Die gantze Heilige Schrifft Deudsch
D. Martin Luther, Wittenberg 1545
mit Worterklärungen
Luther-Deudſch | Deutsch
Der Text in 42 Kapiteln
Nr. | Textstelle | Abschnitt | Link zum Text |
Kapitel X. | ||
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3 - 14 |
II. DER DIALOG: ERSTER GESPRÄCHSGANG
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9,1 - 10,22 |
II.5 Hiobs erste Antwort an Bildad
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1 | 10,1-22 |
Im folgenden Text ist der bezeichnete Vers hervorgehoben.
[277b]
MEine Seele verdreuſſt mein leben / Ich wil meine klage bey mir gehen laſſen / vnd reden vom betrübnis meiner ſeelen. 2Vnd zu Gott ſagen / Verdamne mich nicht / Las mich wiſſen / warumb du mit mir hadderſt? 3Gefellet dirs / das du gewalt thuſt / vnd mich verwirffeſt / den deine Hende gemacht haben / vnd macheſt der Gottloſen furnemen zu ehren? 4Haſtu denn auch fleiſchliche augen / oder ſiheſtu wie ein Menſch ſihet? 5Oder iſt deine zeit wie eines Menſchen zeit? Oder deine jar wie eines Mans jare? 6Das du nach meiner miſſethat frageſt / vnd ſucheſt meine ſünde. 7So du doch weiſſeſt / wie ich nicht Gottlos ſey / So doch niemand iſt / der aus deiner Hand erretten müge.
8DEine hende haben mich geerbeitet / vnd gemacht alles was ich vmb vnd vmb bin / Vnd verſenckeſt mich ſo gar. 9Gedenck doch / das du mich aus Leimen gemacht haſt / vnd wirſt mich wider zu Erden machen. 10Haſtu mich nicht wie Milch gemolcken / vnd wie Keſe laſſen gerinnen? 11Du haſt mir haut vnd fleiſch angezogen / mit beinen vnd adern haſtu mich zuſamen gefüget. 12Leben vnd wolthat haſtu an mir gethan / vnd dein auffſehen bewart meinen b odem. 13Vnd wiewol du ſolchs in deinem hertzen verbirgeſt / ſo weis ich doch / das du des gedenckeſt. 14Wenn ich ſündige / So merckſtus bald / vnd leſſeſt meine miſſethat nicht vngeſtrafft. 15Bin ich Gottlos / ſo iſt mir aber weh / Bin ich Gerecht / So thar ich doch mein heubt nicht auffheben / als der ich vol ſchmach bin vnd ſehe mein Elend. 16Vnd wie ein auffgereckter Lewe jageſtu mich / vnd handelſt widerumb grewlich mit mir. 17Du erneweſt deine Zeugen wider mich / vnd macheſt deines zorns viel auff mich / Es zeplagt mich eins vber das ander mit hauffen.
(Vmb vnd vmb)
Nichts iſt an mir / das du nicht gemacht haſt / oder nicht dein ſey. Noch verwirffſtu mich / als hette mich ein ander gemacht / der dein Feind were / So gar nimpſtu dich deines eigens nicht an.
b
(Odem)
Das iſt / mein Leben / das der odem anzeigt.
18WArumb haſtu mich aus Mutterleib komen laſſen? Ah / das ich were vmbkomen / vnd mich nie kein auge geſehen hette. 19So were ich als die nie geweſen ſind / von Muterleibe zum grabe bracht. 20Wil denn nicht ein ende haben mein kurtzes Leben? vnd von mir laſſen / das ich ein wenig erquickt würde? 21Ehe denn ich hin gehe vnd kome nicht wider / nemlich / ins Land der finſternis vnd des tunckels. 22Ins Land / da es ſtock dicke finſter iſt / vnd da keine ordenung iſt / da es ſcheinet wie das tunckel.
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Kürzel | Bezeichnung in Luthers Biblia 1545 | Moderne Bibel | Kürzel |
Hiob | Das Buch Hiob.Biblia Vulgata: | Das Buch Hiob (Ijob) Das Buch Ijob | Hiob Ijob Hiob |
Erläuterungen siehe Liste der Abkürzungen und Namen biblischer Bücher | |||
Die folgenden Begriffe aus dem Text Hiob 10 werden hier erläutert.
