Die gantze Heilige Schrifft Deudsch
D. Martin Luther, Wittenberg 1545
Der Text in 28 Kapiteln
Nr. | Textstelle | Abschnitt | Link zum Text |
Kapitel XVII. | ||
|
13,53 - 17,27 |
IX. DAS WIRKEN JESU IN GALILÄA
|
1 | 17,1-13 | |
2 | 17,14-21 | |
3 | 17,22-23 | |
4 | 17,24-27 |
[255a]
Mar. 9.
Luc. 9.
VND nach ſechs tagen / nam Jheſus zu ſich Petrum vnd Jacobum vnd Johannem ſeinen Bruder / vnd füret ſie beiſeits auff einen hohen Berg / 2vnd ward verkleret fur jnen. Vnd ſein Angeſichte leuchtet wie die Sonne / vnd ſeine Kleider wurden weis als ein Liecht. 3Vnd ſihe / da erſchienen jnen Moſes vnd Elias / die redten mit jm. 4Petrus aber antwortet / vnd ſprach zu Jheſu / HErr / Hie iſt gut ſein / Wiltu / ſo wöllen wir drey Hütten machen / Dir eine / Moſi eine / vnd Elias eine. 5Da er noch alſo redete / ſihe / da vberſchattet ſie eine liechte Wolcken. Vnd ſihe / eine ſtimme aus der wolcken ſprach / Dis iſt mein lieber Son / an welchem ich wolgefallen habe / Den ſolt jr hören.
6DA das die Jünger höreten / fielen ſie auff jr Angeſichte / vnd erſchracken ſeer. 7Jheſus aber trat zu jnen / rüret ſie an / vnd ſprach / Stehet auff / vnd fürchtet euch nicht. 8Da ſie aber jre augen auffhuben / ſahen ſie niemand / denn Jheſum alleine. 9Vnd da ſie vom Berge herab giengen / gebot jnen Jheſus / vnd ſprach / Ir ſolt dis Geſicht niemand ſagen / Bis des menſchen Son von den Todten aufferſtanden iſt.
VNd ſeine Jünger fragten jn / vnd ſprachen / Was ſagen denn die Schrifftgelerten / Elias müſſe zuuor komen? 11Jheſus antwortet / vnd ſprach zu jnen / Elias ſol ja zuuor komen / vnd alles zu recht bringen. 12Doch ich ſage euch / Es iſt Elias ſchon komen / Vnd ſie haben jn nicht erkand / ſondern haben an jm gethan / was ſie wolten. Alſo wird auch des menſchen Son leiden müſſen von jnen. 13Da verſtunden die Jünger / das er von Johanne dem Teuffer zu jnen geredt hatte.
Mar. 9.
Luc. 9.
VND da ſie zu dem Volck kamen / trat zu jm ein Menſch / vnd fiel jm zu füſſen / 15vnd ſprach / HErr / erbarm dich vber meinen Son / Denn er iſt
[255a | 255b]
Euangelium C. XVII.
Monſüchtig / vnd hat ein ſchwere s leiden / Er fellt offt ins fewr / vnd offt ins waſſer / 16Vnd ich hab jn zu deinen Jüngern bracht / vnd ſie kundten jm nicht helffen. 17Jheſus aber antwortet / vnd ſprach / O du vngleubige vnd verkerte Art / Wie lange ſol ich bey euch ſein? wie lange ſol ich euch dulden? Bringet mir jn hieher. 18Vnd Jheſus bedrawete jn / Vnd der Teufel fur aus von jm / vnd der Knabe ward geſund zu der ſelbigen ſtunde.
Luc. 17.
DA traten zu jm ſeine Jünger beſonders / vnd ſprachen / Warumb kundten wir jn nicht austreiben? 20Jheſus aber antwortet / vnd ſprach zu jnen / Vmb ewers vnglaubens willen. Denn ich ſage euch warlich / So jr glauben habt / als ein Senffkorn / ſo müget jr ſagen zu dieſem Berge / Heb dich von hinnen dort hin / So wird er ſich heben / Vnd euch wird nichts vnmüglich ſein. 21Aber dieſe Art feret nicht aus / denn durch beten vnd faſten.
Mar. 9.
Luc. 9.
DA ſie aber jr weſen hatten in Galilea / ſprach Jheſus zu jnen / Es iſt zukünfftig / Das des menſchen Son vberantwortet werde in der Menſchen hende / 23vnd ſie werden jn tödten / Vnd am dritten tage wird er aufferſtehen. Vnd ſie wurden ſeer betrübt.
