Die gantze Heilige Schrifft Deudsch
D. Martin Luther, Wittenberg 1545
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TEIL 9
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ZU KAPITEL XII. | TEIL 3 | Dan 11,44 - 12,12
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[111a]
VND ein Geſchrey wird jn erſchrecken von Morgen vnd von Mitternacht etc.
HIe wils (Gott lob) ein mal gar böſe werden mit dem Bapſt / Denn die Stöſſe haben jn nicht fellen können / wie wol ſie angeklopfft / vnd jn zur Buſſe vermanet / Aber es iſt verloren vnd vmbſonſt geweſt. Nu aber kompt vber jn kein Rüſtung / kein Heer / kein Kriegsuolck / kein Stöſſer / Sondern ſchlecht ein Stimme oder Geſchrey / da fur erſchrickt er vnd gehet drüber zu boden. O du wünderlicher Gott in deinen wercken / Dieſer Grewel / der alle Könige mit füſſen getretten / vnd Gott ſelbs vberpocht hat / der mus verzagen vnd fallen / fur einer armen Stimme. Wie biſtu ſchreckliche groſſe Macht / auff ſo loſem Grund geſtanden / das du von einem Odem vmbgeblaſen wirſt? Solche wort Danielis verkleret S. Paulus alſo. Der HErr Jheſus wird jn tödten mit dem odem ſeines Mundes.
Geſchrey fellet den Bapſt / das zuuor kein Stos kund tun.
DAS iſt nu dieſe letzte vnd vnſere zeit / da das Euangelium erſchollen iſt / vnd ſchreiet wider den Bapſt / das er verzweiuelt / weis nicht wie vnd was er thun ſol. Er kan vnd wil kein Concilium leiden / Er wil nirgend am liecht dauon laſſen handeln noch reden / Allein denckt er das geſchrey mit gewalt zu dempffen. Zeucht aus mit groſſem Grim / ſpricht Daniel / durch ſeine Rüſtung / durch ſeine Geiſtlichen / durch Legaten / durch Bullen / Schrifften vnd viel böſer Bücher / wil viel verderben vnd vmbbringen / hetzet Keiſer / Könige / alle Teufel / vnd alle böſe Menſchen / vnd was er kan erregen / Es feilet am willen nicht / man thets gern. Aber es iſt ſein ende komen / Niemand kan jm helffen / ſpricht Daniel / das Geſchrey iſt zu mechtig / Denn in den vorigen Stand kompt der Bapſt nicht wider / die ſeinen leidens nu mehr ſelbs nicht / wie Apoc. xv. ſagt / Mus alſo on Hand vnd ſchwertſchlag zubrochen werden / Dani. ix. wie ſein Furbilde der Antiochus.
Letzte vnd vnſer zeit etc.
Rüſtung des Bapſts.
DAS aber ſolch Geſchrey vom Morgen vnd Mitternacht gehöret wird / Iſt das / Das ſolch Euangelium kompt von oben her / vom rechten Morgen oder Auffgang / Denn es kan niemand mit warheit ſagen noch rhümen / das aus ſeinem Kopff oder vorbedachtem Rat oder willen / ſolche Lere ſey erfur bracht / Wir ſind alle vngefehr vnd plumbs weiſe dazu komen. Vnd iſt vns geſchehen / wie Jeſaias ſagt / Ich bin funden von denen / die mich nicht ſuchten / vnd erſchienen denen / die nach mir nicht fragten. Denn auch ich / der ich einer bin von den Erſten / gar viel ein anders ſucht vnd dacht im anfang meines ſchreibens / nemlich / allein des Ablas misbrauch / nicht das Ablas ſelber / viel weniger den Bapſt oder ein har am Bapſt / verſtund weder Chriſtum noch den Bapſt recht. Doch iſt ſolch Geſchrey auch von Mitternacht komen (ſpricht er) das iſt / aus des Bapſts eigen Reich / Denn wir ſind ſelber zu der zeit auch Papiſten vnd Endechriſtiſch geweſt / viel hefftiger weder ſie waren.
Rechter Morgen oder Auffgang.
Mitternacht.
ER wird die Hütten ſeines Pallaſts pflantzen zwiſſchen zweien Meeren / an den werden heiligen Berg.
