau, die verwendeten Schriften, die Schreibregeln der Frakturschrift und Luthers Intentionen, mit der Typografie Lesehilfen bereitzustellen, erläutert dem interessierten Leser unser Artikel »Satz und Typografie der Lutherbibel von 1545«.
Luther widmet den Prophetenbüchern eine umfangreiche Vorrede. Diese Bücher seien reich an Predigten und Beispielen für christliches Leben, und sie weissagen die Ankunft Christi.