Die gantze Heilige Schrifft Deudsch
D. Martin Luther, Wittenberg 1545
Der Text in 21 Kapiteln
Nr. | Textstelle | Abschnitt | Link zum Text |
Kapitel XII. | ||
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11,55 - 19,42 |
VIII. DAS LETZTE OSTERFEST
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11,55 - 12,50 |
VIII.1 DER ABSCHLUSS DES ÖFFENTLICHEN WIRKENS JESU
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1 | 12,1-8 | |
2 | 12,9-11 | |
3 | 12,12-19 | |
4 | 12,20-36 | |
5 | 12,37-43 | |
6 | 12,44-50 |
Im folgenden Text ist der bezeichnete Vers hervorgehoben.
[305a]
SEchs tage vor den Oſtern kam Jheſus gen Bethania / da Lazarus war der verſtorbene / welchen Jheſus aufferwecket hatte von den todten. 2Daſelbs machten ſie jm ein Abendmal / vnd Martha dienete / Lazarus aber war der einer die mit jm zu tiſſche ſaſſen.
3DA nam Maria ein pfund Salben / von vngefelſchſter köſtlicher Narden / vnd ſalbete die füſſe Jheſu / vnd trücket mit jrem hare ſeine Füſſe / das Haus aber ward vol vom geruch der Salben. 4Da ſprach ſeiner Jünger einer / Judas Simonis ſon Iſchariothes / der jn hernach verrhiet / 5Warumb iſt dieſe Salbe nicht verkaufft vmb drey hundert Groſſchen / vnd den Armen gegeben? 6Das ſaget er aber nicht / das er nach den Armen fraget / ſondern er war ein Dieb / vnd hatte den Beutel / vnd trug was gegeben ward. 7Da ſprach Jheſus / Las ſie mit frieden / ſolchs hat ſie behalten / zum tage meiner Begrebnis. 8Denn Armen habt jr allezeit bey euch / Mich aber habt jr nicht alle zeit.
DA erfur viel volcks der Jüden / das er daſelbs war / vnd kamen / nicht vmb Jheſus willen allein / ſondern das ſie auch Lazarum ſehen / welchen er von den Todten erweckt hatte. 10Aber die Hohenprieſter trachten darnach / das ſie auch Lazarum tödten / 11Denn vmb ſeinen willen giengen viel Jüden hin / vnd gleubten an Jheſum.
DEs andern tages / viel Volcks das auffs Feſt komen war / da es höret / das Jheſus kompt gen Jeruſalem / 13namen ſie Palmen zweige / vnd giengen hin aus jm entgegen / vnd ſchrien / Hoſianna / Gelobet ſey / der da kompt in dem Namen des HERRN / ein König von Iſrael. 14Jheſus aber vberkam ein Eſelin / vnd reit drauff / Wie denn geſchrieben ſtehet / 15Fürchte dich nicht du tochter Zion / Sihe / dein König kompt reitende auff einem Eſelsfüllen. 16Solchs aber verſtunden ſeine Jünger zuuor nicht / ſondern da Jheſus verkleret ward / da dachten ſie dran / das ſolchs war von jm geſchrieben / vnd ſolchs jm gethan hatten.
17DAs Volck aber das mit jm war / da er Lazarum aus dem Grabe rieff / vnd von den Toddten aufferwecket / rhümete die that. 18Darumb gieng jm auch das Volck entgegen / das ſie höreten / er hette ſolches Zeichen gethan. 19Die Phari-
[305a | 305b]
Euángelium C. XII.
ſeer aber ſprachen vnternander / Ir ſehet / das jr nichts ausrichtet / ſihe / alle Welt leufft jm nach.
ES waren aber etliche Griechen vnter denen / die hin auff komen waren / das ſie anbeteten auff das Feſt. 21Die tratten zu Philippo / der von Bethſaida aus Galilea war / baten jn / vnd ſprachen / Herr / wir wolten Jheſum gerne ſehen. 22Philippus kompt vnd ſagets Andreas / vnd Philippus vnd Andreas ſagtens weiter Jheſu. 23Jheſus aber antwortet jnen / vnd ſprach / Die zeit iſt komen / das des menſchen Son verkleret werde. 24Warlich / warlich / Ich ſage euch / Es ſey denn / das das Weitzenkorn in die erden falle / vnd erſterbe / ſo bleibts alleine. Wo es aber erſtirbet / ſo bringets viel Früchte.25Wer ſein Leben lieb hat / der wirds verlieren. Vnd wer ſein Leben auff dieſer Welt haſſet / der wirds erhalten zum ewigen leben. 26Wer mir dienen wil / der folge mir nach / Vnd wo ich bin / da ſol mein Diener auch ſein. Vnd wer mir dienen wird / den wird mein Vater ehren.
