Dr. Martin Luther

Vorrede zum Buch der Weisheit Salomos

Symbol Biblia 1545

Die Lutherbibel von 1545

 

Die Texte der Lutherbibel von 1545 in Frakturschrift

Das Alte Testament

Die Apokryphen

 

Biblia
 

Die gantze Heilige Schrifft Deudsch
D. Martin Luther, Wittenberg 1545

Die Weisheit Salomos

Dr. Martin Luthers Vorrede

 

 

Zum Text in neunzehn Kapiteln

 

 

 

 

 

D. Mart. Luth.

 

 

 

 

[163a | 163b]

 

 

Vorrede auff die Weisheit Salómónis.

 

 

Der Streit da­r­ü­ber, das Buch in den Kanon der Bibel aufzunehmen

 

DIS Buch iſt lange

zeit im zanck geſtanden / Obs vn­ter die Bücher der hei­li­gen Schrifft des a­lten Te­ſta­ments zu­re­chen ſein ſol­te / oder nicht / Son­der­lich weil der Tich­ter ſich hören leſſt im ix. Cap. als redet in die­ſem gan­tzen Buch der könig Salomon / welcher auch von der Weisheit / im buch der Könige hoch gerhümet wird.

 

 

Das Buch wird Salomo fälschlich zugeschrieben

 

Aber die alten Ve­ter habens ſtracks aus der heiligen Schrifft geſondert / vnd gehalten / Es ſey vn­ter der Perſon des kö­ni­ges Salomon gemacht / Auff das es vmb ſol­ches hochberhümbten Königes namen vnd Perſon willen / deſte mehr geacht / vnd gröſſer anſehen het­te / bey den Gewaltigen auff Erden / an welche es furnem­lich geſchrieben iſt / Vnd vieleicht langeſt vntergangen we­re / wo es der Mei­ſter / ſo er geringes anſehens geweſt / vn­ter ſei­nem namen het­te laſ­ſen ausgehen.

 

 

Als Autor wird Philon von Alexandria vermutet

 

SIE hal­ten aber / Es ſolle Philo die­ſes Buchs Mei­ſter ſein / welcher on zweiuel der allergelerteſten vnd weiſeſten Jü­den einer geweſt iſt / ſo das Jüdiſch volck nach den Propheten gehabt hat / wie er das mit andern Büchern vnd Thaten beweiſet hat. Denn zur zeit des keiſers Caligula / da die Jü­den / durch etliche Griechen / als Appion vnd Alexandria / vnd ander mehr / auffs aller ſchendlichſt wurden mit Laſterſchrifften vnd Schmachreden geſchendet / vnd dar­nach fur dem Keiſer auffs allergifftigſt angegeben / vnd verklagt / Ward genanter Philo vom Jüdiſchen volck / zum Keiſer geſchickt / die Jü­den zu verantworten vnd zu entſchüldigen. Als aber der Keiſer ſo gar erbittert war auff die Jü­den / das er ſie von ſich weiſet / vnd nicht hören wolt / Da lies ſich Philo / als ein Man vol muts vnd troſts / hören / vnd ſprach zu ſei­nen Jü­den / Wolan lie­ben Brüder / erſchreckt des nicht / vnd ſeid getroſt / Weil men­ſchen hülffe vns abſa­get / ſo wird gewis­lich Got­tes hülffe bey vns ſein.

Philo die­ſes

Buchs Mei­ſter.

 

 

 

 

Caligula.

 

 

Der Grund für das Buch: Trost für die unterdrückten Juden

 

AVS ſolchem grund vnd vr­ſa­che / düncket mich / ſey dis Buch gefloſſen / Das Philo / dieweil ſei­ne / vnd der Jü­den ſa­che vnd recht / nicht hat mügen ſtat finden fur dem Keiſer / wendet er ſich zu Gott / vnd drewet den Gewaltigen / vnd bö­ſen meulern / mit Got­tes gericht. Da­r­umb redet er auch ſo hefftig vnd ſcharff / im j. vnd ij. Cap. wi­der die gifftigen bö­ſen zungen / ſo den Gerechten vnd Vnſchüldgen / vmb der war­heit willen / ver­fol­gen vnd vmbbringen. Vnd dar­nach wi­der die Gewaltigen einfüret die groſ­ſen Exempel göttliches gerichts / ſo Gott vber den könig Pharao vnd die Egypter / geübt hat / vmb der kin­der Iſ­ra­el willen. Vnd thuts mit ſo trefflichen hefftigen wor­ten / als wolt er ger­ne / beide den Keiſer / die Römer / vnd die gifftigen zungen der Griechen / ſo wi­der die Jü­den tobeten / mit eim jg­li­chen wort treffen / vnd durch ſolche mech­ti­ge Exempel / abſchrecken / vnd die Jü­den tröſten.

