Die gantze Heilige Schrifft Deudsch
D. Martin Luther, Wittenberg 1545
Alte Zählung: Weish 17,1-21
Der Text in 19 Kapiteln
Nr. | Textstelle alte Zählung | Textstelle neue Zählung | Abschnitt | Link zum Text |
Kapitel XVII. | |||
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16 - 19 |
V. Gott handelt unterschiedlich an Israel und Ägypten
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1 | 17,1-21 | 17,1-21 |
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Kapiteleinteilung nach der Ausgabe von 1545 (römische Zahlen),
Angabe der Textstelle nach der alten Zählweise (bis 2017)
und der neuen Zählweise ab der Ausgabe der Lutherbibel von 2017.
[171a]
Zur Zählung der Verse
siehe
Verse
171[1]
GRos vnd vnſagelich ſind deine Gerichte / HERR / Darumb feilen auch die törichten Leute. 2[2]Denn da ſie meineten das heilige Volck zu vnterdrücken / wurden ſie / als die Vngerechten / der finſternis Gebundene / vnd der langen nacht Gefangene / vnd als die Flüchtigen / lagen ſie vnter den Dechern verſchloſſen fur der ewigen Weisheit. 3[3]Vnd da ſie meineten / jre ſünde ſolten verborgen / vnd vnter einem blinden Deckel vergeſſen ſein / wurden ſie grauſamlich zurſtrewet / vnd
(Feilen)
Das iſt / jr anſchlege wider die Gerechten gehen zu rücke /
Deine Feinde feilen.
[171a | 171b]
Das Bucĥ C. XVII.
durch Geſpenſte erſchreckt. 4[4]Denn auch der Winckel / darin ſie waren / kundte ſie nicht on furcht bewaren / Da war gedöne vmb ſie her / das ſie erſchreckt / vnd ſcheusliche Laruen erſchienen / dauon ſie ſicht entſatzten. 5[5]Vnd das Fewr vermocht mit keiner macht jnen zu leuchten / noch die hellen flammen der Sterne / kundten die elende Nacht liecht machen. 6[6]Es erſchein jnen aber wol ein ſelb brennend fewr / voller erſchrecknis / Da erſchracken ſie fur ſolchem Geſpenſte / das doch nichts war / vnd dachten / es were noch ein ergers dahinden / denn das ſie ſahen.
DAs gauckelwerck der ſchwartzen kunſt / lag auch darnider / vnd das rhümen von jrer kunſt ward zum ſpot. 8[8]Denn die ſich vnterwunden die furcht vnd ſchrecknis von den krancken Seelen zu treiben / wurden ſelbs kranck / das man auch jrer furcht ſpottet. 9[9]Vnd wenn ſie ſchon keins ſolcher ſchrecknis hette erſchreckt / So hetten ſie doch mocht fur furcht vergehen / Da die Thier vnter ſie furen / vnd die Schlangen mit hauffen ſo ziſſcheten / Das ſie auch in die lufft / welcher ſie doch nicht entberen kundten / nicht gern ſahen. 10[10]Denn das einer ſo verzagt iſt / das macht ſeine eigen bosheit / die jn vberzeugt vnd verdampt / 11[11]Vnd ein erſchrocken Gewiſſen / verſihet ſich jmerdar des ergeſten. 12[12]Denn furcht kompt daher / das einer ſich nicht trawet zuuerantworten / noch keine hülffe weis. 13[13]Wo aber wenig troſt im hertzen iſt / Da macht dasſelbige verzagen benger / denn die plage ſelbs.
14[14]DIe aber / ſo zu gleich die ſelbigen nacht ſchlieffen (welche ein grewliche vnd ein rechte Nacht / vnd aus der grewlichen Hellen winckel komen war) 15[15]wurden etliche durch grauſame Geſpenſte vmbgetrieben / Etliche aber fielen dahin / das ſie ſich des Lebens erwegeten. Denn es kam vber ſie eine plötzliche vnd vnuerſehene Furcht / 16[16]das gleich / wo einer war / der drin ergriffen ward / der war gleich / wie im Kercker verſchloſſen / on eiſen verwaret / 17[17]er were ein Ackerman / oder Hirte / oder ein Erbeiter in der wüſten / Sondern er müſte / als vbereilet / ſolche vnmeidliche not tragen. 18[18]Denn ſie waren alle zu gleich mit einerley Keten der finſternis gefangen.
19[19]WO etwa ein Wind hauchet / oder die Vögel ſüſſe ſungen vnter den dicken zweigen / oder das Waſſer mit vollem lauff rauſchet / oder die Steine mit ſtarckem poltern fielen / oder die ſpringenden Thier / die ſie nicht ſehen kundten / lieffen / oder die grauſamen wilden Thier heuleten / oder der widerhall / aus den holen Bergen ſchallet / So erſchreckt es ſie vnd machte ſie verzagt. 20[20]Die gantze Welt hatte ein helles 21[21]Allein vber dieſen ſtund ein tieffe Nacht / welche war ein bilde des Finſternis / das vber ſie komen ſolte / Aber ſie waren jnen ſelbs ſchwere r / denn die finſternis.