27ITzt iſt meine Seele betrübet. Vnd was ſol ich ſagen? Vater hilff mir aus dieſer ſtunde. Doch darumb bin ich in dieſe ſtunde komen. 28Vater verklere deinen Namen. Da kam eine ſtimme vom Himel / Ich hab jn verkleret / vnd wil jn abermal verkleren. 29Da ſprach das volck das da bey ſtunde / vnd zuhöret / Es donnerte. Die andern ſprachen / Es redte ein Engel mit jm. 30Jheſus antwortet vnd ſprach / Dieſe ſtimme iſt nicht vmb meinet willen geſchehen / ſondern vmb ewren willen.
31ITzt gehet das Gerichte vber die Welt / Nu wird der Fürſt dieſer welt ausgeſtoſſen werden. 32Vnd ich / wenn ich erhöhet werde / von der erden / ſo wil ich ſie alle zu mir ziehen. 33Das ſaget er aber / zu deuten / welchs todes er ſterben würde. 34Da antwortet jm das volck / Wir haben gehöret im Geſetz / das Chriſtus ewiglich bleibe / vnd wie ſageſtu denn / Des menſchen Son mus erhöhet werden? Wer iſt dieſer menſchen Son? 35Da ſprach Jheſus zu jnen / Es iſt das Liecht noch eine kleine zeit bey euch. Wandelt die weil jr das Liecht habt / das euch die Finſterniſſe nicht vberfallen. Wer im finſternis wandelt / der weis nicht wo er hin gehet. 36Gleubet an das Liecht / die weil jrs habt / Auff das jr des liechtes Kinder ſeid.
SOlchs redet Jheſus / vnd gieng weg / vnd verbarg ſich fur jnen. Vnd ob er wol ſolche Zeichen fur jnen thet / gleubten ſie doch nicht an jn / 38Auff das erfüllet würde der Spruch des Propheten Iſaia / den er ſaget / HERR / wer gleubet vnſerm predigen / vnd wem iſt der Arm des HERRN offenbaret? 39Darumb kundten ſie nicht gleuben / Denn Iſaias ſaget abermal / 40Er hat jre Augen verblendet / vnd jr Hertz verſtocket / das ſie mit den augen nicht ſehen / noch mit dem hertzen vernemen / vnd ſich bekeren / vnd ich jnen hülffe. 41Solchs ſaget Iſaias / da er ſeine Herrligkeit ſahe / vnd redete von jm. 42Doch der Oberſten gleubten viel an jn / Aber vmb der Phariſeer willen bekandten ſie es nicht / das ſie nicht in den Bann gethan würden. 43Denn ſie hatten lieber die ehre bey den Menſchen / denn die ehre bey Gott.
JHeſus aber rieff / vnd ſprach / Wer an mich gleubet / der gleubet nicht an mich / ſondern an den / der mich geſand hat. 45Vnd wer mich ſihet / der ſihet den / der mich geſand hat. 46Ich bin komen in die Welt ein Liecht / auff das / wer an Mich gleubet / nicht im finſternis bleibe. 47Vnd wer meine Wort höret / Vnd gleubet nicht / den werde ich nicht richten / Denn ich bin nicht komen / das ich die Welt richte / ſondern das ich die welt ſelig mache. 48Wer mich verachtet / vnd nimpt meine wort nicht auff / Der hat ſchon der jn richtet / das wort / welches ich geredt habe / das wird jn richten am Jüngſten tage. 49Denn ich habe nicht von mir ſelber geredt / ſondern der Vater der mich geſand hat / der hat mir ein Gebot gegeben / was ich thun vnd reden ſol. 50Vnd ich weis / das ſein Gebot / iſt das ewige Leben. Darumb das ich rede / das rede ich alſo / wie mir der Vater geſagt hat.