Versnummer: Luthers Wort | |||
1: Seele | 2: hadderſt | 3: thuſt | |
3: Hende | 3: Gottloſen | 3: furnemen | |
4: Haſtu | 4: ſiheſtu | 5: jar | |
5: Mans | 7: Gottlos | 8: vmb vnd vmb | |
8: leimen | 10: Keſe | 12: odem | |
14: merckſtus | 15: thar | 16: auffgereckter | |
16: Lewe | 16: jageſtu | 16: grewlich | |
17: erneweſt | 17: zeplagt | 20: erquickt | |
21: tunckels | 21: Ordenung | ||
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Luther-Deutsch | Deutsch | Erläuterungen | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Seele
ſeele | Seele, die Seele
hebräisch: נֶ֫פֶשׁ (nεfεš), eigtl.: Hauch, Atem 1) was ein Wesen lebendig macht: Seele 2) Sitze der Empfindungen: Gemüt, Herz 3) lebendiges Wesen (worin Leben ist), Lebender, Person griechisch: ψυχή (psyche), eigtl.: das (irdische) Leben 1) die Seele 2) das Leben 3) lebendiges Wesen (worin Leben ist), Lebender, Person, lebender Mensch lateinisch: anima Atem, Hauch, Seele, Gemüt, Leben, Lebenskraft Der Begriff Seele erstreckt sich über ein weites Feld von Bedeutungen, die alle im individuellen Sein eines lebendigen Wesens, speziell eines Menschen angesiedelt sind. Es reicht vom belebenden Atem über den Sitz der Emotionen, über Emotionen selbst, über Gemütszustände bis hin zu Lebenskraft und zu Leben an sich.
Seele grenzt immer lebende und empfindende Wesen von Gegenständen, toten Körpern und Verstorbenen ab, die alle diese Eigenschaften, also die Seele, entweder nicht besitzen oder verloren haben. Das heutige Verständnis
Der Begriff der Seele ist religionsgeschichtlich in allen Kulturen vorhanden, aber mit sehr unterschiedlichen Vorstellungen verbunden. Heute gibt es viele Interpretationsversuche, die oft zur Erklärung und Abgrenzung verschiedene Seelen-Typen beschreiben, wie die Körper-Seele, die Frei-Seele, die Schatten-Seele u.a.
Allen gemein scheint nur zu sein, dass mit Seele eine individuelle »Lebenskraft« gemeint ist, die jedoch nicht näher greifbar ist. Sie belebt den Körper, wenn der Mensch aktiv und bewusst ist (Körper-Seele). Sie existiert vom Bewusstsein aber auch unabhängig, beispielsweise, wenn der Mensch schläft oder bewusstlos ist (Frei-Seele). Sie beinhaltet die Gedanken und Gefühle (Ich-Seele). Die Hauch-Seele ist eine Art ätherisches Fluidum, und eine spezielle Gabe des Höchstens Wesens (ein Beispiel ist der Odem, den Adam eingeblasen bekommt). Die Schatten-Seele ermöglicht es, im Schlaf in den Träumen zu reisen, ohne den schlafenden Körper mitzunehmen, usw.
Im christlichen Abendland ist die Idee einer Seele zwar selbstverständlich, der Gebrauch des Begriffs aber längst nicht einheitlich. Bis heute steht der Begriff Seele im Zentrum theologischer Untersuchungen und Diskussionen. So ist das hebräische Wort נֶ֫פֶשׁ (nεfεš; Seele) eines der am meisten untersuchten Wörter im Alten Testament, nicht zuletzt, um die Grundlagen zu schaffen für ein christlich religiöses Verständnis.
