Die gantze Heilige Schrifft Deudsch
D. Martin Luther, Wittenberg 1545
mit Worterklärungen
Luther-Deudſch | Deutsch
Der Text in 50 Kapiteln
Nr. | Textstelle | Abschnitt | Link zum Text |
Kapitel III. | ||
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1 - 11 |
I. DIE URGESCHICHTE
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2,4b - 3,24 |
I.2 DER ZWEITE SCHÖPFUNGSBERICHT:
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B2 |
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1 | 3,1-7 | |
2 | 3,8-13 | |
3 | 3,14-15 | |
4 | 3,16 | |
5 | 3,17-19 | |
6 | 3,20-21 | |
7 | 3,22-24 |
[2a]
VND die Schlange war liſtiger denn alle Thier auff dem felde / die Gott der HERR gemacht hatte / vnd ſprach zu dem Weibe / Ja / ſolt Gott geſagt haben / Ir ſolt nicht eſſen von allerley Bewme im Garten?
Schlange verfüret Heuam.
2DA ſprach das Weib zu der Schlangen / Wir eſſen von den früchten der bewme im Garten. 3Aber von den früchten des Bawms mitten im Garten hat Gott geſagt / Eſſet nicht da von / rürets auch nicht an / Das jr nicht ſterbet. 4Da ſprach die Schlang zum Weibe / Ir werdet mit nicht des tods ſterben / 5Sondern Gott weis / das / welchs tags jr da von eſſet / ſo werden ewre augen auff gethan / vnd werdet ſein wie Gott / vnd wiſſen was gut vnd böſe iſt.
[2a | 2b]
I. Bucĥ C. III. IIII.
Adám.
Fall Heue vnd Ade.
6VND das Weib ſchawet an / das von dem Bawm gut zu eſſen were / vnd lieblich anzuſehen / das ein lüſtiger Bawm were / weil er klug mechte / Vnd nam von der Frucht / vnd aſs / vnd gab jrem Man auch da von / Vnd er aſs. 7Da wurden jr beider Augen auffgethan / vnd wurden gewar / das ſie nacket waren / Vnd flochten Feigenbletter zuſamen / vnd machten jnen Schürtze.
VND ſie höreten die ſtimme Gottes des HERRN / der im Garten gieng / da der a tag küle worden war. Vnd b Adam verſteckt ſich mit ſeinem Weibe / fur dem angeſicht Gottes des HERRN vnter die bewme im Garten. 9Vnd Gott der HERR rieff Adam / vnd ſprach zu jm / Wo biſtu? Vnd er ſprach / 10Ich hörete deine ſtimme im Garten / vnd furchte mich / Denn ich bin nacket / darumb verſtecket ich mich. 11Vnd er ſprach / Wer hat dirs geſagt / das du nacket biſt? Haſtu nicht geſſen von dem Bawm / da von ich dir gebot / Du ſolteſt nicht da von eſſen? 12Da ſprach Adam / Das Weib / das du mir zugeſellet haſt / gab mir von dem Bawm / vnd ich aſs. 13Da ſprach Gott der HERR zum Weibe / warumb haſtu das gethan? Das Weib ſprach / Die Schlang betrog mich alſo / das ich aſs.
a
(Tag küle war)
Das war vmb den abend / wenn die hitze vergangen iſt. Bedeut / das nach gethaner Sünde / das Gewiſſen angſt leidet. Bis das Gottes gnedige ſtim kome vnd wider küle vnd erquicke das hertze. Wie wol ſich auch die blöde Natur entſetzt vnd fleucht fur dem Euangelio / weil es das creutz vnd ſterben leret.
b
(Adam) Adam heiſſt auf Ebreiſch Menſch / darumb mag man menſch ſagen / wo Adam ſtehet / vnd widerumb.
Schlange wird verflucht.
Chriſtus verheiſſen.
Straffe und Creuz vber Heua vnd Adam.
DA ſprach Gott der HERR zu der Schlangen / Weil du ſolches gethan haſt / Seiſtu verflucht fur allem Vieh vnd fur allen Thieren auff dem felde / Auff deinem Bauch ſoltu gehen / vnd erden eſſen dein leben lang / 15Vnd Ich will Feindſchaft ſetzen zwiſchen Dir vnd dem Weibe / vnd zwiſchen deinem Samen vnd jrem Samen / c Der ſelb ſol dir den Kopff zutretten / Vnd Du wirſt In in die Verſchen d ſtechen.
