Dr. Martin Luther

Vorrede zum Buch des Propheten Daniel, Abschnitt 1

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Die Lutherbibel von 1545

 

Die Texte der Lutherbibel von 1545 in Frakturschrift

Das Alte Testament

Die Bücher der Propheten

 

Biblia
 

Die gantze Heilige Schrifft Deudsch
D. Martin Luther, Wittenberg 1545

Der Prophet Daniel

Dr. Martin Luthers Vorrede

 

Teil 1 von 10

 

 

Gliederung in Luthers Vorrede zum Buch des Propheten Daniel, Teil 1

 

Abschnitt

Überschrift | Link zum Text

 

 

TEIL 1

 

1

→Zum Verständnis im historischen Umfeld

 

 

ZU KAPITEL I. | Dan 1

 

2

→Daniels Leben am babylonischen Hof als Beispiel für Gottesfurcht und Glauben

 

 

ZU KAPITEL II. | Dan 2

 

3

→Wie Daniel als Gefangener am Königshof zu Ruhm und Ehre kommt

4

→Der Traum von den vier Königreichen

5

→Das letzte Königreich meint das römische Reich

 

 

ZU KAPITEL III. | Dan 3

 

6

→Die Geschichte der Männer im Feuerofen dient dem Glauben an die Erlösung

 

 

 

 

 

D. Mart. Luth.

 

 

 

 

[102b | 103a]

 

Vórrede vber den Própheten
Daniel D. Mart. Luther.

CIII.

 

 

TEIL 1 VON 10

 

 

Zum Verständnis im historischen Umfeld

 

AVff das die Einfeltigen:

vnd die / ſo die Hiſtorien nicht wi­ſſen / noch leſen können / dis buch S. Danielis doch etlicher maſſen mügen vernemen / wil ich mit die­ſer Vorrede / eine kleine anweiſung geben. Vnd auffs erſt / wie Daniel etliche jar vor der zerſtörung Je­ru­ſa­lem / gen Babel ſey komen / vn­ter dem könige Joiakim / welchen der könig Ne­bu­cad­Ne­zar / fangen vnd binden lies / vnd wolt jn gen Babel füren / vnd doch anders rats ward / vnd lies jn da bleiben / Füret aber etliche der beſten Leu­te (vn­ter welchen Daniel auch ge­we­ſen iſt) vnd Gefeſſe aus dem Tempel mit ſich. Von dem allen / findet man im andern Buche der Könige am xxiiij. vnd in der Chronica am xxxvj. Cap.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Daniel iſt

gen Babel komen vn­ter dem König Joiakim.

 

 

ZU KAPITEL I.
→Dan 1

 

 

Daniels Leben am babylonischen Hof als Beispiel für Gottesfurcht und Glauben

 

IM j. Cap. ge­het vor her / ein ſchön Exem­pel / von dem leben Danielis / wie Heilig / wie Gottfürchtig / vnd wie eines groſ­ſen / ritterlichen glaubens zu Gott / er geweſt ſey / vn­ter ſolchem wü­ſten Heidniſchem we­ſen / vnd vn­ter ſo viel grewlichen Ergerniſſen / ſo er zu Babel hat müſſen ſe­hen vnd hören teg­lich / Vnd doch feſt vnd beſtendig blieben / ſolchs alles in ſei­nem her­tzen vber­wun­den hat. Da­r­umb folget auch bald hernach / wie Gott jm ſo groſ­ſe gnade erzeigt / vnd zum erſten geiſtlich hoch ehret / mit weis­heit vnd verſtand vber alle Men­ſchen begabt. Vnd hernach auch weltlich hoch ſetzt / vnd eitel mech­ti­ge / groſ­ſe wunder vnd werck durch jn thut. Da mit er vns allen anzeigt / wie lieb vnd werd er habe / die / ſo jn fürchten vnd jm vertrawen. Vnd locket vns mit ſolchem groſ­ſen Exempel gar freundlich / zur Got­tes furcht vnd glauben.

