Die gantze Heilige Schrifft Deudsch
D. Martin Luther, Wittenberg 1545
Der Text in 24 Kapiteln
Nr. | Textstelle | Abschnitt | Link zum Text |
Kapitel XIX. | ||
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9,51 - 19,27 |
V. DER WEG JESU NACH JERUSALEM
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1 | 19,1-10 | |
2 | 19,11-27 | |
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19,28 - 21,38 |
VI. DAS WIRKEN JESU IN JERUSALEM
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3 | 19,28-40 | |
4 | 19,41-44 | |
5 | 19,45-48 |
[291a]
VND er zoch hin ein / vnd gieng durch Jericho. 2Vnd ſihe / da war ein Man / genant Zacheus / der war ein öberſter der Zölner / vnd war reich / 3Vnd begerte Jheſum zuſehen / wer er were / vnd kundte nicht fur dem Volck / Denn er war klein von perſon. 4Vnd er lieff fur hin / vnd ſteig auff einen Maulberbaum / auff das er jn ſehe / Denn alda ſolt er durch komen. 5Vnd als Jheſus kam an dieſelbige ſtete / ſahe er auff / vnd ward ſein gewar / vnd ſprach zu jm / Zachee / ſteig eilend ernider / Denn ich mus heute zu deinem Hauſe einkeren. 6Vnd er ſteig eilend ernider / vnd nam jn auff mit freuden. 7Da ſie das ſahen / murreten ſie alle / das er bey einem Sünder einkeret.
συκάμινος morus eſt/ſupra cap. 17. συκομορέα ficus Aegyptia / non caprificus / a ficu et moro. Vide Atheneum lib. 2.
[291a | 291b]
Euángelium C. XIX.
8ZAcheus aber trat dar / vnd ſprach zu dem HErrn / Sihe HErr / die helffte meiner Güter gebe ich den Armen / Vnd ſo ich jemand betrogen hab / das gebe ich vierfeltig wider. 9Jheſus aber ſprach zu jm / Heute iſt dieſem hauſe Heil widerfaren / Sintemal er auch Abrahams ſon iſt. 10Denn des menſchen Son iſt komen zu ſuchen vnd ſelig zu machen / das verloren iſt.
DA ſie nu zuhöreten / ſaget er weiter eine Gleichnis / darumb / das er nahe bey Jeruſalem war / vnd ſie meineten / Das reich Gottes ſolt alſo balde offenbart werden. 12Vnd ſprach / Ein Edeler zoch von ferne in ein Land / das er ein Reich einneme / vnd denn widerkeme. 13Dieſer foddert zehen ſeiner Knechte / vnd gab jnen zehen Pfund / vnd ſprach zu jnen / Handelt / bis das ich widerkome. 14Seine Bürger aber waren jm feind / vnd ſchicketen Botſchafft nach jm / vnd lieſſen jm ſagen / Wir wolen nicht / das dieſer vber vns herrſche.
15VND es begab ſich / da er widerkam / nach dem er das Reich eingenomen hatte / hies er dieſelbigen Knechte foddern / welchen er das Geld gegeben hatte / Das er wüſſte / was ein jglicher gehandelt hette. 16Da trat erzu der Erſte vnd ſprach / Herr / dein Pfund hat zehen Pfund erworben. 17Vnd er ſprach zu jm / Ey du fromer Knecht / dieweil du biſt im geringſten trew geweſen / ſoltu macht haben vber zehen Stedte. 18Der ander kam auch / vnd ſprach / Herr / dein Pfund hat fünff Pfund getragen. 19Zu dem ſprach er auch / Vnd du ſolt ſein vber fünff Stedte.
20VND der dritte kam / vnd ſprach / Herr / ſihe da / hie iſt dein Pfund / welchs ich habe im Schweistuch behalten / 21Ich furchte mich fur dir / Denn du biſt ein harter Man / Du nimpſt / das du nicht gelegt haſt / vnd erndteſt / das du nicht geſeet haſt. 22Er ſprach zu jm / Aus deinem munde richte ich dich / du Schalck / Wuſteſtu / das ich ein harter Man bin / neme das ich nicht gelegt habe / vnd erndte / das ich nicht geſeet habe / 23Warumb haſtu denn mein Geld nicht in die Wechſelbanck gegeben? Vnd wenn ich komen were / hette ichs mit wucher erfoddert.
24VND er ſprach zu denen / die da bey ſtunden / Nemet das Pfund von jm / vnd gebets dem / der zehen pfund hat. 25Vnd ſie ſprachen zu jm / Herr / hat er doch zehen pfund. 26Ich ſage euch aber / Wer da hat / dem wird gegeben werden / Von dem aber / der nicht hat / wird auch das genomen werden das er hat. 27Doch jene meine Feinde / die nicht wolten / das ich vber ſie herrſchen ſolte / bringet her / vnd erwürget ſie fur mir.
19,28 - 21,38
28Vnd als er ſolchs ſaget / zoch er fort / vnd reiſete hinauff gen Jeruſalem.