Die Frei-Seele entspricht in etwa dem christlichen Verständnis: Sie ist von Körper und Geist unabhängig (frei). Die Frei-Seele vertritt den ganzen Menschen mit all seinen persönlichen Eigenschaften, Fähigkeiten, Gedanken und Erinnerungen. Sie kann in Träumen, Trancen oder in Bewusstlosigkeit den Kör0per vorübergehend verlassen und eigenständig existieren (frei). Kehrt sie nicht zurück, stirbt der Mensch, doch die Frei-Seele überlebt, womit die Persönlichkeit des Menschen nach seinem Tod erhalten bleibt.
Damit grenzt sich der Begriff Seele von der Bedeutung Lebenskraft oder von Leben eindeutig ab. Während die Lebenskraft und das Leben mit dem Tod verloren gehen, existiert die Seele weiter. Um eine »lebendige Seele« zu werden (1Mos 2,7), braucht es einen Körper (Materie), einen Geist (Denken und Handeln), eine Seele (das individuelle »Ich«) und das Leben an sich (das Luther Odem nennt).
Die Interpretation des Wortes Seele | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
haddern | hadern (Verb) a) streiten (im Streit mit Worten); b) streiten, prügeln (im Streit mit Handgreiflichkeiten); c) vor Gericht streiten, einen Prozess führen; d) grollen, jemandem feindlich sein.
WEnn ſich Menner mit einander haddern / vnd einer ſchlegt den andern mit einem ſtein oder mit einer fauſt / [...]
Wenn sich Männer miteinander streiten, und einer schlägt den anderen mit einem Stein oder mit der Faust ...
Joas aber ſprach zu allen die bey jm ſtunden / Wolt jr vmb Baal haddern? wolt jr jm helffen? Wer vmb jn haddert der ſol dieſes morgens ſterben /
Joas aber sprach zu allen, die bei ihm standen: »Wollt ihr um Baal streiten? Wollt ihr ihm helfen? Wer um ihn streitet, der soll heute Morgen sterben!«
SK Version 25.09.2024 ● | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
thun | tun (Verb) Mhd.: tuon (erweitert tuogen, tuonen) allgemein machen, schaffen, verrichten, handeln in unterschiedlichsten Varianten und Bedeutungen
Formen
FVr jren Vetern thet er Wunder in Egyptenland
Vor ihren Vätern tat er Wunder in Ägypten
SK Version 21.11.2024 ● | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Hand
Hende | Hand, die
Hände, die
Mein Gebet müſſe fur dir tügen / wie ein Reuchopffer / Meine hende auffheben / wie ein Abendopffer.
Mein Gebet soll dir erscheinen wie ein Rauchopfer, das Erheben meiner Hände wie ein Abendopfer.
Nimm mein Gebet als Rauchopfer und das Erheben meiner Hände als Abendopfer.
SK Version 25.09.2024 ● | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Gottloſe
Gotloſe | Gottlose, der Substantivierung von: gottlos (Adjektiv)
Religiöser Begriff, der die Existenz Gottes voraussetzt:
1) Zustand: los von Gott; von Gott los [sein]; von Gott verlassen; ohne Gott. 2) religiöse Grundhaltung: Gott nicht dienend; die Ehre, den Willen, die Gebote Gottes missachtend
SK Version 25.09.2024 ● | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
furnemen
fürnemen | fürnehmen (Verb, veraltet) (sich) vornehmen
a) vor sich nehmen, vor Augen nehmen, ins Auge fassen b) zur Tat nehmen, gebrauchen: sich vornehmen für eine Untersuchung, Prüfung, Erforschung usw. c) sich vornehmen mit dem Willen zur Ausführung d) zuvorkommend, hindernd, vorbeugende: vorauskommen e) sich herausnehmen, sich Freiheiten erlauben, darauf bedacht sein f) sich denken, sich vorstellen, sich einbilden Hinweise:
a) Der Infinitiv wird auch substantiviert gebraucht: fürnemen, das Fürnehmen b) Luther schreibt alle Formen (Verben und Substantive) ohne »h«: fürnemen
Scholion zu Psalm 119,113
Luther: Fladdergeiſter heiſſen hie die vnbeſtendigen Geiſter / die jmer etwas newes finden vnd fürnemen / Wie Ketzer pflegen zu thun
Das Wort Flattergeister meint die unbeständigen Geister, die sich immer etwas Neues ausdenken und vornehmen, wie es die Ketzer zu tun pflegen.