S. Daniels

leben.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Gnade S.

Daniel von Gott erzeiget.

 

 

ZU KAPITEL II.
→Dan 2

 

 

Wie Daniel als Gefangener am Königshof zu Ruhm und Ehre kommt

 

AM ij. Cap. ge­het Danielis ehre an / vnd vr­ſa­chet ſich vber des Königes trawm / welchen Daniel aus Göttlicher offenbarung wi­der findet vnd deutet. Da durch wird er ein Fürſt im gan­tzen lande Babel / vnd ein Biſchoff oder Oberſter vber alle geiſtlichen vnd gelerten. Welchs geſchicht auch dem Jüdiſchen volck zu troſt / Auff das ſie im Elende nicht zweiueln oder vngedültig ſein ſollen / als het­te ſie Gott verworffen vnd ſei­ne Ver­hei­ſſung von Chri­ſto auffgehaben. Da­r­umb mus ein gefangener Jüde ein ſolch gros Königreich regieren / vnd kein Babylonier ſolche ehre haben / Gerade / als we­re er dazu gefangen weg­ge­fü­ret / das er ſo ein groſ­ſer Herr wer­den ſolt / auch vber die / ſo jn gefangen hatten vnd hielten. So gar wünderlich füret Gott ſei­ne gleubigen / Vnd gibt viel mehr denn ein Menſch wündſchen kan.

 

Daniel hoch

erhaben / in troſt allen Jü­den etc.

 

 

Der Traum von den vier Königreichen

 

DER Trawm aber vnd das Bilde / iſt im Text durch Daniel ſelbs klerlich gedeutet / von den vier Königreichen. Als da iſt / das erſte / der Aſ­ſy­rer oder Babylonier. Das ander / der Meden vnd Perſen. Das dritte / des groſ­ſen Alexandri vnd der Griechen. Das vierde / der Römer. In die­ſer deutung vnd meinung / iſt alle Welt eintrechtig / vnd das werck vnd die Hiſtorien beweiſens auch gewaltig. Aber vom Römiſchen Reich redet er am meiſten vnd lengeſten / Da­r­umb müſſen wir auch vleiſſig zuhören.

Vier König-

reich.

 

 

Das letzte Königreich meint das römische Reich

 

Am ende / da ſich die eiſern Schenckel beginnen zu teilen in die Zee an füſſen deutet er drey ſtück vom Römiſchen Reich.

 

Römiſch

Reich.

 

DAs erſte iſt / Das die Zee geteilet ſind / Aber doch gleich wol den vrſprung von dem eiſern Fuſſe behalten. Gleich wie in menſchlichem Leibe auch die Zee ſich teilen / Aber doch gleichwol aus dem Fuſſe her wachſen vnd zum fuſſe gehören. Al­ſo iſt das Römiſch Reich zertrennet / da Hiſpania / Franckreich / Engelland / vnd andere ſtücke mehr dauon komen ſind. Es iſt aber dennoch heraus gewachſen / vnd gleich wie eine Pflantze verſezt (wie ſie es nennen) tranſlatum / von den Griechen auff die Deudſchen / Al­ſo das dennoch des eiſens art da iſt blieben / Denn es hat noch ſei­ne Stende / Empter / Rechte vnd Ge­ſe­tze / wie es vor zeiten gehabt. Da­r­umb ſpricht er hie / Ob es wol ein zertrennet Reich ſein wird / So ſol doch eiſens wurtzel / pflantze / oder ſtam darinnen ſein.

Drey ſtück des Rö­miſchen Reichs.

Das

I.

Imperium Romanii tranſlatum ad Germanos.

→*1)

 

→*2)

II.

DAS ander ſtück / Das ſolche geteilete zee / ſind vngleich / Eins teils Eiſen / eins teils Thon / welchs er ſelbs deutet / Das es ſol ein ſolch zerteilet Reich ſein / das es etwa mech­tig / etwa ſchwach ſey. Das findet ſich al­ſo / Denn es hat offt man-

Das Rö-

miſch Reich das letzte.

