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Luthers Wort |
Bedeutung |
Du ſolt nicht tödten |
Das 5. Gebot Du sollst nicht töten! Luther verwendet in Mt 5,21 (Die Bergpredigt) die selbe Formulierung wie in 2Mos 20,13 (Die Zehn Gebote). Was meint »nicht tödten«?
Die Diskussion darum, wie dieses Gebot zu verstehen ist, und wie Luther die beiden Stellen übersetzt, reißt nicht ab.
Zwar geht es durchaus um die Frage, welche Übersetzung den hebräischen und griechischen Quellen am Ehesten entspricht. Es geht aber auch um die Frage, ob es für Christen statthaft ist, in bestimmten Situationen zu töten, beispielsweise zur Abwehr von Gewalt, zur Verteidigung des eigenen Lebens, zur Verteidigung der Gesellschaft und des Staates, zur Bestrafung von schwerwiegenden Verbrechen, usw.
Die »richtige« Übersetzung ist dabei nicht selten in der Diskussion ein Argument. Doch was ist »richtig«?
In 2Mos 20,13 bezeichnet das hebräische רָצָה (razah) das unrechtmäßige Töten eines einzelnen Menschen: töten, morden, erschlagen.
Doch was meint »unrechtmäßig«? Meint es Unrecht in Bezug auf das Rechtssystem eines (beliebigen) Staates in einer (beliebigen) Zeit? Meint es das alttestamentliche jüdische Recht? Meint es das Rechtsverständnis einer christlich geprägten Gesellschaft? Meint es das göttliche Recht, das uns durch die Gebote, durch die Propheten, durch Jesus Christus und durch das Neue Testament vermittelt wurde?
So findet sich in der Einheitsübersetzung in 2Mos 20,13 der Text »Du sollst nicht morden«. Jedoch bietet die selbe Einheitsübersetzung in Mt 5,21 »Du sollst nicht töten«.
Die Einheitsübersetzung versucht sich dem Problem zu nähern, löst es aber nicht auf. Wir meinen: Im Gegenteil!
Der Versuch, nur eine bestimmte Variante des Tötens im Gebot zu erfassen, nämlich das Morden, schafft völlig neue Probleme.
Ein Beispiel aus unserer jüngeren Geschichte mag das verdeutlichen: War die staatlich angeordnete Tötung von Juden, von Zeugen Jehovas, von Zigeunern, von politischen Gefangenen, von geistig behinderten Mitmenschen durch die Nazis im Dritten Reich rechtens oder Mord? Aus unserer heutigen Perspektive ist die Antwort klar: Es war Mord. Doch sobald man sich in das System selbst begibt und nicht nur die Zeit, sondern auch den gesamten Rückblick auf die Geschichte abstreift, könnte es sich völlig anders darstellen – wie es auch die Vernehmungen der Täter in den Nürnberger Prozessen belegen. Sie hätten, so formulierten sie mehrfach, im Rahmen des Rechts, auf Anordnung und auf Befehl gehandelt. Das verharmlost die Taten keineswegs!
Das Beispiel zeigt, dass sich der Begriff »unrechtmäßiges Töten« ganz besonderen Werten und Beurteilungen stellen muss! Werten, die weit über die Rechtssysteme von Gesellschaften und Staaten hinausgehen. Werten, die auch in einer Betrachtung von außen bzw. im Rückblick unter sich ändernden Bedingungen zum selben Urteil führen.
Das ist es, was Jesus in der Bergpredigt formuliert. Und das ist es, was Luther durch seine Wortwahl offenhalten möchte.
Der Text der griechisches Quellen sowohl im Neuen Testament wie auch im Alten Testament (Septuaginta) hilft uns nur bedingt weiter. Er lautet gleich: ού φονεὐσειϛ - »du sollst nicht morden/töten«. Das griechische φονεὐω meint morden, töten. Der φονεὐς ist ein Mörder oder Totschläger, also jemand, der unrechtmäßig tötet.
So bleibt es uns überlassen, das zugrundeliegende Wertesystem festzumachen. Das ist keine leichte Aufgabe! Die Auswirkungen ihrer Ergebnisse sind enorm.
Wir sind überzeugt, dass es Luther auf eine christlich geprägte Übersetzung ankam, die sich am Sprachgebrauch seiner Zeit orientierte und damit die Erfahrungen und das Wissen der selben Zeit spiegelte.
Für ihn war einerseits mit Blick auf das Neue Testament Töten an sich ein Verbrechen – wenn schon das Beschimpfen eines Mitmenschen auf gleiche Weise geahndet werden soll ( Mt 5,21f). Anderseits war »morden« für Luther viel zu eng gefasst. Seiner Lebenswirklichkeit entsprach das nicht.
So geschahen üble Verbrechen, Hinrichtungen und Morde auch im Namen der Kirche, die theologisch-religiös und durch Gesetze sanktioniert waren, und die nicht unter den Begriff »Mord« fielen.
Luther kannte beispielsweise das Schicksal von Jan Hus sehr wohl. Ein Schicksal, das die Kirchenfürsten und der Kaiser auch Luther nach seinem Auftritt in Worms angedeihen lassen wollten und dem er sich nur durch die vorgetäuschte Entführung entziehen konnte.
Die Übersetzung »Du sollst nicht morden« wäre ein Freibrief für kirchliche und staatliche Übergriffe dieser Art gewesen. Es sollte jedem Leser bewusst sein, dass sie das noch heute ist und nur mit größter Vorsicht interpretiert werden sollte.
Wir folgen der Denkweise Luthers, die sich in seiner Übersetzung zeigt, und im Sinne des kategorischen Imperativs als Wertemaßstab (Handle so, dass die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könne.): Du sollst nicht töten.
SK Version 21.12.2024 ● |
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