VND zum Weibe ſprach er / Ich wil dir viel ſchmertzen ſchaffen wenn du ſchwanger wirſt / Du ſolt mit ſchmertzen Kinder geberen / Vnd dein wille ſol deinem Man vnterworffen ſein / Vnd Er ſol dein Herr ſein.
VND zu Adam ſprach er / Die weil du haſt gehorchet der ſtimme deines Weibes / Vnd geſſen von dem Bawm da von ich dir gebot / vnd ſprach / Du ſolt nicht da von eſſen / Verflucht ſey der Acker vmb deinen willen / mit kummer ſoltu dich drauff neeren dein Leben lang / 18Dorn vnd Diſteln ſol er dir tragen / vnd ſolt das Kraut auff dem felde eſſen. 19Im ſchweis deines Angeſichts ſoltu dein Brot eſſen / Bis das du wider zu Erden werdeſt / da von du genomen biſt / Denn du biſt Erden / vnd ſolt zu Erden werden.
c
(Der ſelb) Dis iſt das erſt Euangelium vnd Verheiſſung von Chriſto geſchehen auff Erden / Das er ſolt / Sünd / Tod vnd Helle vberwinden vnd vns von der Schlangen gewalt ſelig machen. Daran Adam gleubet mit allen ſeinen Nachkomen / Dauon er Chriſten vnd ſelig worden iſt von ſeinem Fall.
d
(Stechen) Plagen creutzigen vnd martern. Denn ſo gehets auch Chriſtus zutritt dem Teufel ſeinen Kopff (das iſt / ſein Reich des Todes / Sünd vnd Helle) So ſticht jn der Teufel in die Verſchen (das iſt / er tödtet vnd martert jn vnd die ſeinen leiblich.)
VND Adam hieſ ſein Weib e Heua / darumb / das ſie eine Mutter iſt aller Lebendigen. 21Vnd Gott der HERR machet Adam vnd ſeinem weibe Röcke von Fellen / vnd zog ſie an.
e
(Heua) Hai / heiſſt Leben / Da her kompt Heua oder Haua / leben oder lebendige.
Adam
vnd Heua aus dem Paradis getrieben.
VND Gott der HERR ſprach / Sihe / Adam iſt worden als vnſer einer / vnd weis was gut vnd böſe iſt / Nu aber / das er nicht ausſtrecke ſeine hand / vnd breche auch von dem Bawm des Lebens / vnd eſſe vnd lebe ewiglich.
23DA lies jn Gott der HERR aus dem garten Eden / das er das Feld bawet / da von er genomen iſt / 24Vnd treib Adam aus / vnd lagert fur den garten Eden den Cherubim mit einem bloſſen hawenden Schwert / zu bewaren den weg zu dem Bawm des Lebens.
✽
1) Hinweis zur Schreibweise Heua:
a) Das u ist getrennt vom »e« und als »v« zu lesen: He-va.
b) Das H ist ein stimmloser Anlaut: (H)eva, was dann in der deutschen Aussprache »Eva« ergibt.
Hinweis zur Abbildung in 1Mos III.
»Adam und Eva im Paradies«
Klicken Sie auf das Bild oben, um eine größere Ansicht zu erhalten.
Erläuterungen zur Abbildung in 1Mos III.
Das Kapitel 3 des 1. Buch Mose wird mit einem Holzschnitt eingeleitet. Die Abbildung zeigt gleichzeitig mehrere Szenen aus Kapitel 3, die zeitlich nacheinander abgelaufen sind.
Zu sehen ist der Sündenfall, das Gespräch Gottes mit den Menschen und die Vertreibung aus dem Paradies:
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Kürzel | Bezeichnung in Luthers Biblia 1545 | Moderne Bibel | Kürzel |
Gen. | Das erste Buch Moſe. | Das erste Buch Mose (Genesis) Genesis 1. Buch Mose | 1. Mose Gen 1Mos |
2.Cor. | Die ij. Epiſtel S. Paul an die Corinther.Biblia Vulgata: | Der zweite Brief des Paulus an die Korinther 2. Korintherbrief | 2. Kor 2 Kor 2Kor |
1.Tim. | Die erſte Epiſtel S. Pauli: An Timotheum.Biblia Vulgata: | Der erste Brief des Paulus an Timotheus 1. Timotheusbrief | 1. Tim 1 Tim 1Tim |
Erläuterungen siehe Liste der Abkürzungen und Namen biblischer Bücher | |||
Die folgenden Begriffe aus dem Text 1Mos 3 werden hier erläutert.