JEruſalem ligt zwiſſchen dem groſſen Meer vnd dem Todtenmeer. Aber viel mehr ligt Rom zwiſſchen zweien groſſen Meeren / Tyrrhenum vnd Adriaticum / Vnd iſt Rom wol ein werder heiliger Berg zu nennen / Denn daſelbs viel hundert
[111a | 111b]
Vorrede vber den
tauſent Marterer ligen / Im anfang auch die aller feineſte Kirchen war vnd gros ding da geſchehen iſt / Bis das der Teuffel ſich da hin geſetzt hat.
ES wolt denn jemand dis alles geiſtlich deuten / Das der Bapſt auff dem werden heiligen Berg / das iſt / in der heiligen Chriſtenheit / als ein Gott / ſich geſetzt hat / vnd ſein Reich gepflantzt mit ſeinen Drecketen vnd grewlicher Lere. Denn Chriſtus heiſſt pflantzen / leren / Math. xv. Alle Pflantzen / die mein himeliſcher Vater nicht pflantzt / die werden ausgereut.
Heiliger Berg.
Pflatzen.
Zwiſchen zweien Meeren. Dis mag von der Kirchen alſo verſtanden verden / Das dieſer heiliger Berg ligt zwiſchen zweien Meeren / das iſt / Die Chriſtenheit / lebt zwiſchen dieſer Welt leben / vnd der Hellen. Das das Todtemeer ſey jene Welt / da die Gottloſen zu grund verloren ſind. Das lebendige groſſe Meer ſey dieſe Welt. Die Chriſtenheit aber lebt nicht weltlich / vnd ſtirbt dort auch nicht / gehet zwiſchen beiden hin / vnd lebt im glauben vnd im geiſt Chriſti. Wo aber die zwey Meer von des Bapſts ſtuel oder Sitz / nicht vom heiligen Berg zuuerſtehen ſind / So iſt dis die meinung / Das der Bapſt vber die Lebendigen vnd Todten mit ſeinen pflantzen oder Drecketen regiert / Denn mit ſeinem Maüſim hilfft er allen Lebendigen in der Welt / vnd allen Todten im Fegfewr.
Todtemeer etc.
ER nennets gepflantzt / Denn der Bapſt hat ein Paradis aller Luſt zu Rom / oder in der Kirchen / gemacht / da er aller Welt / gut / gewalt vnd ehre / frey nach ſeinem willen braucht.
ZVR ſelbigen zeit / wird ſich auffmachen der groſſe Fürſt Michael / der fur die kinder deines Volcks ſtehet / Denn es wird ein ſolche trübſelige zeit ſein als nicht geweſt iſt / ſint das leute geweſt ſind / bis auff dieſe zeit.
WIE wol Michael eins Engels name iſt / doch verſtehen wir hie / gleich wie auch Apoc. xij. den HErrn Chriſtum ſelbs da durch / der hie niden auff Erden mit ſeinen Engeln / das iſt / Predigern / ſtreittet wider den Teuffel / durchs Euangelium / Denn er nennet jn den groſſen Fürſten. Derſelbige hat ſich nu auffgemacht / vnd ſtehet fur die Chriſten / vnd tröſtet ſie / mit dem Wort der gnaden. Denn bis da her / iſt die grewlichſt zeit geweſt / als auff Erden je geweſt iſt / Wie Chriſtus dieſe wort auch füret / Matth. xxiiij. Vnd wo dieſe Tage nicht verkürtzt weren vnd auffgehöret hetten / ſo were kein Menſch ſelig worden / auch die Edomiten / Moabiten / Ammoniten nicht. Denn es ſchon angefangen in Welſchenlanden / zu Rom vnd mehr Orten / das man Epicuriſch aus dem glauben ein geſpött gemacht / vnd die Kinder auch nicht mehr teuffet. Alſo were beide Tauffe / Sacrament / vnd Wort alles aus geweſt / vnd kein Menſch mehr ſelig worden.
Chriſtus ſtreitet durchs Euangelium wider den Teufel etc.
Grewlichſte zeit bisher vnterm Bapſtum etc.