DA ſie nu gen Capernaum kamen / giengen zu Petro die den Zinsgroſſchen einamen / vnd ſprachen / Pflegt ewer Meiſter nicht den Zinsgroſſchen zu geben? 25Er ſprach / Ja. Vnd als er heim kam / kam jm Jheſus zuuor / vnd ſprach / Was dünckt dich Simon? Von wem nemen die Könige auff erden den zol oder zinſe? von jren Kindern / oder von Frembden? 26Da ſprach zu jm Petrus / von den frembden. Jheſus ſprach zu jm / So ſind die Kinder a frey. 27Auff das aber wir ſie nicht ergern / ſo gehe hin an das Meer / vnd wirff den angel / Vnd den erſten Fiſch der auffer feret / den nim / vnd wenn du ſeinen Mund auffthuſt / wirſtu einen b Stater finden / Den ſelbigen nim vnd gib jn fur mich vnd dich.
a
(Frey)
Wiewol Chriſtus Frey war / gab er doch den zins ſeinem Neheſten zu willen. Alſo iſt ein Chriſten ſeiner halben alles dings frey / vnd gibt ſich doch ſeinem Neheſten willig zu dienſt.
b
(Stater)
Iſt ein Lot / wenn es ſilber iſt / ſo macht es ein halben gülden.
✽
1) Stater
Ein »Stater« ist die Bezeichnung für verschiedene, antike Münzen. Der griechische Stater entsprach 2 Drachmen oder 12 Oboloi, wobei der Obolus die kleinste Münze darstellte.
Das »Lot« ist eine relative Maßeinheit zur Bestimmung des Feingehalts von Edelmetallen, speziell von Silber in Münzen. Dabei bezeichnet Lot ein Sechzehntel Edelmetallanteil. 16lötiges Silber wäre reines Silber, das sich aber in dieser Reinheit nicht läutern ließ. 8lötiges Silber entspricht 50% Silber und 50% sonstiges Metall, zumeist Kupfer.
Die hier von Luther scheinbare Nennung als absolute Gewichtseinheit von Silber bezieht sich auf den Sächsischen Silbergulden, wie er nach der sächsischen Münzordnung von 1500 im Umlauf war. Danach entsprach eine »feine Mark« (aus Gold geprägt) dem Wert von etwa 8 (genau 8,53) Silbergulden.
Luther rechnet ein Lot, also ein Sechzehntel, bezogen auf den Wert der Goldmark in Silber (»wenn es Silber iſt«), wonach er auf etwa einen halben (Silber-)Gulden kommt. Umgekehrt entsprechen nach seiner Rechnung etwa 16 Stater einer Goldmark.
Wörtersuche
Gesuchtes Luther-Wort eingeben:
Die Liste aller der Schlagwörter im Wörterbuch findet sich im Register.
Kürzel | Bezeichnung in Luthers Biblia 1545 | Moderne Bibel | Kürzel |
Matth. | Euangelium S. Mattheus.Biblia Vulgata: | Das Evangelium nach Matthäus Matthäusevangelium | Mt Mt Mt |
Marc. | Euangelium S. Marcus.Biblia Vulgata: | Das Evangelium nach Markus Markusevangelium | Mk Mk Mk |
Luce. | Euangelium S. Lucas.Biblia Vulgata: | Das Evangelium nach Lukas Lukasevangelium | Lk Lk Lk |
Erläuterungen siehe Liste der Abkürzungen und Namen biblischer Bücher | |||
Die folgenden Begriffe aus dem Text Mt 17 werden hier erläutert.
Versnummer: Luthers Wort | |||
2: Liecht | 3: Moſe | 4: HErr | |
4: Hie | 4: Wiltu | 5: liechte | |
5: wolgefallen | 9: Geſicht | 10: zuuor | |
15: fewr | 18: bedrawete | 18: Teufel | |
22: Galilea | 24: Zinsgroſſchen | 25: Frembden | |
27: wirſtu | 27: Stater | ||
Klick auf ein Wort führt zum Eintrag mit den Erklärungen. Das vollständige Verzeichnis findet sich hier: Das große Stilkunst.de–Wörterbuch zur Lutherbibel von 1545 |
Luther-Deutsch | Deutsch | Erläuterungen | ||||||||||||||||
Liecht | Licht, das Substantivierung des Adjektivs liecht
a) Helligkeit (im Gegs. zur Finsternis) b) Lichtstrahlen (von Himmelskörpern, vom Feuer, von Lampen, usw.) c) als leuchtender Körper: Licht, Leuchte, Lampe ( besonders im Plural)
LJecht iſt dein Kleid / das du an haſt
a) Licht ist dein Kleid, das du an hast.