Versnummer: Luthers Wort | |||
1: HERR | 1: Weib | 1: Bewme | |
8: Adam | 9: biſtu | 11: haſtu | |
14: ſeiſtu | 14: ſoltu | 15: Samen | |
15: Verſchen | 20: Heua | 23: Eden | |
24: Cherubim | 24: bloſſen | ||
Klick auf ein Wort führt zum Eintrag mit den Erklärungen. Das vollständige Verzeichnis findet sich hier: Das große Stilkunst.de–Wörterbuch zur Lutherbibel von 1545 |
Luther-Deutsch | Deutsch | Erläuterungen | ||||||||
HERR | HERR, JHWH, Jahwe Aussehen in unseren Frakturschriften: HERR oder HERR
HERR im Alten Testament
hebräisch: יהוה (jhwh, das Tetragrammaton JHWH) lateinisch (Biblia Sacra Vulgata): Dominus, Herr
Luthers Schreibweise HERR in Versalien (Großbuchstaben) folgt einer festen Regel. Sie weist darauf hin, dass im hebräischen Text an dieser Stelle das Tetragrammaton (das Vierfachzeichen) »JHWH« (hebr.: יהוה) steht. Es ist der unaussprechliche Name Gottes.
Satztechnisch bedingte Varianten
Um beim Satz der Lettern Platz in einer Zeile zu sparen, wodurch übermäßiger Sperrdruck oder ungünstige Wortumbrüche vermieden werden, sind in der Lutherbibel von 1545 häufig auch die Varianten HERr oder HERRn oder HERrn zu finden. Dabei sind mindestens die ersten drei Zeichen in Versalien gesetzt, womit sie hinreichend von HErr unterscheidbar sind.
An wenigen Stellen im Text wurde eine für uns unübliche Trennung im Wort vorgenommen, um einen Zeilenumbruch zu realisieren, hier beispielhaft gezeigt:
[ ...] fur den HER- RN bringen [...]
HERR HErr
Der Ausdruck HERR HErr steht dann, wenn im hebräischen Text »JHWH Adonaj« zu lesen ist. (Siehe dazu auch den Artikel HErr.)
Auch die umgekehrte Reihenfolge HErr HERR ist möglich (»Adonaj JHWH«).
4bSo ſpricht der HErr HERR / 5aſie gehorchen oder laſſens /
Die neuen Lutherbibeln übersetzen diesen Ausdruck stets mit »Gott der HERR«.
Die Aussprache des Namens Gottes
Das Wissen um die Aussprache der vier Zeichen, die den Gottesnamen ausmachen, ist schon früh in der Geschichte verloren gegangen. Sie werden heute oft mit »Jahwe« (vokalisiert geschrieben יְהוָה nach der Aussprache des hebräischen Adonaj, Herr) oder »Jehova« (יְהוָֹה ebenfalls nach dem hebräischen Adonaj, Herr, jedoch unter Berücksichtigung aller Vokale) transkribiert, aber auch mit »Jewah« (ebenfalls יְהוָה aber nach dem hebräischen Schema, der Name, zu lesen) oder »Jehowih« (יְהוִה nach dem hebräischen Elohim, Gott / Götter).
Luthers Namensersatz
Luther kannte die vokalisierten Varianten und die transkribierten Formen und war wohl besonders dem Wort »Jehova« zugeneigt. Es bezieht alle drei Vokale aus dem Wort Adonaj, das »Herr« bedeutet. Dennoch hatte er es vermieden, in seiner Übersetzung »Jehova« zu verwenden. Stattdessen nutzte er wie die lateinischen Bibeln einen Wortersatz. Er setzte das deutsche Wort ein, das gemäß der jüdischen Tradition zu lesen sei, wenn im Text das Vierfachzeichen erscheint, machte es aber durch die besondere Satzweise in Großbuchstaben kenntlich: HERR.
Luthers Schreibweise hat sich bis heute in etlichen Bibelausgaben gehalten.
HERR im Neuen Testament
Im neuen Testament verwendet Luther die Schreibweise HERR in Versalien (Großbuchstaben) für Gott, den Vater, an Stellen, wo sich Zitate aus dem Alten Testament auf »JHWH« beziehen.