DEnn er meinet hie nicht leibliche Trübſal / welche viel gröſſer geweſt iſt / in der zerſtörung Jeruſalem / Rom vnd viel andern Landen vnd Stedten / Sondern der Seelen / oder geiſtliche Trübſaln der Kirchen / durch Chriſtus leiden bedeutet. Denn leibliche Trübſal ſind zeitlich / hören auff mit dem Leibe. Aber hie gilts das die Kirche vntergehe oder bleibe / welche der Teufel durch den Endechriſt zweierley weiſe angegriffen hatte. Zu einer ſeiten durch Epicuriſche verachtung der Sacrament vnd Wort Gottes. Zur andern / durch angſt vnd verzweiuelung des Gewiſſens / da kein rechter Troſt der gnaden / ſondern eitel jamerlich martern / durch eigen Gnugthun vnd werck die Chriſten plagten (dauon die Epicurer vnd Heiden nichts wiſſen) Alſo das hie zeit war / das Michael ſich auffmachet / vnd die Chriſtenheit in den letzten Zügen nicht lieſſe zu grund gehen / Sondern wider tröſtet vnd ſamlet / durch ſein heilſames Wort der gnaden. Folget.
Geiſtliche trübſaln der Kirchen.
Verachtung Gottes worts etc.
Angſt vnd verzweiuelung des Gewiſſens.
VND viel die in der Erden ſchlaffen / werden auffwachen / Etliche zum ewigen Leben / Etliche zur ewigen ſchmach vnd ſchande. Die Lerer aber werden leuchten / wie des Himels glantz / vnd die ſo viel zur Gerechtigkeit weiſen / wie die Sterne jmer vnd ewiglich.
DEr Engel eilet zum Jüngſten tage / Darumb ob er noch wol mehr zu reden hat von Michaels ampt / feret er doch hinaus zum ende der Welt / vnd ſaget von der Todten aufferſtehung. Aber bald keret er wider zu rück / vnd ſagt von den Lerern vnd Predigern / wie ſie leuchten ſollen / wie der glantz des Himels vnd Sternen / vnd viel bekeren / ehe die Todten aufferſtehen. Gleich wie droben Dani. ix. erzelet er zuuor / wie die Stad ſol verſtöret werden / ehe er die letzte Wochen beſchreibet / das doch zuuor geſchehen muſte. Etliche aber verſtehen ſolch leuchten der Lerer in jenem Leben / wie j. Cor. xv. Das iſt auch wol war / Aber wir nemens hie zur not vnd dienſt der betrübten Kirchen.
Lerer leuchten wie der glantz des Himels etc.
[111b | 112a]
Propheten Dániel.
CXII.
Viel (ſpricht er) werden aufferwachen.
DEnn am Jüngſtentage werden wir nicht alle aufferſtehen / wie S. Paulus ſaget. j. Cor. xv. Denn die ſo lebendig funden werden des tages / werden weder ſterben noch aufferſtehen / Sondern im Augenblick verwandelt / vnd Chriſto entgegen in die Lufft gerafft werden. Doch viel / das iſt / die gröſſeſte Menge wird ſein der Todten oder Schlaffenden / Das Chriſtus alſo ſey (wie der glaube ſagt) Richter der Lebendigen vnd der Todten.
VND hie ſehen wir / das nach dieſer zeit / ſo der Bapſt offenbart / nichts zu hoffen noch zu gewarten iſt / denn der Welt ende vnd aufferſtehung der Todten. Hie iſt die Schrifft aus vnd hat alle Weiſſagung ein ende.
Nach offenbarung des Endechriſts / iſt die Schrifft aus etc.
VND du Daniel verbirge dieſe Rede vnd verſiegle dis Buch / bis auff die letzte Zeit / Viel werden drüber komen / vnd groſſen verſtand finden.
HIE ſagt der Engel klerlich / das dis buch Daniel ſolle verſiegelt bleiben / Vnd doch nicht ewiglich / ſondern bis zur letzten Zeit / Da ſols geöffenet / vnd groſſer verſtand draus genomen werden. Daran wir jtzt erbeiten / wie droben geſagt / Das die Weiſſagungen nicht gründlich zuuerſtehen ſind / ehe ſie volendet werden / Darnach wens geſchehen iſt / ſo zeugen ſie als denn das Werck. Gleich wie Chriſtus Luc. xxiiij. nach ſeinem Tod / aller erſt jnen die ſinne auffthet die Schrifft zuuerſtehen. Vnd zuuor ſprach er / Solchs ſage ich euch / Auff das wens nu geſchicht / das jrs gleubt etc.