 

 

 

 

[103a | 103b]

 

 

Vorrede vber den

 

 

chen weidlichen Keiſer gehabt / als Carolum Magnum / die drey Ottones / vnd der gleichen / die vnuberwindlich geweſt ſind. Widerumb auch offt ſchwache vnd vnſelige Keiſer / die offt vber­wun­den ſind. Das wird aber alles da­r­umb geſagt / das wir wi­ſſen / wie das Römiſch Reich ſol das letzte ſein / vnd niemand ſol es zu­bre­chen / On alleine Chri­ſtus mit ſei­nem Reich. Da­r­umb ob ſich gleich viel Könige wi­der das Deudſche Keiſerthum geſetzt / vnd der Türcke auch da wi­der tobet / vnd ſie alle vieleicht etliche mal eine Schlacht gewinnen mügen / So müſſen ſie doch / ſolcher eiſern wurtzel vnd pflantzen nicht mech­tig wer­den / oder ſo gar ausrotten. Es mus bleiben bis an Jüngſten tag / wie ſchwach es jmer ſey / Denn Daniel leuget nicht / vnd biſher die Erfarung auch beweiſet hat / beide an Bepſten ſelbs vnd an Königen.

III.

DAS dritte ſtück / Das ſolche zerteilete / vngleiche Zee / gleich gemenget oder einer vmb den andern gewechſelt ſtehen / deutet er ſelbs / Das ein ſolch ſchwach Reich ſein wird / das ſich mit Verbündnis vnd freundſchafft hin vnd her / bey andern Königen flicken vnd ſich ſtercken wird / Aber es wird doch nicht helf­fen / noch trewe finden. Vnd mus al­ſo allein durch Got­tes verſehung ſei­ne ſtercke vnd Sieg haben / wenn es ſein ſol.

 

 

Der Berg aus dem Stein gerissen wird

 

DEn Berg / dauon der Stein / on Men­ſchen hende / geriſſen wird / deuten etliche die heilige Jung­fraw Maria / von welcher Chri­ſtus geboren iſt / on Menſchlich zuthun / Vnd iſt nicht vnchriſtlich ge­redt. Es mag aber auch wol der Berg ſein das gantze Jüdiſche Reich / aus wel­chem Chri­ſtus komen / vnd jr Fleiſch vnd Blut iſt / Vnd doch nu von jnen geriſſen / vnd vn­ter die Heiden komen / Da iſt er in aller Welt ein HERR wor­den / in allen die­ſen vier Königreichen / vnd wirds auch bleiben.

Berg dauon

der Stein geriſſen iſt.

 

 

ZU KAPITEL III.
→Dan 3

 

 

Die Geschichte der Männer im Feuerofen dient dem Glauben an die Erlösung

 

AM iij. Cap. ſchreibt er abermal ein gros Wun­der­zeichen des glaubens / das die drey Menner im glüenden Ofen erhalten wer­den. Da durch denn Gott bekand vnd gepreiſet ward vom Könige / durchs gantze Königreich / auch mit Schrifften. Welchs abermal geſchicht zu troſt den gefangen Jü­den / welche ſampt jrem Gott / gar veracht vnd nichts waren zu Babel / vn­ter den Tirannen vnd falſchen Göttern. Aber hie wird jr Gott hoch geehret vber alle Götter. Auff das ſie ja feſt gleuben ſollen / Er könne vnd wölle ſie wol erlöſen / zu rechter zeit / vnd in des an ſolcher ſei­ner Ehre vnd Wunder / ſich hal­ten vnd tröſten.

iij. Menner

im glüenden Ofen erhalten / zu troſt den ge­fan­ge­nen Jü­den zu Ba­bel.

 

 

 

 

1) lat.: Imperium Romanii translatum ad Germanos.

dt.: »Das Römische Reich wurde nach Deutschland gebracht.«

 

 

2) lat.: translatum

dt.: »übertragen«, Luther: »versetzt«

 

 

 
 

 

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