Wichtig: Davon zu unterscheiden sind die Schreibweisen
SK Version 25.09.2024 ● | ||||||||
Weib | Weib, das die (Ehe-) Frau Hinweis:
Es ist zu beachten, dass Luther den zu seiner Zeit gängigen Begriff Weib nicht abschätzig oder abwertend benutzt. Im Gegenteil: Wenn auch die etymologische Herkunft des Begriffs umstritten und unklar ist, so bezeichnete er doch die erwachsene, verantwortlich handelnde Frau in gesellschaftlich angesehener Stellung, z. B. als Ehefrau.
In der deutschen Sprache hat der Begriff »Weib« im Laufe der Zeit eine geringschätzende Bedeutung erfahren und besitzt heute die Qualität einer Beleidigung, die u. U. strafrechtlich verfolgt werden kann. Der Begriff wird daher in modernen Übersetzungen nicht verwendet. Stattdessen wird i. d. R. das Wort »Frau« benutzt.
Die englische Sprache kennt noch heute geläufig das Wort »wife« (meist für »Ehefrau«), das etymologisch auf die selbe Wurzel zurückzuführen ist, neben dem Begriff »woman«, der allgemein für »Frau« steht. Empfehlung:
Wir empfehlen wegen der geringschätzenden Qualitäten, die an diesem Begriff kleben, bei Interpretationen, bei Textauslegungen, in Predigten und auch bei Textlesungen aus alten Lutherbibeln den Begriff Weib nicht zu verwenden und durch Frau zu ersetzen.
SK Version 25.09.2024 ● | ||||||||
Bawm
Bewme | Baum, der
Bäume, die Die Umlaute aw und ew
Neben den Umlauten »au« (haus) und »eu« (freude) kennt das Luther-Deutsch die Schreibweisen mit dem Buchstaben »w«.
Der Buchstabe »w« enstand aus einem doppelten »v« (»vv« bzw. »uu«) und signalisiert das verstärkte Klangbild.
Der Umlaut aw in Bawm endet in einem w-artigen Abklang, der fast wie ein kurzgesprochenes »o« klingt, ähnlich Ba(u)-om.
Der Umlaut ew in Bewme endet in einem v-artigen Abklang, der ein »j« mitschwingen lässt, ähnlich Be(u)-jme.
SK Version 25.09.2024 ● | ||||||||
Adam | Adam (Name) Mensch, der hebräisch: אָדָם, ādām (der Mensch) griechisch: Αδαμ lateinisch: Adam
Der Name leitet sich ab vom hebräischen Wort אֲדָמָה (ădāmāh, »Ackerboden«, »Erde«).
Luther erklärt den Namen in seinem Scholion
Adam heiſſt auf Ebreiſch Menſch / darumb mag man menſch ſagen / wo Adam ſtehet / vnd widerumb.
Adam ist Hebräisch und bedeutet »Mensch«. Deshalb kann man überall da, wo »Adam« im Text steht, auch »Mensch« sagen, und umgekehrt.
In der Schöpfungsgeschichte wurde der Mensch von Gott aus Lehm (Erdboden) geformt. Der fertigen Figur, dem Leib, wurde danach der »Lebenshauch« eingeblasen und der Mensch wurde ein lebendiges Wesen.
Das gleiche Motiv findet sich so auch in anderen Schöpfungsgeschichten, beispielsweise in denen der Sumerer und der Ägypter, die jeweils älter sind, als die biblische Schöpfungsgeschichte.
In der ägyptischen Mythologie formte der Gott Chnum auf einer Töpferscheibe aus Lehm eine Figur. In diese Figur füllte er schließlich das »Ka«, die »Lebenskraft«, und der erste Mensch war geschaffen.
SK Version 25.09.2024 ● | ||||||||
biſtu | bist du (Verb) biſtu
2. Person Singular Indikativ Aktiv von sein (Verb)
Präsens: biſtu: bist du -u: Die Flexion mit dem angehängten »u« ist eine eigentümliche Form, die sonst nur noch aus älteren Texten bekannt ist. Gebildet wurde sie aus der 2. Person, zusammengezogen mit dem Personalpronomen »du«, aus dem das »u« stammt. Diese Form impliziert eine gewisse Dringlichkeit und Direktheit der Ansprache, die unmittelbare Hinwendung zum Gegenüber. So kann es die unzweifelhafte Feststellung des Handelns, die dringliche Ansprache oder die unmittelbare Aufforderung zum Handeln bedeuten (Indikativ in der Aussage), die Erfüllung einfordern, mutmaßen bzw. unterstellen (Konjunktiv), oder zur Antwort und Erklärung auffordern (Verb in der Frage).