Daniels Weiſſagung iſt verſiegelt blieben / bis zur letzten zeit.
VND ich Daniel ſahe / vnd ſihe / Es ſtunden Zween andere da / einer an dieſem Vfer des Waſſers / der ander an jenem etc.
VON dieſen zweien ſagt er nichts mehr / was ſie ſind / reden oder thun / On das ſie andere / das iſt / nicht der Engel ſind der mit jm redet. Vieleicht ſinds die zween Engel / einer der Perſen / der ander der Griechen Fürſt / dauon er droben Cap. x. ſagt / welche das volck Iſrael hindern bey den Königen. Die ſtehen vnd bleiben ſolche Hinderer bey den Königen bis zur Welt ende. Einer gegen Morgen der ander gegen Abend / das ja Gottes wort vnd ſeine Kirche nicht eitel glück habe / Sondern wie er ſolchs ſelbs hernach deutet / vnd ſpricht.
Hinderer bei den Königen in Gottes ſachen.
VIel werden gereiniget / geleutert vnd bewert werden / Vnd die Gottloſen werden gottlos weſen füren / vnd kein Gottloſer wirds achten / Aber die Verſtendigen werdens achten.
DEnn wie hell vnd gewaltig das Euangelium gehet / vnd wie ſtarck die Kirche iſt / So müſſen doch Ketzer vnd falſche Lerer ſein / die ſie vben / Auff das die bewerten / offenbar werden / Vnd dieſelbigen Ketzer nemen ſich gern an / vmb die Könige vnd groſſen Herrn. Alſo bleiben Ketzer bis ans ende.
Ketzer zu allen zeiten.
VND es ſprach zu dem Man in leinen Kleidern / der oben auff dem Waſſer ſtund / Wenn wils denn ein ende ſein mit Greweln?
DEr Man in leinen Kleidern iſt der Engel (Gabriel) der bis da her geredt hat / als droben Cap. x. Wer aber zu jm ſpricht / Wenn wils etc. iſt nicht genennet. Aber es iſt ein ſtimme vnd klage in der perſon der Kirchen / die ſpricht / Hilff Gott / Iſts nicht gnug / das der Endechriſt die Kirche ſo grewlich vnd ſchier zu grund verderbt hat? Nu ſie kaum durch Michael wider iſt erquickt / Komen die Ketzer / Rottengeiſter / Sacramenter / Widerteuffer / vnd richten auch noch Grewel an / Wenn wils denn ein mal auffhören?
Klage der Kirchen zu dieſer letzten zeit.
ZV dem iſt der Geitz vnd Mammon ſo eingeriſſen / Das zu beſorgen / man wird das Euangelium aushungern / vnd achten / wie Lot zu Sodom geacht / vnd Noah fur der Sindflut. Denn in der Welt wil jtzt beide Oberman vnd Vnterman nichts hören noch ſehen / denn Geitz / Wucher vnd eigen willen / Das die zeit da iſt / dauon Lyra vnd andere alle ſagen / Das nach des Endechriſts fall / die Welt wird frey leben / vnd ſagen / Es ſey kein Gott mehr.
Geitz vnd Mammon reiſſt mit gewalt etc.
HIE thut der Engel einen Eid / vnd redet mit groſſem ernſt / Das wir nicht ſollen erſchrecken / noch blöde werden fur den Ketzern vnd Bapſt / Vnd ſpricht.
ES ſol eine zeit / zwo zeit / vnd eine halbe zeit weren / Vnd wenn die zerſtrewung des heiligen Volcks ein ende hat / ſol ſolchs alles geſchehen.
[112a | 112b]
Vorrede vber den
DIS höret Daniel vnd verſtehets nicht / Er bittet vmb verſtand / Aber jm wirds geſagt / Es ſolle verſiegelt bleiben / bis zur letzten zeit / Da ſol er denn ſtehen in ſeinem Teil / das iſt / ſein Buch ſol denn dienen der Kirchen nach ſeiner Gaben. Indes ſol er rugen / dazu ſein Buch vnuerſtanden bleiben.