VND es begab ſich / als er nahet gen Bethphage vnd Bethanien / vnd kam an den Oleberg / ſandte er ſeiner Jünger zween / 30vnd ſprach / Gehet hin in den Marckt / der gegen euch ligt / Vnd wenn jr hin ein kompt / werdet jr ein Füllen angebunden finden / auff welchem noch nie kein Menſch geſeſſen iſt / Löſet es ab / vnd bringets. 31Vnd ſo euch jemand fraget / Warumb jrs ablöſet? So ſaget alſo zu jm / Der HErr darff ſein. 32Vnd die geſandten giengen hin / vnd funden wie er jnen geſagt hatte. 33Da ſie aber das Füllen ablöſeten / ſprachen ſeine Herrn zu jnen / warumb löſet jr das Füllen ab? 34Sie aber ſprachen / Der HErr darff ſein. 35Vnd ſie brachtens zu Jheſu / vnd worffen jre Kleider auff das Füllen / vnd ſatzten Jheſum drauff. 36Da er nu hin zoch / breiteten ſie jre Kleider nuff den weg.
37VND da er nahe hin zu kam / vnd zoch den Oleberg erab / fieng an der gantze Hauffe ſeiner Jünger / mit freuden Gott zu loben mit lauter ſtimme / vber alle Thaten / die ſie geſehen hatten / 38vnd ſprachen / Gelobet ſey der da kompt ein König in dem Namen des HERRN / Friede ſey im Himel / vnd Ehre in der Höhe. 39Vnd etliche Phariſeer im Volck ſprachen zu jm / Meiſter
[291b | 292a]
S. Lucas. C. XIX.
CCXCII.
ſtraffe doch deine Jünger. 40Er antwortet / vnd ſprach zu jnen / Ich ſage euch / Wo dieſe werden ſchweigen / ſo werden die Steine ſchreien.
VND als er nahe hinzu kam / ſahe er die Stad an / vnd weinet vber ſie / 42vnd ſprach / Wenn du es wüſteſt / So würdeſtu auch bedencken / zu dieſer deiner zeit / was zu deinem Friede dienet. Aber nu iſts fur deinen augen verborgen. 43Denn es wird die zeit vber dich komen / das deine Feinde werden vmb dich / vnd deine Kinder mit dir / eine Wagenburg ſchlahen / dich belegern / vnd an allen örten engſten / 44Vnd werden dich ſchleiffen vnd keinen Stein auff dem andern laſſen / Darumb / das du nicht erkennet haſt die zeit darinnen du heimgeſucht biſt.
VND er gieng in den Tempel / vnd fieng an auszutreiben die darinnen verkaufften vnd kaufften / 46vnd ſprach zu jnen / Es ſtehet geſchrieben / Mein Haus iſt ein Bethaus / Ir aber habts gemacht zur Mördergruben. 47Vnd leret teglich im Tempel. Aber die Hohenprieſter vnd Schrifftgelerten / vnd die Furnemeſten im Volck / trachten jm nach / das ſie jn vmbbrechten / 48Vnd funden nicht / wie ſie jm thun ſolten / Denn alles Volck hieng jm an / vnd höret jn.
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1) συκάμινος morus eſt / ſupra cap. 17. συκομορέα ficus Aegyptia / non caprificus / a ficu et moro. Vide Atheneum lib. 2.
dt.: »Sykaminos« meint den Maulbeerbbaum [siehe] oben, Kapitel 17. »Sykomorea« die ägyptische Feige, nicht den Caprificus. Nach (der Abhandlung] : »Feige und Maulbeere«, siehe Atheneum, Band 2.
Siehe unsere Erläuterungen zu Luthers Notiz weiter unten.
συκάμινος morus eſt / ſupra cap. 17. συκομορέα ficus Aegyptia / non caprificus / a ficu et moro. Vide Atheneum lib.2
Der Text belegt, wie sehr sich Luther mit Details, hier mit botanischen Fragen, auseinandergesetzt hatte, um eine einerseits korrekte, andererseits für den Leser verständliche Übersetzung zu erreichen.
Gleichzeitig belegt die kleine Notiz, dass in jener Zeit in Theologenkreisen darüber diskutiert wurde, welche Bäume in Lk 17,6 und Lk 19,4 gemeint sind. Luther wurde für seine ungenaue Übersetzung »Maulbeerbaum« in Lk 19,4 aus früheren Auflagen sicher kritisiert. Er wendet sich mit dieser Anmerkung an seine Kritiker, wie die verwendeten Sprachen Altgriechisch und Latein belegen, nicht an seine eigentliche Zielgruppe, die deutschsprachigen Leser ohne theologische Bildung.
Luther erklärt, dass der von Lukas benutzte altgriechische Begriff συκάμινος (Sykomore) im vorhergehenden (»supra«) Kapitel 17 (Vers 6) allgemein und nicht näher bestimmt den Maulbeerbaum (Morus) meint. Der Begriff συκομορέα (ebenfalls: Sykomore) in Lk 19,4 bezeichne den Ficus Aegyptia, die Maulbeer-Feige (Ficus sycomorus), die wie alle Maulbeer- und Feigenarten der Familie der Maulbeergewächse (Moraceae) angehört, allerdings nur in Afrika und im Nahen Osten vorkommt. Sie ähnelt übrigens in Blättern und Aussehen der weißen Maulbeere (Morus alba).