Hier ist Licht im Gegensatz zu Finsternis zu verstehen: b) Helligkeit umgibt dich.
SK Version 25.09.2024 ● | ||||||||||||||||
Moſe | Mose (Name) hebräisch: מֹשֶׁה (Mošeh) lateinisch: Mose griechisch Μωυσῆς (Mōysēs) oder Μωσῆς (Mōsēs) Die Person Mose
Mose gilt als der Gesetzgeber Israels und als Mittler des Sinai-Bundes zwischen Gott und dem Volk Israel.
Nach der Tradition ist er der Verfasser der »fünf Bücher Mose«, die daher diesen Namen tragen.
In den Psalmen ist Mose der »Mann Gottes«, der Prophet und der Führer des Volkes, der zusammen mit seinem Bruder Aaron die Hebräer durch die Wüste geführt hatte.
In Psalm 99 wird Mose sogar als Priester bezeichnet.
MOſe vnd Aaron vnter ſeinen Prieſtern
In der Geschichte von der Verklärung Jesu (Mt 17,3-4) erscheint Mose zusammen mit Elija, was die Verbindung der Heilsgeschichte des Neuen Testaments mit der des Alten Testaments unterstreicht.
Der Name Mose
Die Bedeutung des Namens ist unklar. Heute werden bevorzugt zwei Deutungen vorgeschlagen:
a) Der Name wird zurückgeführt auf den hebräischen Wortstamm »mšh«, was »ziehen« bedeutet.
b) Der Name wird zurückgeführt auf den ägyptischen Wortstamm »ms«, was »gebären« bedeutet.
Das ägyptische Wort »ms« ist Bestandteil vieler ägyptischer Namen, so in Ramses (»Ra mesi s«, Sohn des Gottes Ra) oder in Thutmosis (»Thot mosi s«, Sohn des Gottes Thot, zu diesem Namen siehe unseren Artikel Thutmosis III.).
Für diese Deutung spricht, dass Mose am königlichen Hof des Pharaos gelebt hatte und dort mit Sicherheit einen ägyptischen Namen trug, der wahrscheinlich auch noch in ägyptischer Tradition mit Zusätzen versehen war (denkbar wäre beispielsweise aus der Geschichte des Mose heraus eine Bezeichnung wie »Sohn des Nil-Gottes« (»Hapi mesi s«) oder ähnlich, was jedenfalls den Begriff »ms« in Relation zu jemanden stellt). In der Verwendung ohne weitere Attribute bedeutet »mesi/mosi/mose« dann einfach nur »Sohn«. Dies allerdings könnte unterstreichen, dass das Findelkind Mose als legitimer Sohn des Pharaos anerkannt war.
Die Adaption des Namens in die hebräische Sprache und Schreibweise erfolgte dann später, frühestens in der Zeit nachdem sich Mose vom Hof des Pharaos gelöst hatte. Derartige Angleichungen an Sprachen und sogar Namenswechsel sind nicht unbekannt.
Wir folgen daher der Annahme, dass der hebräische Name Mose auf einen ausführlicheren, mit zusätzlichen Attributen ausgestatteten ägyptischen Namen zurückzuführen ist. Der Teil, der nach ägyptischer Tradition die Abstammung (von einem Menschen oder von einem ägyptischen Gott) beschreibt, ist gekappt, was unterstreicht, dass sich Mose von seinem ägyptischen Lebensumfeld vollständig gelöst hatte. Die Adaption an die hebräische Sprache und an einen hebräischen Wortstamm ist die folgerichtige Konsequenz daraus.
SK Version 25.09.2024 ● | ||||||||||||||||
HErr | HErr, Adonaj
HErr, Kyrios Aussehen in unseren Frakturschriften: HErr oder HErr
Feststehende, besondere Schreibweise Luthers (zwei Großbuchstaben, gefolgt von zwei Kleinbuchstaben), um anzuzeigen, dass sich dahinter eine Bezeichnung Gottes (im Alten Testament) oder Jesu (im Neuen Testament) befindet.
HErr im Alten Testament
Luther verwendet im Alten Testament die Schreibweise HErr, wenn im hebräischen Text das Wort Adonaj (hebr. אֲדֹנָי, pl. von Adon, Herr) anstelle des Gottesnamens steht.
HErr im Neuen Testament
Im Neuen Testament steht HErr dort, wo in den griechischen Quellen mit dem Wort kyrios (Herr, Besitzer, Gebieter) Jesus Christus als Sohn Gottes gemeint ist.