als substantivierter Infinitiv:
WEh / die verborgen ſein wollen fur dem HERRN / jr Furnemen zuuerhelen / vnd jr Thun im finſtern halten /
SK Version 21.11.2024 ● | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
haſtu | hast du (Verb) haſtu
2. Person Singular Indikativ Aktiv von haben (Verb)
Präsens: haſtu: hast du -u: Die Flexion mit dem angehängten »u« ist eine eigentümliche Form, die sonst nur noch aus älteren Texten bekannt ist. Gebildet wurde sie aus der 2. Person, zusammengezogen mit dem Personalpronomen »du«, aus dem das »u« stammt. Diese Form impliziert eine gewisse Dringlichkeit und Direktheit der Ansprache, die unmittelbare Hinwendung zum Gegenüber. So kann es die unzweifelhafte Feststellung des Handelns, die dringliche Ansprache oder die unmittelbare Aufforderung zum Handeln bedeuten (Indikativ in der Aussage), die Erfüllung einfordern, mutmaßen bzw. unterstellen (Konjunktiv), oder zur Antwort und Erklärung auffordern (Verb in der Frage).
Heute ist stattdessen das Verb in seiner gebräuchlichen Flexion verbunden mit »du« zu verwenden. Die Direktheit oder eine Aufforderung kann bestenfalls durch eine Sinn tragende Beifügung umschrieben werden abhängig vom Kontext. Sie kann ggf. durch einen Imperativ herausgestellt werden. haſtu?: (antworte mir!) hast du? haſtu: hast du (ganz bestimmt, ohne Zweifel)!
Er aber ſprach / Was haſtu gethan?
Er aber sprach: Was hast Du getan!?
Der Text 1Mos 12,18-19 enthält eine ganze Reihe Verben mit der Endung -tu, die eindrücklich Vorwurf, Entrüstung und Befehlston des Pharaos ausdrücken:
18DA rieff Pharao Abram zu ſich / vnd ſprach zu jm / Warumb haſtu mir das gethan? Warumb ſageſtu mirs nicht / das dein Weib were? 19Warumb ſprachſtu denn / ſie were deine Schweſter? Derhalben ich ſie mir zum Weibe nemen wolt. Vnd nu ſihe / Da haſtu dein weib / nim ſie vnd zeuch hin.
a) 18Da rief der Pharao Abram zu sich und sprach zu ihm: »Warum <nur> hast du mir das angetan?! Warum <nur> sagtest du nicht, dass sie deine Frau sei?! 19Warum <nur> sprachst du denn, sie wäre deine Schwester?! Wegen all dem wollte ich sie mir zur Frau nehmen! Nun denn, hier hast du deine Frau! Nimm sie und verzieh dich!«
b) 18Da rief der Pharao Abram zu sich und sprach zu ihm: »Sag, warum nur hast du mir das angetan?! Wieso hast du mir verschwiegen, dass sie deine Frau ist?! 19Wie konnstest du nur behaupten, sie wäre deine Schwester?! Allein wegen dieser Behauptungen wollte ich sie doch zur Frau nehmen! Nun denn, hier hast du deine Frau zurück! Nimm sie und verzieh dich!«
SK Version 21.11.2024 ● | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
ſiheſtu | siehst du (Verb) 2. Person Singular Indikativ Aktiv von sehen (Verb)
Präsens: ſiheſtu: siehst du -u: Die Flexion mit dem angehängten »u« ist eine eigentümliche Form, die sonst nur noch aus älteren Texten bekannt ist. Gebildet wurde sie aus der 2. Person, zusammengezogen mit dem Personalpronomen »du«, aus dem das »u« stammt. Diese Form impliziert eine gewisse Dringlichkeit und Direktheit der Ansprache, die unmittelbare Hinwendung zum Gegenüber. So kann es die unzweifelhafte Feststellung des Handelns, die dringliche Ansprache oder die unmittelbare Aufforderung zum Handeln bedeuten (Indikativ in der Aussage), die Erfüllung einfordern, mutmaßen bzw. unterstellen (Konjunktiv), oder zur Antwort und Erklärung auffordern (Verb in der Frage).
