Die gantze Heilige Schrifft Deudsch
D. Martin Luther, Wittenberg 1545
Alte Zählung: 2,22-41
Der Text in einem Kapitel
Nr. | Textstelle alte Zählung | Textstelle neue Zählung | Abschnitt | Link zum Text |
1 | 2,22-26 | 2,23-27 | |
2 | 2,27-31 | 2,28-32 | Daniel wird nach Drohungen von Aufrührern vom König in die Löwengrube geworfen |
3 | 2,32-38 | 2,33-39 | Ein Bote Gottes beauftragt den Propheten Habakuk Daniel mit Nahrung zu versorgen |
4 | 2,39-41 | 2,40-42 | Daniel blieb von den Löwen verschont und der König lässt die Aufrührer in die Grube werfen |
Anmerkung:
Textfolge nach der Ausgabe von 1545, Angabe der Textstellen nach den Zählweisen bis 2016 und ab 2017. Siehe dazu auch Anmerkung 1 unten.
[241b]
Dieſes Stück iſt genommen aus der griechiſchen Überſetzung des Buches Daniel.
223 [22]
Die heutigen Verse 2,1-22[21] aus bilden in dieser Ausgabe die Geschichte vom Bel zu Babel.
ES war auch ein groſſer
Drach daſelbs / den die zu Babel anbeteten. 24[23]Vnd der König ſprach zu Daniel / Wie / wiltu von dem auch ſagen / das er nichts denn ein eherner Götze ſey? Sihe er lebet ja / Denn er iſſet vnd trincket / Vnd kanſt nicht ſagen / das er nicht ein lebendiger Gott ſey / Darumb ſo bete jn an. 25[24]Aber Daniel antwortet / Ich wil den HERRN meinen Gott anbeten / Denn der ſelbige iſt der lebendige Gott. 26[25]Du aber Herr könig / erleube mir / ſo wil ich dieſen Drachen vmbbringen / on einig ſchwert oder ſtangen. Vnd der König ſprach / Ja / es ſey dir erleubt. 27[26]Da nam Daniel pech / fettes vnd har / vnd kochet es vnter einander / vnd macht Küchlin daraus / vnd warffs dem Drachen ins maul / Vnd der Drache barſt dauon mitten entzwey. Vnd Daniel ſprach / Sihe / das ſind ewr Götter.
28[27]
DA nu die zu Babel ſolchs höreten / verdros ſie es ſeer / vnd machten eine Auffrhur wider den König / vnd ſprachen. Vnſer König iſt ein Jüde worden / Denn er hat den Bel zurſtöret / vnd den Drachen getödtet / vnd die Prieſter vmbbracht. 29[28]Vnd ſie tratten fur den König / vnd ſprachen / Gib vns den Daniel her / Wo nicht / So wöllen wir dich vnd dein gantzes haus vmbbringen. 30[29]Da nu der König ſahe das ſie mit gewalt auff jn drungen / muſte er jnen den Daniel vbergeben. 31[30]Vnd ſie worffen jn zun Lewen in den Graben / darin lag er ſechs tage lang.
32[31]VNd es waren ſieben Lewen im Graben / den gab man teglich zween Menſchen / vnd zwey Schaf. Aber dieſe tage gab man jnen nichts / auff das ſie Daniel freſſen ſolten.
33[32]
ES war aber ein Prophet Habacuc in Judea / der hatte einen Brey gekocht / vnd Brot eingebrocket in eine tieffe Schüſſel / vnd gieng damit auffs feld / das ers den Schnittern brechte. 34[33]Vnd der Engel des HERRN ſprach zu Habacuc / Du muſt das Eſſen das du tregſt / dem Daniel bringen gen Babel / in der Lewengraben. 35[34]Vnd Habacuc antwortet / HERR / Ich hab die ſtad Babel nie geſehen / vnd weis nicht wo der Graben iſt.
36[35]DA faſſet jn her Engel oben bey dem Schopff / vnd füret jn wie ein ſtarcker wind gen Babel an den Graben. 37[36]Vnd Habacuc rüffet / vnd ſprach / Daniel / Daniel / Nim hin das eſſen / das dir Gott geſand hat. 38[37]Vnd Daniel ſprach / HERR Gott / du gedenckeſt ja noch an mich / vnd verleſſeſt die nicht / die dich anruffen / vnd dich lieben. 39[38]Vnd er ſtund auff / vnd aſs. Aber der Engel Gottes bracht Habacuc von ſtund an wider an ſeinen Ort.
40[39]VND der König kam am ſiebenden tage / Daniel zu klagen. Vnd da er zum Graben kam / vnd hinein ſchawet / ſihe / da ſas Daniel mitten vnter den Lewen. 41[40]Vnd der König rieff laut / vnd ſprach / O HERR / du Gott Daniels / Du biſt ein groſſer Gott / vnd iſt ſonst kein Gott / denn du. 42[41]Vnd er
lieſ jn aus dem Graben nemen. Aber die andern /
ſo jm zum tode wolten bracht haben / lies er
in den Graben werffen / Vnd worden
ſo bald fur ſeinen augen von
den Lewen verſchlungen.
❦❧
*1)
Kapitelzählung
Die Kapitelzählung folgt der Lutherbibel 2017. Dort ist die Geschichte unter Stücke zu Daniel Kapitel 2 eingeordnet.