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1) Groſſchen; lawen pfennig
In den lateinischen und griechischen Quellen ist im Text als Münze der römische Dinar genannt. Luther überträgt diese Währungsangabe in eine Münze seiner Zeit, die den deutschen Lesern bekannt ist, den Groschen.
Der geläufige Groschen, geprägt in der meißnisch-sächsischen Münze zu Freiburg entsprach zwölf »leichten« (lawen), im Silberanteil verringerten Pfennigen (Meisniſſche lawenpfennig). Siehe dazu auch den Artikel Zinsgroschen im Wörterbuch.
In seiner Anmerkung rechnet Luther die Kaufkraft des römischen Dinars um.
Nach Mt 20,2 (die Arbeiter im Weinberg) betrug der Tageslohn eines Arbeiters zu Jesu Zeiten einen römischen Dinar, in Luthers Übersetzung einen Groschen.
Zur Zeit Luthers betrug der durchschnittliche Tageslohn eines Arbeiters etwa 28 bis 30 Pfennige.
Deshalb verweist Luther darauf, dass sein »Groschen« im Text (der Dinar) zur Jesu Zeit den zweieinhalbfachen Wert des herkömmlichen Groschens der Lutherzeit besaß.
Luther hebt mit seiner Anmerkung den Wert dieses speziellen Wassers hervor. Mit 300 Dinar jesuanischer Zeit besaß es einen Wert, der ziemlich genau dem Jahreseinkommen eines Arbeiters gleich kam bei etwa 300 Arbeitstagen jährlich (unter Berücksichtigung von Feiertagen), also etwa 750 Groschen zu 12 Pfennigen je Groschen oder 300 Groschen zu 30 Pfennigen.
In heutige Kaufkraft umgerechnet:
Im Jahr 2015 betrug das für die Rentenberechnung offiziell herangezogene durchschnittliche Bruttoentgelt aller gesetzlich Versicherten in Deutschland 34.999 Euro (2010: 31.144 Euro). Tatsächlich betrug das durchschnittliche Bruttogehalt deutscher Arbeitnehmer 2015 im Jahresmittel 41.000 Euro.
Die 300 Dinar aus der biblischen Geschichte besaßen im Jahr 2015 demnach eine Kaufkraft von etwa 35.000 bis 41.000 Euro.
Jetzt lässt sich ermessen, weshalb die Jünger die Salbung mit derart teuren Flüssigkeiten als Verschwendung monierten, und welche Aufwendungen und Ehrerbietungen diese Frau (in Joh 12: Maria) ihrem Gast zukommen lies.
Tatsächlich gab und gibt es einige sehr teure Öle für die Herstellung von Parfüms, Salben und Salböl. Bis heute ist beispielsweise Oud, das schon damals beliebte Holz des Adlerholzbaums und das daraus gewonnene Öl extrem teuer. Siehe dazu auch den Artikel Aloeholzbaum im Wörterbuch.
Das teuere Salböl weist gleichzeitig darauf hin, dass es im Umkreis Jesu Gönner und Förderer gab, die keineswegs arm waren. Das tradierte Bild einer armen oder mittellosen Gefolgschaft Jesu entspringt einer späten Verklärung, gewonnen aus der überlieferten Geisteshaltung Jesu. Dieses Bild stimmt allerdings nicht mit der Realität überein, von der die Bibel berichtet.
Jesus fand gerade auch in der wohlhabenden Bevölkerungsschicht viele Sympathisanten und Anhänger.