Heute ist stattdessen das Verb in seiner gebräuchlichen Flexion verbunden mit »du« zu verwenden. Die Direktheit oder eine Aufforderung kann bestenfalls durch eine Sinn tragende Beifügung umschrieben werden abhängig vom Kontext. Sie kann ggf. durch einen Imperativ herausgestellt werden. ſiheſtu: siehst du (ganz bestimmt, ohne Zweifel) ! ſiheſtu? (antworte mir!) ... siehst du ... ?
Was ſiheſtu aber den Splitter in deines Bruders auge
Sag doch! Warum siehst du den Splitter im Auge deines Bruders?
SK Version 25.09.2024 ● | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Jar
Jare | Jahr, das
Zeiraum von 12 Monaten
Luther verwendet jar sowohl als Singular, wie auch als Plural.
Oder iſt deine zeit wie eines Menſchen zeit? Oder deine jar wie eines Mans jare?
Oder ist deine [Gottes] Zeit wie die Zeit eines Menschen? Oder [sind] deine Jahre wie die Jahre eines Mannes?
SK Version 25.09.2024 ● | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Man | Mann, der erwachsene Person männlichen Geschlechts
Hinweis: Das Wort Man kann auch »Himmelsbrot« oder »Engelbrot« meinen (lat: Manna). Siehe Man - Engelsbrot
Siehe auch: Menlin
Oder iſt deine zeit wie eines Menſchen zeit? Oder deine jar wie eines Mans jare?
Oder ist deine [Gottes] Zeit wie die Zeit eines Menschen? Oder [sind] deine Jahre wie die Jahre eines Mannes?
SK Version 25.09.2024 ● | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
gottlos | gottlos (Adjektiv) Religiöser Begriff, der die Existenz Gottes voraussetzt:
a) Zustand: los von Gott; von Gott verlassen; ohne Gott. b) religiöse Grundhaltung: Gott nicht dienend; die Ehre, den Willen, die Gebote Gottes missachtend
So wird man ſein gottlos weſen nimer finden.
So wird man sein gottloses Wesen niemals finden.
SK Version 25.09.2024 ● | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
vmb vnd vmb | um und um (Wendung) Siehe auch: vmb
Die Wendung verstärkt durch die paarige Nutzung von um dessen Bedeutung.
a) rundum, ringsum, von allen Seiten b) zur Bezeichnung der vollständigen Erfassung einer Form oder Fläche: vollständig, komplett c) zur Bezeichnung eines vollständig erfassten Vorgangs oder einer Idee: alles in allem, letzten Endes, letztendlich, schließlich
Fur meinen Feinden / die vmb vnd vmb nach meiner Seelen ſtehen.
a) Vor meinen Feinden, die ringsum nach meiner Seele stehen b) Vor meinen Feinden, die mir von allen Seiten nach dem Leben trachten.
c) Vor meinen Feinden, die mir letztendlich das Leben nehmen wollen.
SK Version 25.09.2024 ● | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Leimen | Lehm, der zähe, klebrige Erdart, die als Masse für einen Former (neben Ton in Töpfereien) und als Baumaterial für verschiedene Zwecke verwendet wird
ahd.: leimo, leim mhd: leime, leim
Gedenck doch / das du mich aus Leimen gemacht haſt / vnd wirſt mich wider zu Erden machen.
[Hiob an Gott:] Bedenke doch, dass du mich aus Lehm gemacht hast, und dass du mich wieder zu Erde machen wirst.
SK Version 25.09.2024 ● | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Keſe | Käse, der aus geronnener Milch gewonnenes Produkt, dass durch Entzug der Restflüssigkeiten unterschiedlich feste Konsistenzen (von streichfähig bis schnittfest) erhält und durch Lagerung in der Reifung Aromen verändert ( mild/streng; zart/würzig; usw.).
Die lange Haltbarkeit neben den relativ geringen Produktionsaufwänden machte Käse schon früh in der Menschheitsgeschichte neben getrocknetem Fisch oder Fleisch zur günstigen Nahrung speziell in Zeiten, in denen es schwer war, frische Lebensmittel zu ernten oder zu erstehen.