Urſach / warumb dies Buch ge­ſchrie­ben.

 

 

Das Buch dient als Quelle für viele Kirchenlieder

 

ABer hernachmals iſt dis Buch von vielen / fur ein recht buch der heiligen Schrifft gehalten. Sonderlich aber in der Römiſchen Kirchen / al­ſo hoch vnd ſchon gehalten / das freilich kaum aus einem Buch in der Schrifft / ſo viel Geſanges gemacht iſt als aus die­ſem. Vieleicht aus der vr­ſa­che / weil in die­ſem Buch die Tyrannen ſo hefftig mit wor­ten geſtraffet / vnd angegriffen / Widerumb die Heiligen vnd Marterer / ſo höchlich getröſtet wer­den / vnd zu Rom die Chri­ſ­ten mehr denn ſonſt in aller Welt / verfolget vnd gemartert wurden / Haben ſie dis Buch am meiſten getrieben / als das ſich zur ſa­chen ſo eben reimet / mit drewen wi­der die Tyrannen / vnd mit tröſten fur die Heiligen. Wiewol ſie viel ſtück darin nicht verſtanden / vnd gar offt bey den haren gezogen haben / Wie denn auch ſonſt der gan­tzen heiligen Schrifft offt ge­ſche­hen iſt / vnd teg­lich geſchicht.

Viel Kirchen ge­ſangs iſt aus die­ſem Buch ge­macht.

 

 

Die Botschaften richten sich an die tyrannische Obrigkeit

 

WIE dem allen / Es iſt viel guts dinges drinnen / vnd wol werd / das mans leſe. Sonderlich aber ſolten es leſen die groſ­ſen Hanſen / ſo wi­der jre Vnterthanen toben / vnd wi­der die Vn­ſchül­di­gen / vmb Got­tes wort willen / wüten. Denn die ſel­bi­gen ſpricht er an im vj. Cap. vnd bekennet / das dis Buch an ſie ſey geſchrieben / da er ſpricht / Euch Tyrannen gelten meine Rede etc. Vnd ſeer fein zeuget er /

 

 

 

 

[163b | 164a]

 

→*1)

 

 

Vorrede.

LCXIII.

 

 

das die weltlichen Oberherren / jre gewalt von Gott haben / vnd Got­tes Ampt­leu­te ſeien. Aber drewet jnen / das ſie Tyranniſch ſolchs göttlichen be­fol­hen Ampts brauchen.

 

 

Das Buch ist zeitlos, die Themen sind aktuell

 

DARumb kompt dis Buch nicht vneben zu vn­ſer zeit / an den tag / dieweil jtzt auch die Tyrannen getroſt jrer Oberkeit misbrauchen / wi­der den / von dem ſie ſolche Oberkeit haben. Vnd leben doch wol ſo ſchendlich in jrer Abgötterey / vnd vnchriſtlicher heiligkeit / als hie Philo die Römer vnd Heiden / in jrer Abgötterey beſchreibet / Das ſichs allenthalten wol reimet auff vn­ſer jtzige zeit.

Dis Buch rei­met ſich wol auff vn­ſer zeit.

 

 

Die Bedeutung des Titels

 

MAN nennet es aber / die Weisheit Sa­lo­mo­nis / da­r­umb / Das (wie geſagt iſt) vn­ter Sa­lo­mo­nis namen vnd Perſon ge­tich­tet iſt / vnd die Weis­heit gar herrlich rhü­met / nem­lich / was ſie ſey / was ſie vermag / wo her ſie kome. Vnd gefellet mir das aus der maſſen wol drin­nen / das er das wort Got­tes ſo hoch rhü­met / vnd alles dem wort zu­ſchrei­bet / was Gott je Wun­ders ge­than hat / beide an den Feinden / vnd an ſei­nen Heiligen.

Titel die­ſes Buchs.

 

Dis Buch rhü­met hoch Got­tes wort.

