Die gantze Heilige Schrifft Deudsch
D. Martin Luther, Wittenberg 1545
Zum Text in sechzehn Kapiteln
Nr. | Überschrift | Link zum Text |
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2 | Manche Theologen sehen im Buch Judit eine Dichtung über Glück und Sieg der Juden |
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4 | Die verwendeten Namen sind Metaphern im Rahmen der erzählten Geschichte |
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Das Buch Judit wurde für die Bibelausgabe von 2017 völlig neu übersetzt. Der neue Text weicht an vielen Stellen erheblich von den Lutherbibeln bis 2017 ab, was sich im Textumfang und in der Verszählung auswirkt.
Der Übersichtlichkeit wegen mussten wir darauf verzichten, die neue Verszählung im Text von 1545 abzubilden.
Die gezeigte Verszählung entspricht den Bibelausgaben bis 2017.
[156a]
WO man die Geſcĥicĥte
Judith künde aus bewereten / gewiſſen Hiſtorien beweiſen / So were es ein eddel fein Buch / das auch billich in der Biblien ſein ſolt. Aber es wil ſich ſchwerlich reimen mit den Hiſtorien der heiligen Schrifft / ſonderlich mit Jeremia vnd Eſra / welche anzeigen / wie Jeruſalem vnd das gantze Land verſtöret geweſt / vnd darnach kümerlich wider erbawet worden ſind / Zu der zeit der Perſen Monarchia / welche alles Land innen hatten vmbher.
DA wider ſchreibt dis Buch im erſten Capitel / Das der könig NebucadNezar zu Babylon habe ſolche Land aller erſt furgenomen zu gewinnen / Vnd macht den wahn / als ſey dieſe Geſchicht vor der Jüden gefengnis / vnd vor der Perſen Monarchia geſchehen. Widerumb ſaget Philo / ſie ſey nach der widerkunfft vnd heimfart der Jüden aus Babylon vnter könig Aſſuero geſchehen / zu welcher zeit die Jüden weder Tempel noch Jeruſalem erbawet / noch Regiment hatten. Bleibt alſo der jrthum vnd zweiuel / beide der Gezeiten vnd Namen / das ichs nirgend kan zuſamen reimen.
Irthum der zeit.
ETliche wollen / Es ſey kein Geſchicht / ſondern ein geiſtlich ſchön Geticht / eines heiligen geiſtreichen Mans / der darin hab wollen malen vnd furbilden / des gantzen Jüdiſchen volcks Glück vnd Sieg / wider alle jre Feinde / von Gott alle zeit wunderbarlich verliehen. Gleich wie Salomo / in ſeinem Hohen liede / auch von einer Braut tichtet vnd ſinget / vnd doch damit keine Perſon noch Geſchicht / ſondern das gantze volck Iſrael meinet. Vnd wie S. Johannes in Apocalypſi / vnd Daniel / viel Bilder vnd Thiere malen / damit ſie doch nicht ſolche Perſonen / ſondern die gantzen Chriſtlichen Kirchen / vnd Königreiche meinen. Vnd Chriſtus vnſer HErr ſelbſt gern mit Gleichniſſen vnd ſolchen Getichten
Hohelied
Salomo.
Apocalyp.
Johannis.
Gleichnisse
im Evangelio.
[156a | 156b]
Vórrede.
vmbgehet im Euangelio / vnd vergleicht das Himelreich zehen Jungfrawen. Item / einem Kauffman vnd Perlen / einer Beckerin / einem Senffkorn / Item den Fiſſchern vnd Netzen. Item / den Hirten vnd Schafen / vnd ſo fort mehr.
SOlche meinung gefellet mir faſt wol / Vnd dencke / das der Tichter wiſſentlich vnd mit vleis den jrthum der gezeit vnd Namen drein geſetzt hat / Den Leſer zu vermanen / das ers fur ein ſolch geiſtlich / heilig Geticht halten vnd verſtehen ſolte.
Judith.
Holofernes.
Bethulia.
VNd reimen ſich hie zu die Namen aus der maſſen fein / Denn Judith heiſſt Judea (das iſt) das Jüdiſch volck / ſo eine keuſche heilige Widwe iſt / das iſt / Gottes volck iſt jmer eine verlaſſene Widwe / Aber doch keuſch vnd heilig / vnd bleibt rein vnd heilig im wort Gottes / vnd rechtem Glauben / caſteiet ſich vnd betet. Holofernes / heiſſt Prophanus dux / vel gubernator / Heidniſcher / Gottloſer oder vnchriſtlicher Herr oder Fürſt / Das ſind alle Feinde des Jüdiſchen volcks. Bethulia (welche Stad auch nirgend bekand iſt) heiſſet eine Jungfraw. An zu zeigen / das zu der zeit die gleubigen fromen Jüden / ſind die reine Jungfraw geweſt / on alle Abgötterey vnd vnglauben / Wie ſie in Eſaia vnd Jeremia genennet werden / Da durch ſie auch vnüberwindlich blieben ſind / ob ſie wol in nöten waren.
VND mag ſein / das ſie ſolch Geticht geſpielet haben / Wie man bey vns die Paſſio ſpielet / vnd ander Heiligen geſchicht. Da mit ſie jr Volck vnd die Jugent lereten / als in einem gemeinen Bilde oder Spiel / Gott vertrawen / from ſein / vnd alle hülffe vnd troſt von Gott hoffen / in allen nöten / wider alle Feinde etc. Darumb iſts ein fein / gut / heilig / nützlich Buch / vns Chriſten wol zu leſen. Denn die wort / ſo die Perſonen hie reden / ſol man verſtehen / als rede ſie ein geiſtlicher / heiliger Poet oder Prophet / aus dem heiligen Geiſt / der ſolche Perſonen furſtellet in ſeinem Spiel / vnd durch ſie vns predigt. Vnd alſo gehöret auff dis Buch die Weisheit Philonis / welchs die Tyrannen ſchilt / vnd Gottes hülffe preiſet / ſo er ſeinem Volck erzeiget etc. Als ein Lied auff ſolch Spiel / welches deſſelben Buchs wol mag ein gemein Exempel heiſſen.
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