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Verse
Es liegen zwei verschiedene Verszählungen vor:
Die Zählung, in grüner Schrift und (wie in der Lutherbibel von 2017) in eckigen Klammern gesetzt, bezieht sich auf die Ausgaben der Lutherbibel bis 2017. Die Übersetzung der älteren Lutherbibeln seit 1534 stützt sich überwiegend auf die lateinische Übersetzung, die der Kirchenvater Hieronymus vorgenommen hatte, und die in der katholischen Kirche im 16. Jahrhundert weit verbreitet war.
Die Zählung (wie bei uns üblich) in roter Schrift gesetzt, folgt nun der Lutherbibel von 2017, die sich mit ihrer völlig neu besorgten Übersetzung nun auf den griechischen Quelltext der Septuaginta stützt und deren Zählung zugrunde legt.
Beide Zählungen können an vielen Stellen identisch sein. Dennoch haben wir sie getrennt aufgenommen, um Eindeutigkeit zu erzielen.
Die neue Zählung wird in allen künftigen Publikationen der evangelischen Kirchen maßgeblich sein.
Hinweis zum Gebrauch und zur Lutherbibel von 2017
Die Texte des Buchs Weisheit Salomos in der Lutherbibel 2017 weichen wegen der Neuübersetzung basierend auf der Septuaginta stellenweise von der hier gezeigten Textform und von den Ausgaben bis 2017 ab.
Die Versangaben in allen älteren Ausgaben sowie in Dritttexten, z. B. in den Gottesdienstordnungen, beziehen sich derzeit noch durchweg auf die ältere Notation, wie wir sie in Klammern wiedergegeben haben.
Weitere Anmerkungen
2) Luthers Wort Laruen ist als Larven (Lar-uen) zu lesen. Siehe im Stilkunst-Wörterbuch zur Lutherbibel die Erläuterungen zum Buchstaben U,u und zum Buchstaben V,v.
Bezeichnet wurde mit diesem Wort ein Gespenst, eine Schreckgestalt.
3) lat.: Conscientia mille testes.
dt.: »Das Gewissen [ist mehr als] tausend Zeugen.«
Daraus hat sich das deutsche Sprichwort gebildet:
»Eigen Gewissen ist mehr denn tausend Zeugen.«
4) Die Lutherbibel 2017 merkt zu Vers 17,14 an: »Gemeint ist die Nacht, in der die Erstgeburt getötet wurde.«
Luther verweist aber auf 2Mos 10. Dort ist eine dreitägige Finsternis, also die dreitägige »Nacht«, beschrieben.
Wir halten es mit Luther und meinen, die in Weish 17,14 bezeichnete Nacht meint die neunte Plage (2Mos 10,21-23).
Eindeutig verweisen darauf die Verse Weish 17,20-21, wo in Anpassung an 2Mos 10,21-23 erklärt wird, dass die Finsternis nur die Ägypter betraf.
Der Autor von Weish 17 beschreibt, dass die in 2Mos 10 genannte Plage nicht einfach nur Dunkelheit und Finsternis meinte, die eben ohne besondere Auswirkungen vergeht und bestenfalls als Naturschauspiel bedeutsam ist und somit Aufmerksamkeit erregt, ähnlich einer normalen Sonnenfinsternis. Er beschreibt, dass die Finsternis herbe Auswirkungen im Leben der Ägypter hatte. Beispielsweise erzeugte die Dunkelheit große Furcht, die bereits durch jedes kleine Geräusch noch einmal verstärkt wurde. Denn die Ägypter erwarteten nun das Böse, das Ende der Welt. Der Sonnengott Re war verschollen, die feste Ordnung (Maat) war verloren, es drohte Chaos (Isfet) und das Verlassensein von allen guten Göttern. Die Macht des Pharaos, der als »Sohn des Sonnengotts Re« verstanden wurde, war gebrochen. Die Ägypter traf die anhaltende Finsternis unmittelbar in ihrer religiösen und gesellschaftlichen Weltanschauung, was grundlegend als Auslöser der beschriebenen Furcht zu verstehen ist.
Hingegen wird in Weish 17 weder direkt noch indirekt der Tod der Erstgeburt thematisiert.
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Kürzel | Bezeichnung in Luthers Biblia 1545 | Moderne Bibel | Kürzel |
Weisheit. | Die Weisheit Solomonis. | Das Buch der Weisheit Das Buch der Weisheit Weisheit Salomons | Weish Weish Weish |
Ex. | Das ander Buch Moſe. | Das zweite Buch Mose (Exodus) Exodus 2. Buch Mose | 2. Mose Ex 2Mos |
Pſal. | Der Pſalter.Biblia Vulgata: | Der Psalter Die Psalmen Das Buch der Psalmen | Ps Ps Ps |
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Eine ausführliche Übersicht zu den Apokryphen des Alten Testaments der Lutherbibel von 1545.