Wichtig:
Davon zu unterscheiden sind die Schreibweisen »HERR« (in Großbuchstaben) und »Herr« (in Kleinbuchstaben bzw. mit Großbuchstaben »H« am Anfang.
SK Version 25.09.2024 ● | ||||||||||||||||
hie | hier (Adverb) hie
Ahd.: hia, hiar; Mhd.: hie, hier hie ist die verkürzte Form von hier und ist heute veraltet.
1) hie, an diesem Ort 2) als Gegenüberstellung (Gegensatz) zu da und dort 3) hie kann bezogen sein auf diese Erde, in der wir jetzt weilen 4) hie kann auf Umstände und Verhältnisse bezogen sein 5) hie kann auf Zeit und Stunde bezogen sein
Es iſt hie kein vnterſcheid vnter Jüden vnd Griechen
Es gibt hier [in dieser Sache] keinen Unterschied zwischen Juden und Griechen.
SK Version 25.09.2024 ● | ||||||||||||||||
wiltu | willst du (Verb) 2. Person Singular Indikativ Aktiv von wollen (Verb)
Präsens: wiltu: willst du -u: Die Flexion mit dem angehängten »u« ist eine eigentümliche Form, die sonst nur noch aus älteren Texten bekannt ist. Gebildet wurde sie aus der 2. Person, zusammengezogen mit dem Personalpronomen »du«, aus dem das »u« stammt. Diese Form impliziert eine gewisse Dringlichkeit und Direktheit der Ansprache, die unmittelbare Hinwendung zum Gegenüber. So kann es die unzweifelhafte Feststellung des Handelns, die dringliche Ansprache oder die unmittelbare Aufforderung zum Handeln bedeuten (Indikativ in der Aussage), die Erfüllung einfordern, mutmaßen bzw. unterstellen (Konjunktiv), oder zur Antwort und Erklärung auffordern (Verb in der Frage).
Heute ist stattdessen das Verb in seiner gebräuchlichen Flexion verbunden mit »du« zu verwenden. Die Direktheit oder eine Aufforderung kann bestenfalls durch eine Sinn tragende Beifügung umschrieben werden abhängig vom Kontext. Sie kann ggf. durch einen Imperativ herausgestellt werden. wiltu: willst du (ganz bestimmt, ohne Zweifel)!
wie lang wiltu mein ſo gar vergeſſen?
Wie lange willst du mich noch so ganz vergessen?!
SK Version 25.09.2024 ● | ||||||||||||||||
Liecht | Licht, das Substantivierung des Adjektivs liecht
a) Helligkeit (im Gegs. zur Finsternis) b) Lichtstrahlen (von Himmelskörpern, vom Feuer, von Lampen, usw.) c) als leuchtender Körper: Licht, Leuchte, Lampe ( besonders im Plural)
LJecht iſt dein Kleid / das du an haſt
a) Licht ist dein Kleid, das du an hast.
Hier ist Licht im Gegensatz zu Finsternis zu verstehen: b) Helligkeit umgibt dich.
SK Version 25.09.2024 ● | ||||||||||||||||
Wolgefallen
wolgefallen | Wohlgefallen, das Wolgefallen
die innere Freude, verbunden mit Zufriedenheit und einem Glücksgefühl in Bezug auf eine Person, eine Sache oder ein Ereignis. Luther erklärt das Wort Wolgefallen in seinem Scholion zu Lk 2,14:
Luther: (Wolgefallen) Das die menſchen dauon luſt vnd liebe haben werden / gegen Gott vnd vnternander. Vnd daſſelb mit danck annemen / vnd darüber alles mit freuden laſſen vnd leiden.
Für Luther ist Wohlgefallen das sehr starke Gefühl von Lust und Liebe, sowohl gegenüber Gott wie auch untereinander.
Dieses Gefühl ermöglicht es, alles dankbar anzunehmen, alles mit Freuden über sich ergehen zu lassen und alles mit Freuden zu ertragen, was das Schicksal einem entgegenwirft und aufbürdet.
Für Luther wird die Geburt Christi in der Verkündigung der Engel zum tragenden Motiv dafür, das Leben auszuhalten, selbst in größter Not und Ungewissheit. Die bekannteste Bibelstelle, in der das Wort Wohlgefallen vorkommt, ist die Weihnachtsgeschichte:
13Vnd als bald ward da bey dem Engel die menge der himeliſchen Herrſcharen / die lobten Gott / vnd ſprachen / 14Ehre ſey Gott in der Höhe / Vnd Friede auff Erden / Vnd den Menſchen ein wolgefallen.
