Die gantze Heilige Schrifft Deudsch
D. Martin Luther, Wittenberg 1545
Der Text in 50 Kapiteln
Nr. | Textstelle | Abschnitt | Link zum Text |
Kapitel XLV. | ||
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37 - 50 |
III. DIE JOSEFSGESCHICHTE
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1 | 45,1-15 | |
2 | 45,16-20 | Der Pharao spricht die Einladung an die Israeliten aus, in Ägypten sesshaft zu werden |
3 | 45,21-28 |
[28a]
DA kund ſich Joſeph nicht lenger enthalten / fur allen die vmb jn her ſtunden / vnd er rieff / Laſſt jederman von mir hin aus gehen / Vnd ſtund kein Menſch bey jm / da ſich Joſeph mit ſeinen Brüdern bekennete. 2Vnd er weinet laut / das es die Egypter vnd das geſinde Pharao höreten / 3Vnd ſprach zu ſeinen Brüdern / Ich bin Joſeph / Lebet mein Vater noch? Vnd ſeine Brüder kundten jm nicht antworten / ſo erſchracken ſie fur ſeinem angeſicht.
Joſeph
bekennet ſich mit ſeinen Brüdern.
4ER ſprach aber zu ſeinen Brüdern / Trett doch her zu mir / Vnd ſie traten erzu / vnd er ſprach / Ich bin Joſeph ewr Bruder / den jr in Egypten verkaufft habt. 5Vnd nu bekümmert euch nicht / vnd denckt nicht / das ich darümb zürne / das jr mich hie her verkaufft habt / Denn vmb ewrs Lebens willen / hat mich Gott für euch her geſand. 6Denn dis ſind zwey jar / das thewr im Lande iſt / vnd ſind noch fünff jar / das kein pflügen noch kein Erndten ſein wird. 7Aber Gott hat mich fur euch her geſand / das er euch vberig behalte auff Erden / vnd ewr Leben errette durch eine groſſe Errettunge. 8Vnd nu / jr habt mich nicht her geſand / ſondern Gott / der hat mich Pharao zum Vater geſetzt / vnd zum Herrn vber alle ſein Haus / vnd einen Fürſten in gantz Egyptenland.
EIlet nu vnd ziehet hinauff zu meinem Vater / vnd ſagt jm / Das leſſt dir Joſeph dein Son ſagen / Gott hat mich zum Herrn in gantz Egypten geſetzt / Kom herab zu mir / ſeume dich nicht / 10Du ſolt im lande Goſen wonen / vnd nahe bey mir ſein / du vnd deine Kinder / vnd deine Kindskinder / dein klein vnd gros Vieh / vnd alles was du haſt / 11Ich wil dich daſelbs verſorgen. Denn es ſind noch fünff jar der Thewrung / Auff das du nicht verderbeſt mit deinem Hauſe / vnd allem das du haſt. 12Sihe / Ewer augen ſehen / vnd die augen meines Bruders BenJamin / das ich mündlich mit euch rede. 13Verkündiget meinem Vater alle meine herrligkeit in Egypten / vnd alles was jr geſehen habt / Eilet vnd kompt hernider mit meinem Vater hie her.
14VND er fiel ſeinem bruder BenJamin vmb den Hals / vnd weinet / Vnd BenJamin weinet auch an ſeinem halſe. 15Vnd küſſet alle ſeine Brüder / vnd weinet vber ſie. Darnach redten ſeine Brüder mit jm.
VND da das geſchrey kam in Pharao haus / das Joſephs brüder komen weren / gefiel es Pharao wol / vnd allen ſeinen Knechten. 17Vnd Pharao ſprach zu Joſeph / Sage deinen brüdern / Thut jm alſo / beladet ewr thiere / ziehet hin / 18Vnd wenn jr komet ins land Canaan / ſo nemet ewrn Vater / vnd ewr Geſinde / vnd kompt zu mir / Ich wil euch Güter geben in Egypten-
[28a | 28b]
I. Bucĥ C. XLV․ XLV.
Jácób.
ziehet in Egypten.
land / das jr eſſen ſolt das marck im Lande. 19Vnd gebeut jnen / Thut jm alſo / Nemet zu euch aus Egyptenland / wagen zu ewrn Kindern vnd Weibern / vnd füret ewrn Vater / vnd kompt. 20Vnd ſehet ewrn Hausrat nicht an / Denn die güter des gantzen landes Egypten ſollen ewr ſein.
Laſſt euch ewren Hausrat nicht hindern / Was jr nicht verkeuffen künd / in ſolcher thewerzeit / das laſſt hinder euch.
21DIE kinder Iſrael theten alſo. Vnd Joſeph gab jnen Wagen / nach dem befelh Pharao / vnd Zerung auff den weg / 22Vnd gab jnen allen / einem jglichen ein Feierkleid / Aber BenJamin gab er drey hundert Silberling vnd fünff Feierkleider. 23Vnd ſeinem Vater ſandte er da bey zehen Eſel mit Gut aus Egypten beladen / vnd zehen Eſelin mit Getreide / vnd brot vnd ſpeiſe ſeinem Vater auff den weg. 24Alſo lies er ſeine Brüder / vnd ſie zogen hin / Vnd ſprach zu jnen / Zancket nicht auff dem wege.