Haſtu mich nicht wie Milch gemolcken / vnd wie Keſe laſſen gerinnen?
Hast Du [Gott] mich etwa nicht wie Milch gemolken, und wie Käse gerinnen lassen?
Anmerkung: Hiob bringt hier eine Metapher der Käseherstellung bezüglich seiner Schöpfung: Die Menschen entstehen aus göttlicher Quelle jung und frisch, um dann im Laufe des Lebens zu reifen. Weder Entstehung noch Reifung sind Zufall, sondern basieren auf Gottes Handeln und folgen Gottes Absichten.
SK Version 21.11.2024 ● | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Odem
odem | Odem, der der Atem
Das Wort othem war eine geläufige Nebenform zu athem.
Luthers Nebenform Odem hat sich zu einer feierlichen Form des Begriffs Atem (othem) verselbstständigt, der oft mit göttlichem Atem gleichgesetzt wird, also Atem meint, der »Leben« impliziert und nicht nur »Atemluft« bedeutet.
Er blies jm ein den lebendigen Odem in ſeine Naſen.
Die ursprüngliche Bedeutung des Wortes Atem (athem) ist neben Hauch und Luft im Umfeld der Seele und des Lebensgeistes angesiedelt. Da die Seele dem Menschen eingeblasen und wieder von ihm ausgeblasen wird, sind die Begriffe des Wehens, Hauchens, Blasens und Atmens mit der Vorstellung von einer Seele und dem Lebensgeist verbunden.
Luther verwendet die Nebenform Odem, um gegenüber dem einfachen Atem (Luft, die ein- und ausgeblasen wird) die grundlegende Lebenskraft zu beschreiben, die nötig ist, um den Menschen zu beleben. Sie wurde dem noch leblosen Körper des ersten Menschen von Gott eingeblasen und wird von da an vererbt und bei der Zeugung weitergegeben.
Dabei grenzt sich Odem eindeutig von Seele ab, die ursprünglich wohl auch eine Art Lebenskraft bezeichnet. Während aber Odem die grundlegende Fähigkeit zu leben, das Leben an sich bezeichnet, ist an Seele die Persönlichkeit, das »Ich« des Individuums gekoppelt. Neben Körper (die Materie), Geist (die Fähigkeit, zu denken und zu handeln) und Seele (das Individuum, das "Ich") ist Odem (das Leben) die vierte Komponente, die uns Menschen zu lebenden, handelnden Wesen mit eigener Persönlichkeit macht (1Mos 2,7).
Leben vnd wolthat haſtu an mir gethan / vnd dein auffſehen bewart meinen odem.
Leben und Wohltat hast du mir zukommen lassen, und deine Fürsorge bewart meinen Odem [mein Leben].
Luther erklärt in der Marginalspalte, wie der Begriff Odem hier zu verstehen sei:
(Odem) Das iſt / mein Leben / das der odem anzeigt.
SK Version 21.11.2024 ● | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
merckſtu | merkst du (Verb) 2. Person Singular Aktiv von merken (Verb)
Präsens Indikativ: merckſtu, du merkst -u: Die Flexion mit dem angehängten »u« ist eine eigentümliche Form, die sonst nur noch aus älteren Texten bekannt ist. Gebildet wurde sie aus der 2. Person, zusammengezogen mit dem Personalpronomen »du«, aus dem das »u« stammt. Diese Form impliziert eine gewisse Dringlichkeit und Direktheit der Ansprache, die unmittelbare Hinwendung zum Gegenüber. So kann es die unzweifelhafte Feststellung des Handelns, die dringliche Ansprache oder die unmittelbare Aufforderung zum Handeln bedeuten (Indikativ in der Aussage), die Erfüllung einfordern, mutmaßen bzw. unterstellen (Konjunktiv), oder zur Antwort und Erklärung auffordern (Verb in der Frage).