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Kürzel | Bezeichnung in Luthers Biblia 1545 | Moderne Bibel | Kürzel |
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Pſal. | Der Pſalter.Biblia Vulgata: | Der Psalter Die Psalmen Das Buch der Psalmen | Ps Ps Ps |
Jeſa. | Der Prophet Jeſaja.Biblia Vulgata: | Der Prophet Jesaja Das Buch Jesaja | Jes Jes Jes Is |
Zach. | Der Prophet SacharJa. | Der Prophet Sacharja Das Buch Sacharja | Sach Sach Sach |
Matth. | Euangelium S. Mattheus.Biblia Vulgata: | Das Evangelium nach Matthäus Matthäusevangelium | Mt Mt Mt |
Marc. | Euangelium S. Marcus.Biblia Vulgata: | Das Evangelium nach Markus Markusevangelium | Mk Mk Mk |
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Perikope | Typ | Tag |
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1531 - 1898 | ||
Keine Verwendung an Sonntagen, Feiertagen und Gedenktagen | ||
1899 - 1978 | ||
Joh 12,1-8 | 2. Evangelium | |
Joh 12,20-26 | 2. Evangelium | |
Joh 12,28-32 | 2. Evangelium | |
Joh 12,35-41 | 3. Evangelium | |
Lutherische Kirchen 1958-1978 | ||
Joh 12,1-8 | Reihe III | |
Joh 12,1-11 | Passionsgottesdienst Reihe III | |
Joh 12,12-19(20-25) | Reihe I | |
Joh 12,(25-26)27-32 | Reihe III | |
Joh 12,35-36(37-41) | Marginaltext | |
Joh 12,44-50 | Reihe V | |
Joh 12,44-50 | Reihe V | |
1979 - 2018 | ||
Joh 12,12-19 | Evangelium | |
Joh 12,20-26 | Evangelium | |
Joh 12,31-33 | Marginaltext | |
Joh 12,34-36(37-41) | Reihe V | |
Joh 12,44-50 | Reihe V | |
seit 2019 | ||
Joh 12,12-19 | Evangelium | |
Joh 12,20-26 | Evangelium | |
Joh 12,31-33 | Marginaltext | |
Joh 12,32-36(37-41) | Pool | |
Joh 12,44-50 | Reihe VI |
VERSE AUS DEM TEXT IN LITURGISCHEN TAGES- UND WOCHENSPRÜCHEN
Vers / Typ | Text | Tag |
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1531 - 1898 | ||
Joh 12,24b | Es sei denn, daß das Weizenkorn in die Erde falle und ersterbe, so bleibt es allein; wo es aber erstirbt, so bringt es viele Früchte. | |
Wochenspruch | ||
Joh 12,32 | Christus spricht: Wenn ich erhöht werde von der Erde, so will ich alle zu mir ziehen. | |
Wochenspruch | ||
1899 - 1978 | ||
Joh 12,24b | Es sei denn, daß das Weizenkorn in die Erde falle und ersterbe, so bleibt es allein; wo es aber erstirbt, so bringt es viele Früchte. | |
Wochenspruch | ||
Joh 12,32 | Christus spricht: Wenn ich erhöht werde von der Erde, so will ich alle zu mir ziehen. | |
Wochenspruch | ||
Lutherische Kirchen 1958-1978 | ||
Joh 12,24b | Es sei denn, daß das Weizenkorn in die Erde falle und ersterbe, so bleibt es allein; wo es aber erstirbt, so bringt es viele Früchte. | |
Wochenspruch | ||
Joh 12,32 | Christus spricht: Wenn ich erhöht werde von der Erde, so will ich alle zu mir ziehen. | |
Tagesspruch | ||
Wochenspruchspruch | ||
1979 - 2018 | ||
Joh 12,24b | Es sei denn, daß das Weizenkorn in die Erde falle und ersterbe, so bleibt es allein; wo es aber erstirbt, so bringt es viele Früchte. | |
Wochenspruch | ||
Joh 12,32 | Christus spricht: Wenn ich erhöht werde von der Erde, so will ich alle zu mir ziehen. | |
Tagesspruch | ||
Wochenspruchspruch | ||
seit 2019 | ||
Joh 12,24b | Es sei denn, daß das Weizenkorn in die Erde falle und ersterbe, so bleibt es allein; wo es aber erstirbt, so bringt es viele Früchte. | |
Wochenspruch | ||
Joh 12,32 | Christus spricht: Wenn ich erhöht werde von der Erde, so will ich alle zu mir ziehen. | |
Tagesspruch | ||
Wochenspruchspruch |
Das Video zeigt den Text der Erzählung vom Einzug Jesu vor dem Pessach-Fest in Jerusalem nach dem Johannesevangelium, vorgelesen von Reiner Makohl.
Luthers Vorrede zum Neuen Testament ist in neuen Bibelausgaben nicht mehr enthalten. Lesen Sie, was Luther seinen Lesern 1545 mit auf den Weg gegeben hatte.