SK Version 25.09.2024 ● | ||||||||||||||||
Geſicht | Gesicht, das Das Wort Gesicht umfasst zahlreiche Bedeutungen im Umfeld des Sehens, die wir hier nicht alle auflisten können.
Grundbedeutung: das Sehen
a) das Sehvermögen, die Sehkraft, der Blick, das Sehorgan, das Auge, die Augen b) das Anschauen, der Anblick c) das Antlitz, das Angesicht d) das innere Sehen, der geistige Blick e) das Hellsehen, das Sehen von ahnungsvollen Traumbildern im wachen Zustand, die Vision u. a.
Da zumal redeſtu im Geſichte zu deinem Heiligen
Damals redetest du in einer Visionen zu deinem Heiligen
Jch habe mich müde geſchrien / mein Halſs iſt heiſch / Das Geſicht vergehet mir
Ich habe mich müde geschrien. Meine Stimme ist heiser. Mein Blick verschwimmt.
SK Version 25.09.2024 ● | ||||||||||||||||
zuuor
zuvor | zuvor (Adverb) zeitlich vorhergehend, davor
Hinweis: Luther verwendet ohne Unterscheidung:
Allerding taucht die Form zuvor wesentlich seltener auf. Die in Luthers Sprachgebrauch übliche Form ist zuuor.
zuuor
zuvor
Zuuor weis ich aber
a) Zuvor weiß ich aber, b) Ich weiß bereits,
SK Version 25.09.2024 ● | ||||||||||||||||
Fewr
fewr
Fewer
fewer | Feuer, das Luther benutzt beide Schreibweisen, sowohl fewr wie auch fewer.
Der HERR wird ſie verſchlingen in ſeinem zorn / Fewr wird ſie freſſen.
Der HERR wird sie verschlingen in seinem Zorn. Feuer wird sie fressen.
SK Version 25.09.2024 ● | ||||||||||||||||
drewen | dräuen (Verb, veraltet) drohen (Verb) a) drohen, androhen, bedrohen
in der Absicht, zu strafen oder Schaden zuzufügen;
b) heftig, nachdrücklich ermahnen
in guter Absicht, um vor Bösem zu warnen und davon abzuhalten.
Gott iſt ein rechter Richter / Vnd ein Gott der teglich drewet.
Gott ist ein gerechter Richter, und ein Gott, der täglich droht.
Anmerkung zu Psalm 7,12:
Luthers Wort drewet ist eine Entsprechung für das hebräische זָעַם (zͻˁam), das so viel bedeutet wie »heftig auf jemanden zürnen und ihn den Zorn fühlen lassen«.
In Psalm 7,12 wird das Konstrukt זֹעֵם אֵל (ˀel zoˁem; Gott, zürnend) allerdings wie ein Titel, wie ein Name gebraucht: Zorngott.
Daraus ergeben sich diese Übersetzungsvarianten:
b) Gott ist ein gerechter Richter, ein zürnender Gott, der [seinen Feinden] den Zorn alle Tage spüren lässt
c) Gott ist ein gerechter Richter, er ist Zorngott alle Tage.
SK Version 25.09.2024 ● | ||||||||||||||||
Teufel
Teuffel | Teufel, der Teufel
Teuffel
abgeleitet aus dem griechischen διάβολος (diabolos): Verleumder, Widersacher
Das Wort Teufel meint u. a. eine böse, boshafte Person, einen bösen Feind, einen Widersacher oder einen bösen Geist. Das Wort Teufel im AT
Im Alten Testament (ohne Apokryphen) kommt das Wort Teufel nur einmal vor: in Psalm 106,37. Alle übrigen Vorkommen (45 mal) finden sich ausschließlich in Luthers Vorreden und im Scholion (Luthers Anmerkungen) zu den biblischen Büchern und Texten.
Luthers Wort Teufel in Psalm 106,37:
hebräisch (Hebraica): שֵׁר (šed), pl. שֵׁרִים (šediym), Götze lateinisch (Vulgata): daemon, Dämon, böser Geist griechisch (Septuaginta): δαιμων (daimon), Dämon, böser Geist
Lutherbibel von 1545: Teufel Lutherbibel von 1964/1984: böse Geister Lutherbibel von 2017: Dämonen Das Wort Teufel im NT
Im Neuen Testament findet sich das Wort Teufel im Text der Bücher und Briefe gleich 99 mal, davon allein in den vier Evangelien 74 mal. In den Vorreden und Anmerkungen kommt das Wort 23 mal vor.