Heute ist stattdessen das Verb in seiner gebräuchlichen Flexion verbunden mit »du« zu verwenden. Die Direktheit oder eine Aufforderung kann bestenfalls durch eine Sinn tragende Beifügung umschrieben werden abhängig vom Kontext. Sie kann ggf. durch einen Imperativ herausgestellt werden.
Vnd Gott der HERR rieff Adam / vnd ſprach zu jm / Wo biſtu?
Und Gott der HERR rief den Menschen und sprach zu ihm: (Antworte gefälligst!) Wo bist du? Umgangssprachlich umschrieben: Wo treibst du dich rum!?
Jch gehe oder lige / ſo biſtu vmb mich / Vnd ſiheſt alle meine wege.
Ich gehe oder liege (und ich weiß): Du bist (ganz bestimmt) um mich herum! Und du siehst alle meine Wege.
SK Version 25.09.2024 ● | ||||||||
haſtu | hast du (Verb) haſtu
2. Person Singular Indikativ Aktiv von haben (Verb)
Präsens: haſtu: hast du -u: Die Flexion mit dem angehängten »u« ist eine eigentümliche Form, die sonst nur noch aus älteren Texten bekannt ist. Gebildet wurde sie aus der 2. Person, zusammengezogen mit dem Personalpronomen »du«, aus dem das »u« stammt. Diese Form impliziert eine gewisse Dringlichkeit und Direktheit der Ansprache, die unmittelbare Hinwendung zum Gegenüber. So kann es die unzweifelhafte Feststellung des Handelns, die dringliche Ansprache oder die unmittelbare Aufforderung zum Handeln bedeuten (Indikativ in der Aussage), die Erfüllung einfordern, mutmaßen bzw. unterstellen (Konjunktiv), oder zur Antwort und Erklärung auffordern (Verb in der Frage).
Heute ist stattdessen das Verb in seiner gebräuchlichen Flexion verbunden mit »du« zu verwenden. Die Direktheit oder eine Aufforderung kann bestenfalls durch eine Sinn tragende Beifügung umschrieben werden abhängig vom Kontext. Sie kann ggf. durch einen Imperativ herausgestellt werden. haſtu?: (antworte mir!) hast du? haſtu: hast du (ganz bestimmt, ohne Zweifel)!
Er aber ſprach / Was haſtu gethan?
Er aber sprach: Was hast Du getan!?
Der Text 1Mos 12,18-19 enthält eine ganze Reihe Verben mit der Endung -tu, die eindrücklich Vorwurf, Entrüstung und Befehlston des Pharaos ausdrücken:
18DA rieff Pharao Abram zu ſich / vnd ſprach zu jm / Warumb haſtu mir das gethan? Warumb ſageſtu mirs nicht / das dein Weib were? 19Warumb ſprachſtu denn / ſie were deine Schweſter? Derhalben ich ſie mir zum Weibe nemen wolt. Vnd nu ſihe / Da haſtu dein weib / nim ſie vnd zeuch hin.
a) 18Da rief der Pharao Abram zu sich und sprach zu ihm: »Warum <nur> hast du mir das angetan?! Warum <nur> sagtest du nicht, dass sie deine Frau sei?! 19Warum <nur> sprachst du denn, sie wäre deine Schwester?! Wegen all dem wollte ich sie mir zur Frau nehmen! Nun denn, hier hast du deine Frau! Nimm sie und verzieh dich!«
b) 18Da rief der Pharao Abram zu sich und sprach zu ihm: »Sag, warum nur hast du mir das angetan?! Wieso hast du mir verschwiegen, dass sie deine Frau ist?! 19Wie konnstest du nur behaupten, sie wäre deine Schwester?! Allein wegen dieser Behauptungen wollte ich sie doch zur Frau nehmen! Nun denn, hier hast du deine Frau zurück! Nimm sie und verzieh dich!«
SK Version 25.09.2024 ● | ||||||||
ſeiſtu
ſeieſtu | seist du (Verb)
seiest du (Verb) 2. Person Singular Konjunktiv Aktiv von sein (Verb)
Präsens: ſeiſtu: seist du, sollst du sein -u: Die Flexion mit dem angehängten »u« ist eine eigentümliche Form, die sonst nur noch aus älteren Texten bekannt ist. Gebildet wurde sie aus der 2. Person, zusammengezogen mit dem Personalpronomen »du«, aus dem das »u« stammt. Diese Form impliziert eine gewisse Dringlichkeit und Direktheit der Ansprache, die unmittelbare Hinwendung zum Gegenüber. So kann es die unzweifelhafte Feststellung des Handelns, die dringliche Ansprache oder die unmittelbare Aufforderung zum Handeln bedeuten (Indikativ in der Aussage), die Erfüllung einfordern, mutmaßen bzw. unterstellen (Konjunktiv), oder zur Antwort und Erklärung auffordern (Verb in der Frage).
