Die gantze Heilige Schrifft Deudsch
D. Martin Luther, Wittenberg 1545
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TEIL 5
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ZU KAPITEL IX. | Dan 9
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ZU KAPITEL X. | Dan 10
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[105a]
DAS ix. Cap. hat zu erſt ein ſeer ſchön Gebet / darin Daniel bittet fur ſein Volck / das zu Babel gefangen war / vnd fur die ſtad Jeruſalem / vnd den Tempel / Das die Jüden möchten wider heim ziehen / vnd den Gottesdienſt wider anrichten. Das Gebet wird erhöret / Da zu vber das wird jm mehr / denn er bittet / offenbart / Wie viel jar noch ſein ſollen / das Chriſtus kome / vnd ſein ewiges Reich anfahe. Vnd dis iſt eine treffliche groſſe Offenbarung von Chriſto / die ſo gewis vnd genaw die zeit ſtimmet.
DIEſe ſiebenzig Wochen / ſo der Engel ſtimmet / halten eintrechtig alle Lerer / es ſeien Jarswochen / vnd nicht Tagewochen (das iſt) eine wochen helt ſieben jar / vnd nicht ſieben tage. Welchs auch die erfarung erzwingt / Denn ſiebenzig Tagewochen / machen noch nicht zwey jar. Das were keine ſonderliche zeit zu ſolcher herrlicher Offenbarung. So machen nu dieſe ſiebenzig Wochen ccccxc. jar. So lange ſolt man auff Chriſtum noch harren / vnd als denn ſolt er ſein Reich anfahen.
HIE iſt nu zu forſchen / Wo vnd wenn ſolche ſiebenzig Wochen anfahen. Der Engel deutet ſie / vnd fehet an im jar / da ein Wort ausgehet / Das Jeruſalem wider ſol gebawet werden. Denn ſo ſpricht er / Von der zeit an / wenn das wort ausgehet / das Jeruſalem wider ſol gebawet werden etc. welchs viele haben ſo vnd ſo gedhenet vnd gezogen.
VNſer meinung iſt / Das man ſol anfahen mit dieſen ſiebenzig Wochen / am andern jar des königes Darij / der Langhand hies / Denn in dem ſelbigen jar geſchach das wort Gottes durch die Propheten Haggeum vnd Sachariam / vnd hies Zorobabel den Tempel bawen / Wie man im j. Cap. beider Propheten findet. Deſſelbigen gleichen gebot auch der ſelbige Darius / vnd gieng ſein Gebot auch drauff aus. Eſra. vj. Denn vom erſten jar Cyri / der die gefangnen Jüden wider los gab / bis auff dis ander jar Darij / ſind xlvj. jar / In welchen ſie nichts kundten noch thurſten bawen / vmbs verbots willen Cambyſes des ſons Cyri / Das ſie auch verzagten / vnd ſprachen (Wie Haggeus j. ſagt) Es wil noch nicht zeit ſein des HERRN Haus zubawen.
VND dis mügen ſein die xlvj. jar / dauon die Jüden ſagen zu Chriſto / Johan. ij. Dieſer Tempel iſt in xlvj. jaren gebawet / Vnd du wilt jn in dreien tagen bawen. Das iſt / Man iſt wol xlvj. jar damit vmbgangen / ehe man den Tempel hat mügen recht anfahen zu bawen / So ſchwerlich gieng es zu / Denn darnach ward er ſchleunig gebawet in iiij. jaren. Eſra.
SO teilet nu der Engel die gantzen lxx. wochen in drey teil / In den Erſten ſieben wochen / das iſt vom andern jar Darij bis in das xlix. jar / ſollen die Mauren vnd Gaſſen wider gebawet werden in kümmerlicher zeit. Denn es ward jnen ſawr / weil die vmbligende Lender / jnen ſeer widerſtunden / wie Nehe. j. geſchrieben ſtehet / Welchet jnen im xx. jar Darij / das iſt / im achzehenden jar nach dem ausgegangen Wort Haggai / zu hülff kam aus Perſia / von Dario geſand / Oder viel mehr erleubt aus gnaden. Denn auch Daniel. x. klagt / Das der Fürſt in Perſen jm widerſtanden habe zu Hofe xxj. tage / Meinet vieleicht Engeliſche tage / oder ein vnd zwenzig jar.
DARnach vber lxij. Wochen ſol Chriſtus ausgerottet werden. Dieſe lxij. vnd jene vij. zuſamen machen lxix. Wochen / das iſt cccclxxxiij. jar. Alſo bleibt noch vbrig eine vnd die letzte Wochen (das iſt vij. Jar) von den lxx. Wochen / Denn der Engel deutlich ſagt / Das Chriſtus ſol nicht mitten in der letzten Wochen (wie wir etwa gedacht) ſondern nach den lxij. Wochen getödtet werden / das
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Vorrede vber den
iſt / im erſten jar der letzten Wochen / oder im anfang der letzten Wochen. In welcher (ſpricht er) wird er den Bund vielen beſtettigen. Denn in derſelben letzten Wochen / oder vij. jaren / gieng das Euangelium gewaltig mit Zeichen vnd Wundern / durch den heiligen Geiſt / vnd wurden viel tauſent Jüden bekeret / auch viel Heiden / Wie Lucas in der Apoſteln Geſchichte ſchreibt / Das es wol mag heiſſen die rechte Oſterwochen / von dem Oſtertage an / das iſt / von der Aufferſtehung Chriſti.