Verszählung
Es liegen zwei verschiedene Verszählungen vor:
Die Zählung, in grüner Schrift und (wie in der Lutherbibel von 2017) in eckigen Klammern gesetzt, bezieht sich auf die Ausgaben der Lutherbibel bis 2017. Die Übersetzung der älteren Lutherbibeln seit 1534 stützt sich überwiegend auf die lateinische Übersetzung, die der Kirchenvater Hieronymus vorgenommen hatte, und die in der katholischen Kirche im 16. Jahrhundert weit verbreitet war.
Die Zählung (wie bei uns üblich) in roter Schrift gesetzt, folgt nun der Lutherbibel von 2017, die sich mit ihrer völlig neu besorgten Übersetzung nun auf den griechischen Quelltext der Septuaginta stützt und deren Zählung zugrunde legt.
Diese Zählung wird in allen künftigen Publikationen der evangelischen Kirchen maßgeblich sein.
Hinweis zum Gebrauch
Die Versangaben in allen älteren Ausgaben sowie in Dritttexten beziehen sich derzeit noch durchweg auf die ältere Notation, wie wir sie in Klammern wiedergegeben haben.
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Die Geschichte vom Drachen zu Babel ist nicht in der hebräisch-aramäischen Bibel enthalten, allerdings in der griechischen Septuaginta und in der lateinischen Vulgata.
Martin Luther, der sich am hebräischen Text orientierte, sah sie als Ergänzung der griechischen und lateinischen Quellen, und wollte deshalb nicht völlig auf sie verzichten. Er hat diesen Text (wie auch weitere Texte, die nur in den griechischen und lateinischen Quellen vorliegen) daher in einem Abschnitt zusammengefasst, den er »Apokryphen« nannte.
Das lateinische Wort »Apocrypha« (Plural) bezeichnet Schriften, die nicht in den Kanon (in die Sammlung) der biblischen Bücher aufgenommen, aber ihnen aus unterschiedlichen Gründen sehr ähnlich sind. Der Grund hier ist schlicht das Vorhandensein in den alten griechischen und lateinischen Quellen.
Die griechische Septuaginta stellt die Geschichte vom Drachen zu Babel gemeinsam mit dem vorhergehenden Teil »Vom Bel zu Babel« in den Anhang zum Buch des Propheten Daniel als »Bel und Drache«.
Die lateinische Vulgata fügt die Geschichte im Buch Daniel hinter Kapitel 12 (Ende des Buchs Daniel) und 13 (Die Geschichte von Susanna und Daniel) als zweiten Teil des Kapitels 14 ein. Die Geschichte ist daher in deutschsprachigen Bibelausgaben, die der Tradition der Vulgata folgen, als Kapitel 14,23-42 zu finden, so auch in der Einheitsübersetzung.
Die Lutherbibeln besitzen bis heute den Abschnitt »Apokryphen«, in dem die Geschichte vom Drachen zu Babel den Stücken zum Buch Daniel als Kapitel 2,23-42 [21-41] eingeordnet ist.
Allerdings gibt es (leider!) bis heute Ausgaben der Lutherbibeln, in denen die Apokryphen gar nicht abgedruckt sind!
1) Wenn Sie eine Lutherbibel kaufen möchten, sollten Sie daher darauf achten, dass die Apokryphen enthalten sind. Üblicherweise werden die Ausgaben mit Apokryphen ausdrücklich damit beworben. Bei Ausgaben ohne Apokryphen fehlt dazu meist jeder Hinweis. Augen auf beim Bibelkauf!
2) Die Kirchenordnung der evangelischen Kirchen sieht einige Texte aus den Apokryphen als Texte für die Predigt im Gottesdienst vor, wenn auch nur als Marginaltexte, also als Optionen und Angebote, auf die der Prediger bzw. die Gemeinde zurückgreifen kann. Sie können die Predigten, die darauf gründen, selbstverständlich nur dann nachvollziehen, wenn Sie die Texte kennen oder zuhause nachlesen können. Warum es überhaupt Ausgaben gibt, in denen die Apokryphen nicht abgedruckt sind, erscheint nicht zuletzt vor diesem Hintergrund unverständlich.
Im Inhaltsverzeichnis der Lutherbibel von 1545 nummerierte Luther die apokryphen Schriften und gab den Stücken zu Daniel die laufende Nummer VIII. (8). Darin wiederum ist die Geschichte vom Drachen zu Babel das dritte Stück. Die korrekte Nummerierung wäre demnach VIII.3, allerdings verwendete sie Luther nicht.
Luthers klare Abgrenzung der beiden Stücke in der Ausgabe von 1545 erscheint uns sinnvoll. Für Stilkunst.de haben wir daher (in Abweichung zur Lutherbibel 2017) die Geschichte einfach »Das dritte Stück zu Daniel« genannt und die Abkürzung 3StDan vergeben.
Der Text aus der Lutherbibel ist auf unseren Seiten in Anlehnung an das Druckbild des Originals von 1545 wiedergegeben.
Den Seitenaufbau, die verwendeten Schriften, die Schreibregeln der Frakturschrift und Luthers Intentionen, mit der Typografie Lesehilfen bereitzustellen, erläutert dem interessierten Leser unser Artikel »Satz und Typografie der Lutherbibel von 1545«.
Eine ausführliche Übersicht zu den Apokryphen des Alten Testaments der Lutherbibel von 1545.