Heute ist stattdessen das Verb in seiner gebräuchlichen Flexion verbunden mit »du« zu verwenden. Die Direktheit oder eine Aufforderung kann bestenfalls durch eine Sinn tragende Beifügung umschrieben werden abhängig vom Kontext. Sie kann ggf. durch einen Imperativ herausgestellt werden. ſeiſtu: seist du (ganz bestimmt, ohne Zweifel)!
Vnd nu verflucht ſeiſtu auff der Erden
Und nun: Verflucht sollst Du sein überall auf der Erde! ſeieſtu: seiest du (ganz bestimmt, ohne Zweifel)!
Gelobet ſeieſtu HERR
Gelobt seiest du, HERR!
SK Version 25.09.2024 ● | ||||||||
ſoltu | sollst du (Verb) 2. Person Singular Indikativ Aktiv von sollen (Verb)
Präsens: ſoltu: sollst du -u: Die Flexion mit dem angehängten »u« ist eine eigentümliche Form, die sonst nur noch aus älteren Texten bekannt ist. Gebildet wurde sie aus der 2. Person, zusammengezogen mit dem Personalpronomen »du«, aus dem das »u« stammt. Diese Form impliziert eine gewisse Dringlichkeit und Direktheit der Ansprache, die unmittelbare Hinwendung zum Gegenüber. So kann es die unzweifelhafte Feststellung des Handelns, die dringliche Ansprache oder die unmittelbare Aufforderung zum Handeln bedeuten (Indikativ in der Aussage), die Erfüllung einfordern, mutmaßen bzw. unterstellen (Konjunktiv), oder zur Antwort und Erklärung auffordern (Verb in der Frage).
Heute ist stattdessen das Verb in seiner gebräuchlichen Flexion verbunden mit »du« zu verwenden. Die Direktheit oder eine Aufforderung kann bestenfalls durch eine Sinn tragende Beifügung umschrieben werden abhängig vom Kontext. Sie kann ggf. durch einen Imperativ herausgestellt werden. ſoltu: du sollst (tunlichst, unbedingt)!
Vnd wenn du beteſt / ſoltu nicht ſein wie die Heuchler ...
a) unterstrichen: Und wenn Du betest, sollst Du tunlichst nicht sein wie die Heuchler ... b) umschrieben: Und wenn Du betest, darfst Du Dich keinesfalls wie die Heuchler verhalten ... c) Imperativ: Und wenn Du betest, sei nicht wie die Anmerkungen zum Text in Mt 6,5:
Die lateinische Biblia Vulgata bietet in Mt 6,5 den Text: et cum oratis non eritis sicut hypocritae
Das entscheidende Wort eritis (von: esse, sein) liegt vor in der 2. Person Plural Futur I Indikativ Aktiv. Die wörtliche Übersetzung hieße:
Und wenn ihr betet, werdet ihr nicht sein wie die Heuchler
1. Luther benutzt als Textglättung den Singular (»du« statt »ihr«), weil der vorangehende Abschnitt vom Almosengeben ( Mt 6,1-4) ebenfalls im Singular verfasst ist und den Einzelnen anspricht.
2. Das lateinische Konstrukt non eritis ist in diesem Zusammenhang nur als Aufforderung für künftiges Verhalten zu verstehen, nicht als Beschreibung eines künftig von allein eintretenden Zustands:
Und wenn ihr betet, seid nicht wie die Heuchler
Luther umschreibt Aufforderungen, göttlichen Geboten zu folgen, regelmäßig mit sollen. Aus dem wörtlich übersetzten »werdet ihr nicht sein« bzw. aus der Anpassung »seid nicht« wird bei ihm folgerichtig ſoltu nicht.
Sechs tage ſoltu erbeiten / vnd alle dein ding beſchicken.
a) umschrieben: Sechs Tage hast du zu arbeiten und deine Aufgaben zu erledigen. b) Imperativ: Arbeite sechs Tage und erledige deine Aufgaben! c) umgangssprachlich: Sechs Tage hast du Zeit, dein Ding zu machen.