Luther begründet indirekt mit seiner Notiz, warum er in beiden Textstellen die Begriffe ohne Unterscheidung mit dem Familienbegriff Maulbeerbaum übersetzt, obwohl er die Unterschiede kennt, wie seine Randnotiz beweist. Diese Bezeichnung ist hinreichend richtig. Das Wort Maulbeerfeigenbaum gab es dagegen zu Luthers Zeit bestenfalls in botanischen Abhandlungen, nicht aber im gängigen Sprachschatz, und das Wort Feigenbaum führte zu anderen Vorstellungen und war mit einer anderen Pflanze, dem wilden Feigenbaum, verknüpft.
Wichtig war Luther die Anmerkung, dass nicht der Caprificus, der wilde Feigenbaum, gemeint sei (was vermuten lässt, dass seine Kritiker darauf pochten). Als Beleg verweist er auf die Klassifizierung von Feigen (Ficus) und Maulbeerbäumen (Morus) in einer Abhandlung im zweiten Band eines wissenschaftlichen Sammelwerks (lib. 2), das unter dem Titel »Atheneum« erschien und wohl in Theologenkreisen bekannt oder zugänglich war.
Anders als die Maulbeer-Feige ist die Maulbeere Luthers deutschen Lesern bekannt. Die Übersetzung folgt der selben Intention, mit der er an anderer Stelle beispielsweise Linden oder Eichen als Bezeichnungen für fremde Baumarten nutzt, die seinen Lesern völlig unbekannt und nichtssagend gewesen wären. In der Geschichte von Susanna und Daniel findet sich im Vers 54 eine Linde. Hier merkt Luther in seinem Scholion dazu an:
Linde: Im Griechiſchen ſtehet vnter einem Schino / das heiſt latine Lentiſcus / Vnd iſt der baum dauon das Gumi fleuſſt / ſo man Maſtich nennet [Anm: gemeint ist der Mastixstrauch (Pistacia lentiscus)] / Weil aber der baum vns Deudſchen nicht bekand / hat man einen andern dafür nemen müſſen.
Scholion zur Geschichte von Susanna und Daniel, siehe dort Vers 54
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Perikope | Typ | Tag |
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1531 - 1898 | ||
Lk 19,1-10 | Evangelium | |
Lk 19,41-48 | Evangelium | |
1899 - 1978 | ||
Lk 19,1-10 | Evangelium | |
Lk 19,11-27 | 2. Evangelium | |
Lk 19,41-48 | Evangelium | |
Lutherische Kirchen 1958-1978 | ||
Lk 19,1-10 | Evangelium + | |
Lk 19,1-10 | Reihe V | |
Lk 19,29-40 | Marginaltext | |
Lk 19,41-48 | Evangelium + | |
1979 - 2018 | ||
Lk 19,1-10 | Evangelium + | |
Lk 19,1-10 | Reihe V | |
Lk 19,37-40 | Marginaltext | |
Lk 19,41-48 | Evangelium + | |
seit 2019 | ||
Lk 19,1-10 | Evangelium + | |
Lk 19,1-10 | Reihe II | |
Lk 19,37-40 | Evangelium + | |
Lk 19,41-48 | Evangelium + | 10. Sonntag nach Trinitatis: Israelsonntag |
VERSE AUS DEM TEXT IN LITURGISCHEN TAGES- UND WOCHENSPRÜCHEN
Vers / Typ | Text | Tag |
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1531 - 1898 | ||
Lk 19,10 | Der Menschensohn ist gekommen, zu suchen und selig zu machen, was verloren ist. | |
Wochenspruch | ||
1899 - 1978 | ||
Lk 19,10 | Der Menschensohn ist gekommen, zu suchen und selig zu machen, was verloren ist. | |
Wochenspruch | ||
Lutherische Kirchen 1958-1978 | ||
Lk 19,10 | Der Menschensohn ist gekommen, zu suchen und selig zu machen, was verloren ist. | |
Wochenspruch | ||
1979 - 2018 | ||
Lk 19,10 | Der Menschensohn ist gekommen, zu suchen und selig zu machen, was verloren ist. | |
Wochenspruch | ||
seit 2019 | ||
Lk 19,10 | Der Menschensohn ist gekommen, zu suchen und selig zu machen, was verloren ist. | |
Wochenspruch |
Das Video zeigt den Text aus der Lutherbibel von 1545, in dem Jesus über schreiende Steine spricht, vorgelesen von Reiner Makohl.
Das Video zeigt die Texte aus der Lutherbibel von 1545, in denen Jesus die künftige Zerstörung Jerusalems beklagt und die Händler aus dem Tempel treibt, vorgelesen von Reiner Makohl.
Luthers Vorrede zum Neuen Testament ist in neuen Bibelausgaben nicht mehr enthalten. Lesen Sie, was Luther seinen Lesern 1545 mit auf den Weg gegeben hatte.