 

 

Der Begriff Weisheit meint Got­tes Wort

 

 

 

 

 

 

 

Sap. 16.

Matt. 4.

DAraus man klerlich erkennen kan / das er Weis­heit hie heiſſt / nicht die kluge / hohe gedancken der heid­ni­ſchen Lerer / vnd menſch­li­cher ver­nunfft / Son­dern das heilige Gött­li­che wort. Vnd was du hierin lobes vnd preiſes von der Weis­heit höreſt / da wi­ſſe / das es nicht anders / denn von dem wort Got­tes geſagt iſt. Denn er auch ſelbs im xvj. Cap. ſpricht / Die kin­der Iſ­ra­el ſeien nicht durch das Hi­mel­brot erneeret / noch durch die ehrne Schlange ge­ſund wor­den / ſon­dern durch Got­tes wort. Wie Chri­ſtus Matth. iiij. auch ſagt / Der Menſch lebt nicht vom Brot allein etc. Da­r­umb leret er / das die Weisheit nirgend her kom / denn von Gott / vnd füret al­ſo aus der Schrifft / viel Exempel drauff / vnd gibts der Weisheit / das die Schrifft dem wort Got­tes gibt.

 

Weisheit hei­ſſet in die­ſem Bu­che / Got­tes wort.

 

SOlchs hab ich deſte lie­ber ge­redt / das man gemeiniglich das wort / Weisheit / anders vernimpt / denn es die Schrifft braucht / nem­lich / wenn mans höret / ſo feret man mit fliegenden gedancken / da hin / vnd mei­net / Es ſey nichts denn gedancken / ſo in der weiſen Leu­te her­tzen verborgen ligen / Vnd helt die weil das euſſerliche wort oder Schrifft nicht fur weis­heit / So doch aller Men­ſchen gedancken / on Got­tes wort / eitel lügen vnd falſche trewme ſind. Da­r­umb weil die­ſes Buchs name heiſſt / die weis­heit Sa­lo­mo­nis / iſts gleich ſo viel geſagt / als ſpreche ich / Ein buch Sa­lo­mo­nis vom wort Got­tes. Vnd der Geiſt der Weisheit nicht anders / denn der glaube oder verſtand deſſelbigen worts / welchen doch der heilige Geiſt gibt. Solcher glaube oder geiſt / vermag alles vnd thut / wie dis Buch rhümet im vij. Cap.

Brauch des worts / Weis­heit in der Schrifft.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Weisheit Sa­lo­mo­nis.

Geiſt der Weis­heit.

 

 

Das Buch ist eine Auslegung des ersten Gebots

 

ZV letzt iſt dis Buch eine rechte auslegunge / vnd Exempel des erſten Gebots / Denn hie ſi­he­ſtu / das er durch vnd durch leret / Gott fürchten vnd trawen / Schreckt die jenigen mit Exempeln göttlichs zorns / ſo ſich nicht fürchten / vnd Gott verachten. Widerumb tröſtet die jenigen mit Exempeln göttlicher gnade / ſo jm gleuben vnd trawen / welchs nichts anders iſt / denn der rechte verſtand des erſten Gebots. Daraus man auch mercken kan / Das aus dem erſten Gebot / als aus dem Heubtborn / alle Weisheit quillet vnd fleuſſet / vnd freilich daſſelbige Gebot / die rechte Sonne iſt / da alle Weiſen bey ſe­hen / was ſie ſe­hen. Denn wer Gott fürchtet vnd gleubet / der iſt voller weis­heit / aller welt Mei­ſter / aller wort vnd werck mech­ti­ger / aller lere vnd leben / ſo fur Gott gilt vnd hilfft / Richter. Widerumb / wer das erſte Gebot nicht hat / vnd Gott weder fürcht noch trawet / der iſt voller torheit / kan nichts / vnd iſt nichts.

Dis Buch iſt ei­ne aus­le­gung des er­ſten ge­bots.

 

 

Die Kernbotschaft: Gott fürchten und vertrauen

 

Vnd das iſt die fur­ne­me­ſte vr­ſa­che / warumb dis
Buch wol zu leſen iſt / Das man Gott fürchten
vnd trawen lerne / Da er vns zu
helffe mit gnaden / Amen.

 

 

 

*1) Druckfehler: LCXIIII. Korrektur: CLXIIII.

 

 

 
 

 

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Sabrina

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