SK Version 25.09.2024 ● | ||||||||
Samen
ſamen | Samen, der
Nachkommen, die Im eigentlichen Sinn sind Samen Gebilde, die sich aus den Blüten von Pflanzen entwickeln, und aus denen in geeigneter Umgebung neue Pflanzen wachsen können. Beim Menschen bezeichnet Samen das Sperma.
Luther verwendet den Begriff Samen in Bezug auf Menschen immer wieder in der Bedeutung Nachkommen. Psalm 105,6 (u.a.)
der ſamen Abrahams
die Nachkommen Abrahams
Es ehre jn aller ſame Jacob / vnd fur jm ſchewe ſich aller ſame Jſrael.
Es mögen ihn alle Nachkommen Jakobs ehren, und alle Nachkommen Israels mögen sich vor ihm erschrecken
Dauid vnd ſeinem Samen ewiglich.
David und allen seinen Nachkommen.
der geboren iſt von dem ſamen Dauid nach dem Fleiſch
der geboren ist von Davids Nachkommen nach dem Fleisch
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Verſchen | Ferse, die | ||||||||
Heua | Hewa (Name)
Eva (Name) hebräisch: חַוָּה (ḥawwāh oder cḥawwah, die Belebte) griechisch: Εὕα lateinisch: Hewa
Heua ist ist Luthers folgerichtige Transkription der hebräischen, griechischen und lateinischen Schreibweisen. Dabei ist das »u« das zu jener Zeit übliche Zeichen für das Klangbild unseres heutigen »v«.
Auszusprechen ist das Wort als He-wá (Betonung auf dem Buchstaben a) bzw. [H]E-va, nicht als Heu-a!
Heutige Schreib- und Sprechweise:
Eva (Name)
Der Name und seine Bedeutung
Der Name taucht in der Lutherbibel erstmals in 1Mos 3,20 auf:
Luther erklärt den Namen in seinem Scholion zu diesem Vers:
Hai / heiſſt Leben / Da her kompt Heua oder Haua / leben oder lebendige.
Hai (Ha-i) heißt »Leben«. Daher kommt Heva (He-va) oder Hava (Ha-va), »Leben« oder »Lebendige«.
Eva ist Zoë
Der Text in der griechischen Septuaginta schreibt, dass Adam sein Weib Ζωή (Zoë, »Leben«) nannte, denn sie sei die Mutter aller Lebendigen (ὅτι αὕτη μήτηρ πάντων των ζὡντων). In 1Mos 4,1 heißt sie dann auch in der Septuaginta Εὕα (Heva, Eva).
SK Version 25.09.2024 ● | ||||||||
Eden | Eden (Name) Der Garten Eden, das Paradies.
hebräisch: גן עדן (Gan Eden), Garten Eden griechisch: παράδεισος, das Paradies lateinisch: paradisus, das Paradies 1Mos 2 Der Garten Eden
Der Bibeltext in 1Mos 2 zeichnet ein Bild von einem Lebensraum (Garten) für die ersten Menschen, in dem alles vorhanden ist, wächst und gedeiht, was Menschen benötigen. Das Paradies zeichnet sich jedoch nicht dadurch aus, dass der Mensch dafür nichts beitragen muss. Im Gegenteil: Er soll den Garten weiter bebauen, pflegen und seinen Zustand bewahren.
Allerdings scheint dies im Paradies mit ertragreichen Böden und Pflanzen leichter und einfacher zu sein als außerhalb: In 1Mos 3,17 wird dem Menschen als Strafe auferlegt, dass er nun, vertrieben aus dem Paradies, mit Kummer und im Schweiße seines Angesichts Ackerbau betreiben muss auf Böden, die nur wenig Ertrag bringen und auf denen Disteln und Dornen zuhauf wachsen.
Die biblischen Texte zeichnen leider nur ein schwach ausgeprägtes Bild vom Paradies, das im Laufe der Jahrhunderte vielfältig ausgekleidet und mit unterschiedlichsten Vorstellungen ausgemalt wurde. Die Kernstücke der Idee vom Paradies sind jedoch nicht die allgemein verbreiteten Vorstellungen von einem friedlichen, sorgenfreien Leben im Überfluss. Es sind die Ideen der Selbsterkenntnis und der Verantwortung: Der Mensch bekam einerseits den Auftrag, den Garten zu bebauen und zu bewahren, anderseits das Gebot, nicht in seiner Gier nach Macht gottgleich werden zu wollen und sich für klüger als andere zu halten.