Neben »Dämon, böser Geist« (lat: daemon; grc: δαιμων) übersetzt Luther »Verleumder, Widersacher« (lat: diabolus; grc: διάβολος, diabolos) mit Teufel.
Missbrauch der Teufelsidee
In der biblischen und kirchlichen Lehre sowie im Volks- und Aberglauben haben sich sehr konkrete, aber auch sehr unterschiedliche Bilder der Teufelsidee entwickelt.
Die Teufelsidee war über Jahrhunderte hinweg die ideale Projektionsfläche für alles, was böse, feindlich oder nicht heilig ist. Sie besitzt ein unbeschränkt breites Spektrum, woraus sich viele Gefahren beim Gebrauch ergeben: Menschen, die mit dem Attribut »teuflisch« belegt werden, erfahren die Rückprojektion des gesamten Spektrums oder großer Teile daraus, wobei der Fantasie, neue Ausprägungen, Merkmale und Erkennungszeichen zu erfinden, keine Grenzen gesetzt waren (siehe Hexenverfolgungen, Inquisition, Teufelsaustreibungen usw.).
Unzählige Menschen wurden und werden noch heute Opfer einer Idee, die ausschließlich für Machtmissbrauch unterschiedlichster Art verwendet wurde und nach wie vor verwendet wird.
Wir raten daher dringend davon ab, den Begriff »Teufel« in irgendeiner Weise, getragen durch unausgegorene, dysphemistische Teufelsideen voreilig zu interpretieren. Es führt immer zu einem Missbrauch des Gegenübers.
Wir empfehlen zudem, das Wort Teufel schon im Alltagsgebrauch, speziell aber in der Gemeindearbeit, nicht zu verwenden. Stattdessen kann abhängig vom Kontext auf Wörter wie böse Geister, Verleumder, Widersacher, Gegner, Götze, usw., zurückgegriffen werden.
Haben wir nicht in deinem Namen Teufel ausgetrieben?
Luther übersetzt hier den in den griechischen Urtexten stehenden Begriff δαιμόνια (Dämonen, böse Geister) bzw. das lateinische daemonia (Biblia Sacra Vulgata) mit Teufel. Dies ist an sich falsch, weil zwischen διάβολος und δαιμόνια zu unterscheiden ist. Doch es ist Absicht: So verweist es darauf, dass zu Luthers Zeiten Teufelsaustreibungen häufig stattfanden und weit verbreitet waren. Seine Leser kannten das Wort als feststehenden Begriff.
Mit seiner Übersetzung »Haben wir nicht in deinem Namen Teufel ausgetrieben?« greift Luther bewusst die Praxis der Teufelsaustreibungen an. Er zielt dabei auf diejenigen, die sie rechtfertigen und praktizieren. Ihnen gilt Jesu Antwort: »Weichet alle von mir jr Vbeltheter.« Dämonen meinen böse Geister jedweder Art, wohingegen der Teufel im Gegensatz zu Gott steht, dessen Gegenspieler er ist, und als Herrscher über ein eigenes Reich regiert.
Diese Ideen entspringen einer Zeit der Vielgötterei, in der sich der Gott JHWH gegen zahlreiche andere Götter auch in Israel und Judäa behaupten musste. Seine Heerscharen bildeten die Cherubim oder Engel. Der böse Feind Gottes, sein Widersacher und sein Verleumder, fand seine Personifizierung im διάβολος der Septuaginta (Weish 2,24), dem wiederum die Dämonen zur Seite standen.
Bis ins 1. Jahrhundert n. Chr. hinein hatte sich die Idee der Wirksamkeit böser Geister auch im jüdischen Glauben weiterentwickelt und verfestigt. So wird diese Idee zu einem wiederkehrenden Motiv speziell in den Evangelien und in den Wundergeschichten Jesu. Die modernen Bibelübersetzungen, auch der Lutherbibel, verwenden den Begriff Teufel in Mt 7,22 nicht mehr. Sie übersetzen mit »böse Geister« (Lutherbibel 1964), »Dämonen« (Lutherbibel 2017, Elberfelder Bibel, Herder Bibel 1968) o. ä., Dies ist einerseits dichter am Urtext, anderseits beugt es gefährlichen Konzepten und Ideen der »Verteufelung« von Menschen und der »Teufelsaustreibung« vor.