Heute ist stattdessen das Verb in seiner gebräuchlichen Flexion verbunden mit »du« zu verwenden. Die Direktheit oder eine Aufforderung kann bestenfalls durch eine Sinn tragende Beifügung umschrieben werden abhängig vom Kontext. Sie kann ggf. durch einen Imperativ herausgestellt werden.
Wenn ich ſündige / So merckſtus bald /
Wenn ich sündige, dann merkst du das wohl bald!
SK Version 25.09.2024 ● | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
turren
thar
durren | wagen (Verb; veraltet) wagen, sich erkühnen, unterfangen, sich erdreisten, u. ä.
mit einem Verb im Infinitiv, das beschreibt, was gewagt wird.
thar: 3. Person Singular Indikativ Aktiv Präsens von turren:
durren: alternative Schreibweise zu turren
Vnd der König / wider den ſich niemand thar legen.
Und der König, gegen den sich niemand wagt, zu erheben.
Bin ich Gottlos / ſo iſt mir aber weh / Bin ich Gerecht / So thar ich doch mein heubt nicht auffheben /
Bin ich gottlos, dann tut es mir leid. Bin ich gerecht, dann würde ich es dennoch nicht wagen, mein Haupt zu erheben.
SK Version 25.09.2024 ● | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
auffrecken | aufrecken (Verb; veraltet) zu recken (Verb),
emporrecken, emporrichten, aufrichten
1) vom Leib und von den Gliedern 2) von Tiren, die sich aufrichten 3) von entfalteten Fahnen bzw. Panieren
Vnd wie ein auffgereckter Lewe jageſtu mich /
Und wie ein aufgerichteter [im Sprung befindlicher] Löwe jagest du mich [dann ganz sicher].
SK Version 25.09.2024 ● | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Lew
Lewe | Löwe, der a) das Tier: der Löwe b) die bildliche Übertragung auf Menschen, wobei oft die Stärke, die Kühnheit und die Raubgier des Löwen das Bild bestimmen.
Beide Schreibweisen, mit und ohne »e« am Ende sind möglich.
Er lauret im verborgen / wie ein Lew in der hüle
Er lauert im Verborgenen wie ein Löwe in der Höhle.
Vnd wie ein auffgereckter Lewe jageſtu mich /
Und wie ein aufgerichteter [im Sprung befindlicher] Löwe jagest du mich [ ganz sicher].
SK Version 25.09.2024 ● | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
jageſtu | jagest du (Verb) 2. Person Singular Konjunktiv von jagen (Verb)
Präsens Konjunktiv: jageſtu, du jagest -u: Die Flexion mit dem angehängten »u« ist eine eigentümliche Form, die sonst nur noch aus älteren Texten bekannt ist. Gebildet wurde sie aus der 2. Person, zusammengezogen mit dem Personalpronomen »du«, aus dem das »u« stammt. Diese Form impliziert eine gewisse Dringlichkeit und Direktheit der Ansprache, die unmittelbare Hinwendung zum Gegenüber. So kann es die unzweifelhafte Feststellung des Handelns, die dringliche Ansprache oder die unmittelbare Aufforderung zum Handeln bedeuten (Indikativ in der Aussage), die Erfüllung einfordern, mutmaßen bzw. unterstellen (Konjunktiv), oder zur Antwort und Erklärung auffordern (Verb in der Frage).
Heute ist stattdessen das Verb in seiner gebräuchlichen Flexion verbunden mit »du« zu verwenden. Die Direktheit oder eine Aufforderung kann bestenfalls durch eine Sinn tragende Beifügung umschrieben werden abhängig vom Kontext. Sie kann ggf. durch einen Imperativ herausgestellt werden.
Vnd wie ein auffgereckter Lewe jageſtu mich /
Und wie ein aufgerichteter [im Sprung befindlicher] Löwe jagest du mich [ ganz sicher].
SK Version 25.09.2024 ● | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
grewlich | gräulich (Adjektiv) zum Substantiv: Gräuel
von Eindrücken, die durch die Sinne vermittelt sind: a) Grauen, Abstoßung erregend b) häßlich, ekelhaft, unreinlich c) schrecklich, fürchterlich
Die waſſerwogen im Meer ſind gros / Vnd brauſen grewlich
Die Wogen im Meer sind groß und sie brausen fürchterlich.