Die vielbeschworenen paradiesischen Zustände wird die Menschheit erst dann vorfinden, wenn sie es schafft, mit einem gesunden Selbstbewusstsein – wir alle sind gleichgestellte, gleichberechtigte Menschen, nicht mehr und nicht weniger! – die Welt in der sie lebt, verantwortungsvoll zum Wohle aller und zum Wohle künftiger Generationen zu bebauen und zu bewahren. Alles andere, wie Glück, Sorglosigkeit und Frieden, wird sich dann daraus ergeben. Doch nichts fällt uns in den Schoß: Im Schweiße unseres Angesichts müssen wir daran arbeiten – und dafür eintreten!
SK Version 25.09.2024 ● | ||||||||
CherubCherubim | Cherub, der Cherubim, die (Plural) hebräisch: כְּרוּב, Cherub Plural: כְּרֻבִים, Cherubim
Ein Cherub ist ein geflügeltes Mischwesen, meist mit einem Menschenkopf und mit einem Tierleib (mit Flügeln und Tierfüßen). Der Cherub ist ein himmlischer Wächter, der beispielsweise das Paradies bewacht.
Luther erklärt den Begriff in seinen Anmerkungen zu Hesekiel 10,9:
Hie ſihet man / das Cherub oder Cherubim nicht ſey ein ſonderliche Creatur / ſondern ein geflügelte geſtalt / oder bilde eines Vogels / Ochſens / Lewens / Menſchens / darinnen die Engel erſcheinen / wie ſie wollen. Darumb ſie auch Cherubim heiſſen / vnd durch Cherubim bedeutet werden. Alſo auch die Engel der Kirchen / das iſt / Die Apoſtel / Propheten / Biſſchoue oder Prediger etc.
Vnd treib Adam aus / vnd lagert fur den garten Eden den Cherubim mit einem bloſſen hawenden Schwert / zu bewaren den weg zu dem Bawm des Lebens.
Und er treibt Adam hinaus und postiert vor dem Garten Eden den Cherub, einen göttlichen Wächter, mit einem blanken, zum Schlag bereiten Schwert.
Vnd er fuhr auff dem Cherub vnd flog daher / Er ſchwebet auff den fittigen des winds.
Und er fuhr auf einem Cherub und flog daher. So schwebt er auf den Flügeln des Windes.
Luther erklärt
SK Version 25.09.2024 ● | ||||||||
bloſsbloſſen | bloß (Adjektiv) unbekleidet, entblößt, nackt
auch: nur
vnd lagert fur den garten Eden den Cherubim mit einem bloſſen hawenden Schwert
und postiert vor dem Garten Eden den Cherub, einen göttlichen Wächter, mit einem blanken, zum Schlag bereiten Schwert.
Das Bild zeigt: Der Cherub hielt das Schwert bereits zum Schlag bereit in den Händen, was die Ernsthaftigkeit Gottes unterstreicht, den Menschen keinesfalls wieder in den Garten Eden zu lassen. Das Schwert hing nicht, wie bei herkömmlichen Wachen üblich, am Gürtel, es war nicht in seiner Scheide, und der Cherub konnte kaum überlistet werden.
SK Version 25.09.2024 ● | ||||||||
Erläuterungen siehe Das große Stilkunst.de–Wörterbuch zur Lutherbibel von 1545 | |||||||||
Der Text aus der Lutherbibel ist auf unseren Seiten in Anlehnung an das Druckbild des Originals von 1545 wiedergegeben.
Den Seitenaufbau, die verwendeten Schriften, die Schreibregeln der Frakturschrift und Luthers Intentionen, mit der Typografie Lesehilfen bereitzustellen, erläutert dem interessierten Leser unser Artikel »Satz und Typografie der Lutherbibel von 1545«.
MARGINALTEXT
DAS HEILIGE CHRISTFEST
Heiligabend · 24. Dezember
1Mos 2,15 - 3,24 (in Auswahl)
M
MARGINALTEXT
DAS HEILIGE CHRISTFEST
Heiligabend · 24. Dezember
1Mos 2,15 - 3,24 (in Auswahl)
M
LESUNG AUS DEM ALTEN TESTAMENT UND PREDIGTTEXT
Erster Sonntag der Passionszeit
AT
III
Luther erklärt die Bedeutung des Alten Testaments und der Gesetze Mose. Diese Schriften seien für Christen sehr nützlich zu lesen, nicht zuletzt deshalb, weil Jesus, Petrus und Paulus mehrfach daraus zitieren.