SK Version 25.09.2024 ● | ||||||||||||||||
Galilea
Galileiſches land | Galiläa (Name) hebräisch: הגליל (haGalil) griechisch: Γαλιλαία (Galilaia) lateinisch: Galilaea
Nördlicher Teil Palästinas mit einer wechselhaften Geschichte, in der dort verschiedene, nicht-jüdische Bevölkerungsgruppen sesshaft waren. Herodes der Große konnte Galiläa schließlich in sein Reich einverleiben. Nach seinem Tod im Jahr 4 v. Chr. wurde von Kaiser Augustus Herodes Antipas, ein Sohn von Herodes dem Großen, als Gebietsfürst (Vierfürst; Tetrach) eingesetzt, der über Galiläa und Peräa bis zu seiner Absetzung im Jahr 39 n. Chr. herrschte. Das Gebiet, in dem Jesus lebte und wirkte
Galiläa ist das Gebiet, in dem sich die meisten Jesus-Geschichten von Jesu Kindheit bis zu seiner Reise nach Jerusalem abspielten. Dort befinden sich die aus den Geschichten bekannten Orte, wie die Städte Nazaret und Kapernaum sowie der See Genezareth.
Herodes Antipas war kein Despot und er war längst nicht so machtgierig wie sein Vater oder wie sein Bruder Herodes Archelaos, der über Samaria und Judäa von 4 v. Chr. bis 6 n. Chr. herrschte. Dies gab dem erwachsenen Jesus den nötigen Freiraum für sein öffentliches Auftreten und war wohl einer der Gründe, warum er das Herrschaftsgebiet des Herodes Antipas nicht verließ, bestenfalls noch die westlichen Gebiete des Herodes Phillipos östlich des Jordans bereiste (Caesarea Phillipi, Dekapolis).
Judäa, mit den Gebieten Samaria, Judäa und Idumäa, war ab 6 n. Chr. direkte römische Provinz und unterstand dem römischen Präfekten. Dort herrschten die Hohepriester (wie Hannas und Kajafas), die für alle jüdischen Angelegenheiten mit der Duldung Roms zuständig waren. Sie waren für Jesus, seine religiösen Ansichten und sein Wirken in der Bevölkerung gefährliche Gegenspieler.
Vgl. dazu unsere Karten a) Palästina zwischen 20 v. Chr. und 4 v. Chr. b) Palästina zwischen 4 v. Chr. und 6 n. Chr.
SK Version 25.09.2024 ● | ||||||||||||||||
Zinsgroſſchen | Zinsgroschen, der Der Zinsgroschen oder Groschen war als Münze, als Geldstück, zu Luthers Zeiten in Umlauf.
Er wurde aus einer Silberlegierung geprägt mit einem Silberanteil von gut 48% bei einem Gesamt-(Rau-)gewicht von etwa 2,66 Gramm, enthielt also knapp 1,3 Gramm reines Silber.
Zur Schreibweise
Das doppelte »s« in Luthers Wort Groſſchen entstammt der lateinischen Schreibweise GROSSVS. Das Wort ist also dem Lateinischen entlehnt.
Abbildung: Sächsischer Zinsgroschen, geprägt um 1510 Credits/Attribution: Classical Numismatic Group, Inc. In der Randprägung ist das Wort »GROSSVS« gut zu erkennen (linke Abbildung).
Vorkommen in der Lutherbibel von 1545
Luther benutzte das Wort Zinsgroschen ausschließlich in Mt 17,24. Hier ist allerdings nicht die Münze an sich, sondern die Steuer gemeint, die zu begleichen ist:
DA ſie nu gen Capernaum kamen / giengen zu Petro die den Zinsgroſſchen einamen / vnd ſprachen / Pflegt ewer Meiſter nicht den Zinsgroſſchen zu geben?
Im griechischen Quelltext findet sich an dieser Stelle das Wort δίδραχμον, die Doppel-Drachme. Sie steht für die Zahlung, die als Tempelsteuer zu entrichten war. Der Wert dieser Münze entsprach dem griechischen Stater, der dann weiter unten im selben Text genannt wird ( Mt 17,24):
Vnd den erſten Fiſch der auffer feret / den nim / vnd wenn du ſeinen Mund auffthuſt / wirſtu einen Stater finden
Im griechischen Quelltext entsprechen sich die Werte der genannten Münzen Didrachme und Stater.
Anders als bei der Didrachme ersetzt Luther den griechischischen Stater nicht durch eine geläufige Münze seiner Zeit. Es gibt keine Entsprechung dafür. Vielmehr weist er in der Randnotiz darauf hin, dass der Stater dem Wert eines halben Guldens entspricht. Somit beträgt sein Wert nicht einem, sondern zehneinhalb Zinsgroschen.