WEnn nu dieſe zeit / zwo zeit / halbe zeit aus ſein / vnd wenn die Ketzer mit zerſtrewen vnd zertrennen der Kirchen auff hören werden / können wir auch nicht wiſſen / Bis das wirs ſehen werden / wie die Kirche / ein armes Heufflin / eintrechtig am wort bleibet / vnd die Ketzer mit der Welt alle ſat / vberdrüſſig vnd Epicuriſch werden / das ſich niemand der Schrifft mehr annimpt. Wie ſichs ſchon fein anleſſt / als wolten ſie die Schrifft vnd Gottes wort nicht werd achten / das ſie drinnen ſolten Ketzer oder Chriſten werden. So iſts denn aus / wie Chriſtus ſpricht / Wenn des menſchen Son kompt / meinſtu das er auch glauben finden werde auff Erden? Alſo gering mus noch die Kirchen werden / vnd alles eitel Geitz / Wucher / Bauch / Fras vnd Fleiſch werden / wie fur der Sindflut.
Eine zeit / zwo zeit / eine halbe zeit.
Ketzer vnd Welt wie ſie ſich jtzt anlaſſen.
VND von der zeit an / wenn das teglich Opffer abgethan / vnd ein Grewel der Wüſtung dar geſetzt wird / ſind tauſent / zwey hundert / vnd neunzig tage. Wol dem / der da erwartet vnd erreicht / Tauſent drey hundert vnd fünff vnd dreiſſig tage.
WEnn dis menſchliche gewönliche tage weren / ſo redete der Engel von der letzten Wochen / in welcher mittel das teglich Opffer auffhöret / durch der Apoſtel Concilium / Act. xv. Vnd der Keiſer Caligula ſeinen Grewel in den Tempel ſetzt. So machen die Mccxc. tage / faſt die vbrige helffte der letzten Wochen / nemlich / vierdhalb jar. Nach den ſelbigen gieng das Euangelium auch vnter die Heiden / durch S. Paulum vnd Barnabam / Act. xiij. Vnd ſo würde der Engel mit dieſen worten ein Deckel machen vber ſeine Rede / vnd drein verwickeln / das er zu rücke leufft / wider in die zeit der ſiebenden Wochen / nach dem er von der künfftigen zeit / bis ans ende der Welt ausgeredt hat.
SInds aber Engeliſche tage / das iſt / ein tag ein jar / wie droben Cap. ix. So lauffen die Mccxc. tage / bis an das xiiij. jar des Keiſers / Ludwig / der vom Bapſt verbannet. Vnd die Mcccxxxv. tage / bis an das xxiij. jar Caroli iiij. faſt vij. jar vor dem Schiſma der dreier Bepſte / oder xlij. jar vor dem Coſtnitzer Concilio.
ICH wolt aber wol gerne / das tegliche Opffer dahin deuten / geiſtlicher weiſe / das es ſey das heilige Euangelium / welchs bis an der Welt ende ſampt dem Glauben vnd der Kirchen bleiben mus. Aber gleichwol kan das geſchehen / Das die welt ſo gar Epicuriſch werden wird / das man in aller Welt wird keinen öffentlichen Predigtſtuel haben / vnd eitel Epicuriſche grewel die öffentliche Rede ſein wird / vnd das Euangelium allein in Heuſern / durch die Hausueter erhalten werde.
Euangelium vnd Kirchen bleiben bis an der Welt ende / Ob gleich die Welt Epicuriſch wird.
VND dis werde die zeit ſein / ſo zwiſſchen dem wort Chriſti am Creutz / Conſummatum eſt, vnd Pater in manus tuas commendo ſpiritum meum. Denn gleich wie Chriſtus nach ſolchem Conſummatum noch ein wenig lebt / Alſo kan auch die Kirche nach öffentlichem ſchweigen des Euangelij ein wenig bleiben. Vnd wie der Jüden teglich Opffer wol ward in der ſiebenden Wochen abgethan / durch der Apoſtel Concilium / vnd doch hernach / bis zu der verſtörung Jeruſalem bleib / auch von den Apoſteln ſelbs / wo ſie wolten (doch on not) gehalten ward. Alſo kan auch wol das Euangelium öffentlich ligen vnd ſchweigen auff dem Predigſtuel / vnd doch durch frome Chriſten in Heuſern erhalten werden.