MItten aber in der ſelben Wochen / ſolt fallen vnd auffhören / das Opffer vnd Speisopffer. Denn faſt vber iij. jar nach der Aufferſtehung Chriſti ward der Apoſtel Concilium gehalten / Act. xv. vnd das geſetz Moſi öffentlich abgethan / vnd die Heiden ja auch alle Jüden frey dauon geſprochen / Das mans nicht müſte halten / were auch nicht not zur ſeligkeit / dazu auch vntreglich / Wie S. Petrus daſelbs prediget. Alſo findet ſichs / das die lxx. Wochen ſich enden / mit dem vij. jar nach Chriſtus aufferſtehen. Da iſts aus mit den verſtockten Jüden vnd halsſtarrigem Jeruſalem / Vnd keren ſich die Apoſtel zu den Heiden / wie S. Paulus ſagt Act. xiij.
VND wir ſehen hieraus / das der Engel Chriſtum einen Fürſten nennet / nicht von ſeiner Tauffe oder Predigampt an (wie wir zuuor gemeinet) Sondern von ſeiner Aufferſtehung an / da er durch ſein Leiden in ſeine Ehre gegangen / vnd zur rechten Gottes geſeſſen / ein regirender HERR worden iſt. Wie alle Könige vnd Fürſten in der Schrifft von jrem anfahenden Regiment / Fürſten heiſſen. Denn von ſeiner Tauffe an iſt er ein Diener geweſt der Beſchneitung / wie S. Paulus Rom. xv. ſagt / Ja aller Welt durch ſein Leiden etc. Rom. 15.
DER Engel ſihet aber mit dem wort (Chriſtus wird ausgerottet werden / vnd nichts mehr ſein) auff den Spruch Jeſa. liij. (wiewol es andere buchſtaben ſind) Er iſt aus dem Lande der Lebendigen weggeriſſen. Vnd iſt die meinung / Das Chriſtus Reich ſolle ein new geiſtlich himliſch Reich ſein / Nichts vber all weder vom geſetz Moſi / noch vom weltlichen Reich behalten / Sondern ſolchs alles verlaſſen / vnd ein ander / newe / ewig / himeliſch Reich / anfahen vnd haben. Wie der xvj. Pſalm auch ſagt / Ich wil jres Tranckopffers ſampt dem Blut nicht opffern / Noch jren namen in meinem Munde füren. Wie denn die Propheten alle von dem Reich Chriſti pflegen zu reden. Pſalm. 16.
MIT dieſer Rechnung mag leicht ſtimmen der andern Rechnung / Als vom andern jar Darij / bis auff den groſſen Alexandrum / ſind cxlv. jar / wie Metaſthenes ſchreibt. Von Alexandro bis auff die geburt Chriſti cccv. wie die Hiſtorien zeugen (alij cccx.) Von der geburt Chriſti bis auff ſeine Tauffe xxx. jar / Darnach iij. jar bis auff ſein Leiden / Machet alles cccclxxxiij. das ſind lxix. Wochen. Das ſichs aber mit etlichen ſtöſſt vmb die v. vbrigen jar / ſol vns nicht jrren / Iſt wunder gnug / das die Heidniſchen vnd andere Hiſtorien ſo genaw mit Daniel zutreffen.
DAS x. Cap. iſt eine Vorrede des xj. Doch ſchreibet Daniel darinnen ein ſonderlichs von den Engeln / als ſonſt nirgend in der Schrifft ſtehet / nemlich / Das die guten Engel mit den Böſen ſtreiten / vnd die Menſchen verteidigen. Vnd nennet auch die böſen Engel Fürſten / vnd ſpricht / Der Fürſt aus Griechenland.
DA her man verſtehen mag / Warumb es an Königen vnd Fürſten Höfen / ſo wüſt vnd wild zugehet / vnd das Gute ſo gehindert / Krieg vnd Vnglück angericht wird. Denn die Teufel ſind da / hetzen vnd reitzen / oder hindern doch ſo viel / das nirgend von ſtaten gehen wil. Als zum Exempel / Da die Jüden ſolten von Babel durch die könige in Perſen los werden / das wolt nirgend fort / obs gleich die Könige gerne theten. Das dieſer Engel hie ſpricht / Er habe zuſchaffen / vnd müſſe wider den Fürſten in Perſen ſtreitten / Vnd ſorget doch / wo er hin zeucht / ſo kome dieweil der Fürſt aus Griechen. Als ſolt er ſagen / Wo wir einem vnglück ſteuren / Da richtet der Teufel jmer ein anders an / Werdet jr los von Babel / So werden euch plagen die Griechen. Dauon jtzt gnug / Denn es gehöret mehr raum vnd zeit dazu / weiter dauon zu reden.
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Luther widmet den Prophetenbüchern eine umfangreiche Vorrede. Diese Bücher seien reich an Predigten und Beispielen für christliches Leben, und sie weissagen die Ankunft Christi.