Luther möchte demnach in Mt 17,24 das Wort »Zinsgroschen« nicht als Münze verstanden wissen, sondern als nicht näher genannten Betrag, der als Tempelsteuer zu entrichten sei. In Mt 17,27 ist dann zu lesen, dass dieser Betrag für zwei Personen (Petrus und Jesus) einen Stater, nach Luthers Rechnung einen halben Gulden, ausmachte. Der Wert der Münzen zur Zeit Luthers
Der Wert der Münzen bemaß sich vorrangig am Anteil des Feingehalts der Edelmetalle.
Nach der sächsischen Münzordnung von 1500 galt:
oder: 1 Mark = 8,5 Gulden = 180 Zinsgroschen = 2160 Pfennige
Umrechnung in heutige Werte
Zu Luthers Zeiten betrug im Schnitt der Tagelohn für einen Arbeiter 28 bis 30 Pfennige, was etwa zweieinhalb Zinsgroschen entsprach.
Im Jahr 2016 beträgt der durchschnittliche Arbeitslohn aller Arbeitnehmer in Deutschland im Jahr ca. 41.000 Euro. Bei etwa 252 Arbeitstagen ergibt das einen Bruttolohn von gut 162 Euro pro Arbeitstag.
Bei 300 Arbeitstagen pro Jahr (Berücksichtigung von Sonn- und Feiertagen) beträgt der Bruttolohn etwa 136 Euro pro Arbeitstag.
Ohne die Kaufkraft zu berücksichtigen, nur gestützt auf das Verhältnis der ermittelten Tagelöhne für die Jahre um 1540 und für das Jahr 2016, kann der ungefähre Wert der Münzen ermittelt werden:
Als Tempelsteuer sollte Petrus demnach einem Betrag an die Steuereintreiber abführen, der heute etwa 600 bis 700 Euro ausmacht, pro Kopf etwa 300 bis 350 Euro.
SK Version 25.09.2024 ● | ||||||||||||||||
wirſtu | wirst du (Verb) 2. Person Singular Indikativ Aktiv von werden (Verb)
Präsens: wirſtu: wirst du -u: Die Flexion mit dem angehängten »u« ist eine eigentümliche Form, die sonst nur noch aus älteren Texten bekannt ist. Gebildet wurde sie aus der 2. Person, zusammengezogen mit dem Personalpronomen »du«, aus dem das »u« stammt. Diese Form impliziert eine gewisse Dringlichkeit und Direktheit der Ansprache, die unmittelbare Hinwendung zum Gegenüber. So kann es die unzweifelhafte Feststellung des Handelns, die dringliche Ansprache oder die unmittelbare Aufforderung zum Handeln bedeuten (Indikativ in der Aussage), die Erfüllung einfordern, mutmaßen bzw. unterstellen (Konjunktiv), oder zur Antwort und Erklärung auffordern (Verb in der Frage).
Heute ist stattdessen das Verb in seiner gebräuchlichen Flexion verbunden mit »du« zu verwenden. Die Direktheit oder eine Aufforderung kann bestenfalls durch eine Sinn tragende Beifügung umschrieben werden abhängig vom Kontext. Sie kann ggf. durch einen Imperativ herausgestellt werden. wirſtu: wirst du (ganz bestimmt, ohne Zweifel) !
Du wirſt jn laſſen eine kleine zeit von Gott verlaſſen ſein / Aber mit ehren vnd ſchmuck wirstu jn krönen.
Du wirst ihn kurze Zeit von Gott verlassen sein, doch dann krönst du ihn mit Ehren und Schmuck!
SK Version 25.09.2024 ● | ||||||||||||||||
Erläuterungen siehe Das große Stilkunst.de–Wörterbuch zur Lutherbibel von 1545 | |||||||||||||||||
Der Text aus der Lutherbibel ist auf unseren Seiten in Anlehnung an das Druckbild des Originals von 1545 wiedergegeben.
Den Seitenaufbau, die verwendeten Schriften, die Schreibregeln der Frakturschrift und Luthers Intentionen, mit der Typografie Lesehilfen bereitzustellen, erläutert dem interessierten Leser unser Artikel »Satz und Typografie der Lutherbibel von 1545«.
M
LESUNG AUS DEN EVANGELIEN UND PREDIGTTEXT
FEST DER VERKLÄRUNG CHRISTI
EV
I
Luthers Vorrede zum Neuen Testament ist in neuen Bibelausgaben nicht mehr enthalten. Lesen Sie, was Luther seinen Lesern 1545 mit auf den Weg gegeben hatte.