Alſo zogen ſie hin auff von Egypten / vnd kamen ins Land Canaan zu jrem vater Jacob / 26vnd verkündigeten jm / vnd ſprachen / Joſeph lebet noch / vnd iſt ein Herr im gantzen Egyptenlande. Aber ſein a hertz dacht gar viel anders / denn er gleubet jnen nicht. 27Da ſagten ſie jm alle wort Joſeph / die er zu jnen geſagt hatte. Vnd da er ſahe die Wagen / die jm Joſeph geſand hatte jn zu füren / ward der geiſt Jacob jres Vaters lebendig. 28Vnd Iſrael ſprach / Ich hab gnug das mein ſon Joſeph noch lebet / Ich wil hin vnd jn ſehen / ehe ich ſterbe.
a
לִבּ֕וֹ וַיָּפָג
Heiſſt eigentlich / anders thun / anders werden / Threno. 2. vnd 3. Ich kan nicht anders / Fleio et non des pugath tibi / neque quiescat pupilla oculi tui. Weine vnd las deine augen nichts anders thun. Lex Tapug / Haba. 1. Es gehet anders denn recht / Recht gehet anders / gilt nichts. Sic Jacob longe aliud ſentit / quam illi narrant.
✽
1) hebr.: לִבּ֕וֹ וַיָּפָג (wayyəpə libbow )
dt.: »Aber kalt blieb sein Herz«
Luther erläutert den hebräischen Text dieser Stelle. Die Übersetzung »ſein hertz dacht gar viel anders«, bzw. »aber kalt blieb sein Herz« (neuere Bibelausgaben) meine: »Ich kann nicht anders.«
Dafür verweist er auf Stellen im Buch der Klagelieder des Jeremia, Kapitel 2 und 2 (Threno. 2 und Threno 3).
lat.: Fleio et non des pugath tibi / neque quiescat pupilla oculi tui.
dt.: »Weine, Höre auch nicht auff / vnd dein Augapffel laſſe nicht abe.«
Für diesen Versteil aus Klgl 2,18 hat Luther die Übersetzung des lateinischen Satzes im Anschluss selbst geliefert: »Weine und lass (gestatte) dir nichts anderes zu tun, noch ruhe dein Augapfel.« Kurz: Weine vnd las deine augen nichts anders thun. (ähnlich Klgl 3,48)
lat.: Lex Tapug / Haba. 1.
dt.: »Das erkaltete Gesetz« (oder »das starre Gesetz«) (Hab 1,4)
Lex Tapug scheint ein fester Begriff zu sein (der seinen gelehrten Lesern geläufig ist), Er ist aus den ersten hebräischen Wörten von Hab 1,4 gebildet: תּוֹרָה תָּפ֣וּג (təpuwg towrəh; »es erkaltet das Gesetz«), wobei das hebräische Wort »Torah« (Weisung) das lateinische Wort Lex ergibt und das hebräische Wort »tapug« einfach transkribiert und ins Lateinische übertragen, aber nicht übersetzt ist.
Luther verweist auf den Propheten Habakuk, Kapitel 1, Verse 3c und 4: Es gehet gewalt vber Recht. 4Darumb gehets gar anders denn recht / vnd kan kein rechte ſach gewinnen /
Luther hat den Ausdruck »So erkaltet das Gesetz« mit »Darum geht es gar anders als recht zu« übersetzt. Ihm kommt es darauf an, hier zu zeigen, dass das deutsche Wort »anders« nötig sei, um manch eine Wendung der Quellen zu übersetzen, die mit »erkalten« im Sinne unabwendbarer und unveränderlicher Sinneshaltung formuliert ist.
lat.: Sic Jacob longe aliud ſentit / quam illi narrant.
dt.: »So fühlt es Jacob bei weitem anders, als es jene berichten.«
Luther erläutert die Emotionen, die Jakob ergriffen, als er davon hörte, dass Josef noch leben soll. Jakob fühlte die Trauer und den Schmerz über den (vermeintlichen) Tod seines Sohnes. Er konnte nicht glauben, was ihm seine anderen Söhne berichteten: Er fühlte es (imHerzen) »anders«, denn sein Gefühl war diesbezüglich »erkaltet« (im Sinne von unveränderlich geworden).
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Kürzel | Bezeichnung in Luthers Biblia 1545 | Moderne Bibel | Kürzel |
Gen. | Das erste Buch Moſe. | Das erste Buch Mose (Genesis) Genesis 1. Buch Mose | 1. Mose Gen 1Mos |
Threno. | Die Klagelieder Jeremia.Biblia Vulgata: Anm: In der Lutherbibel 1545 direkt hinter dem Buch Jeremia eingeordnet und im Inhaltsverzeichnis nicht gesondert aufgeführt. | Die Klagelieder Jeremias Die Klagelieder des Jeremia | Klgl Klgl Klgl |
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Luther erklärt die Bedeutung des Alten Testaments und der Gesetze Mose. Diese Schriften seien für Christen sehr nützlich zu lesen, nicht zuletzt deshalb, weil Jesus, Petrus und Paulus mehrfach daraus zitieren.