SOlcher jamer ſol aber nicht lenger wehren / denn M. ccxc. tage / das iſt bey vierdhalb jar / Denn on öffentliche predigt kan der Glaube nicht lang ſtehen / weil zu dieſer zeit auch in einem jar die Welt böſer wird. Die letzten Mcccxxxv. tage werden gar endlich böſe ſein / Das auch in Heuſern fort mehr wenig Glauben ſein wird. Darumb er ſpricht / Selig iſt / der bis auff den tag beſtehet / Als ſolt er ſagen / wie Chriſtus ſpricht / Wenn des Menſchen Son kompt / Meinſtu er werde Glauben finden auff Erden?
ES haben von ſolchen vierdhalb jaren faſt alle Lerer geredt / vnd alle Bücher ſind dauon vol / On das ſie es haben auff des Endechriſts Regiment gedeut / Welchs / nach ordnung des texts Daniel nicht leidet / welcher weiſſagt weiter / was nach des Endechriſts fall geſchehen ſol / vnd ſetzt dieſe vierdhalb jar nach Michael / vnd nach dem eide des Engels auffm waſſer.
[112b | 113a]
Propheten Dániel.
CXIII.
VND wiewol dieſe Deutung ſcheinet / als ſolt man des Jüngſten tages gewis ſein / welchs tags oder jars er komen ſolle / das doch Chriſtus verbeut zu wiſſen / Act. j. vnd im Euangelio / So feilets doch weit. Erſtlich / das / wenn ſchon das Opffer des Euangelij öffentlich abgethan wird / So wird doch niemand können das jar noch tag ſo eben mercken / wenn es anfehet / Sintemal es nicht kan auff einen tag an allen Orten auffhören.
Gewis kan man nicht ſein / wenn der Jüngſtetag komen ſoll.
ZVM andern / Ob man ſchon wüſſte wenn es ſolt anfahen / So ſind doch vber die Mccxc. die Mcccxxxv. tage geſetzt / die niemand mercken würde in aller Welt. Vnd Summa / Ich dencke / das dieſe Mcccxxxv. tage nicht werden öffentlich in gemein verſtanden werden / ſie ſeien denn erfüllet am Jüngſten tage. Es were denn das Gott etwa einen Noah würde erwecken / der die ſelbigen Tage künde abrechnen vnd gewis treffen.
ICH aber fur mich laſſe mir daran genügen / das der Jüngſte tag fur der Thür ſein mus / Denn die Zeichen / ſo Chriſtus verkündigt / vnd die Apoſtel Petrus vnd Paulus / ſind nu faſt alle geſchehen. Vnd die Bewme ſchlahen aus / die Schrifft grunet vnd blüet. Ob wir den Tag nicht ſo eben wiſſen können / ligt nicht dran / Ein ander mache es beſſer / Es iſt gewislich alles am ende.
Jüngſtetag iſt fur der Thür.
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1) Druckfehler: heliger; Korrektur: heiliger
2) Vermutlich ein Übertragungsfehler des Setzers aus dem Manuskript: 1. Cor 11. Gemeint ist sicher 2Kor 11, wo Paulus in Vers 13-15 erklärt, dass sich gerade auch in den Führungspositionen der Gemeinden und der Kirche falsche Lehrer finden müssen. Wir haben entsprechend verlinkt.
3) Lyra
Nikolaus von Lyra (* um 1270/75 in Lyra (Lyre) bei Évreux in der Normandie; † 1349 in Paris), biblischer Theologe des Mittelalters. Seinen umfangreichen Bibelkommentar nutzte Luther während der Übesetzung der Bibeltexte.
4) a) lat.: Consummatum est
b) lat.: Pater in manus tuas commendo spiritum meum.
dt.: a) »Es ist vollbracht! «
dt.: b) »Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist.«
5) M. ccxc. tage / das iſt bey vierdhalb jar
a) MCCXC Tage: 1290 Tage
b) vierdhalb jar meint: »ein halbes Jahr weniger als vier Jahre«, also dreieinhalb Jahre.
Solche Zahlenagben sind heute unüblich, doch ein ähnliches Konstrukt verwenden wir heute beispielsweise noch bei Zeitangaben: »Halbvier« meint:» eine Halbe Stunde weniger als 4 Uhr«, also 7 Uhr 30.
6) M. cccxxxv. Tage
a) MCCCXXXV. Tage: 1335 Tage
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