SK Version 25.09.2024 ● | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
ernewernernewen | erneuern (Verb) erneuen (Verb) ernewern
ernewen
erneuren mhd: erniuwern erneuen mhd: erniuwen erneuern, renovieren
Die Schreibweise ernewern wird intransitiv gebraucht.
erneuern:
Ernewert euch aber im geiſt ewers gemüts /
Erneuert euch aber im Geist eures Gemüts.
erneuen:
Du erneweſt deine Zeugen wider mich /
a) Du erneust deine Zeugen gegen mich.
b) Du beschaffst neue Zeugen, die gegen mich Aussagen.
SK Version 25.09.2024 ● | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
zeplagen
zuplagen | zerplagen (Verb; veraltet) Kompositum zu plagen (Verb)
Den Geist oder Körper mit Plagen völlig, gänzlich auseinander bringen, schädigen.
a) mit schwerer Plage heimsuchen b) sehr quälen
Hinweis: Luther verwendet ohne Unterscheidung:
Die Vorsilben »ze(r)-« und »zu(r)-«
Zur Verwendung der Vorsilben »zer«, »ze«, »zur« und »zu« in der Lutherbibel von 1545 siehe den Artikel:
DA ſie jn aber treib mit jren worten alle tag / vnd zuplaget jn / ward ſeine Seele matt / bis an den tod /
a) Weil sie aber täglich mit ihren Worten in ihn drang und ihn sehr quälte, wurde seine Seele matt bis fast zum Absterben.
Es zeplagt mich eins vber das ander mit hauffen.
a) Es quält mich eines über das andere haufenweise.
b) Das alles qält mich extrem!
VND ſie erzürneten jn am Hadderwaſſer / Vnd ſie zuplagten den Moſe vbel.
Und sie erzürnten ihn am Haderwasser. Und sie setzten Moses übel zu.
SK Version 25.09.2024 ● | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
erquicken | erquicken (Verb; veraltet) | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Tunckel | Dunkel, das (veraltet)
Dunkelheit, die Die Wörter »das Dunkel« und »die Dunkelheit« sind in der Bedeutung identisch.
Finsternis, Raum ohne Licht.
Wolcken vnd Tunckel iſt vmb jn her
Wolken und Dunkelheit sind um ihn
vnd die augen der Blinden werden aus dem tunckel vnd finſternis ſehen.
... und die Augen der Blinden werden aus der Dunkelheit und der Finsternis sehen.
SK Version 21.11.2024 ● | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Ordenung | Ordnung, die von: orden (Verb), ordnen
a) in Reihenfolge gestellt, regelrecht nach- und nebeneinander, äußerliche oder innerliche Ordnung, regelrecht gemacht und behandelt, eingerichtet b) korrekt besorgt, veranstaltet c) Anordnung, Verordnung, Verfügung, Bestimmung, Festsetzung
So ſie meine Ordenung entheiligen / Vnd meine Gebot nicht halten.
Wenn sie meine Ordnungen entweihen und meine Gebote nicht halten.
SK Version 25.09.2024 ● | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Erläuterungen siehe Das große Stilkunst.de–Wörterbuch zur Lutherbibel von 1545 | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Der Text aus der Lutherbibel ist auf unseren Seiten in Anlehnung an das Druckbild des Originals von 1545 wiedergegeben.
Den Seitenaufbau, die verwendeten Schriften, die Schreibregeln der Frakturschrift und Luthers Intentionen, mit der Typografie Lesehilfen bereitzustellen, erläutert dem interessierten Leser unser Artikel »Satz und Typografie der Lutherbibel von 1545«.
Luthers sieht als Thema des Buches Hiob das Gottesbild unter dem Eindruck von Leid, Schmerz und Trauer. Sind Zweifel an Gott, sind Unmut und Zorn gerechtfertigt?
Luther erklärt die Bedeutung des Alten Testaments und der Gesetze Mose. Diese Schriften seien für Christen sehr nützlich zu lesen, nicht zuletzt deshalb, weil Jesus, Petrus und Paulus mehrfach daraus zitieren.