Dr. Martin Luther

Vorrede zur Apostelgeschichte des Lukas

Symbol Biblia 1545

Die Lutherbibel von 1545

 

Die Texte der Lutherbibel von 1545 in Frakturschrift

Das Neue Testament

Die Evangelien und die Offenbarung

 

Biblia
 

Die gantze Heilige Schrifft Deudsch
D. Martin Luther, Wittenberg 1545

Die Apostelgeschichte
des Lukas

Dr. Martin Luthers Vorrede

 

 

Zum Text in 28 Kapiteln

 

 

 

 

 

D. Mart. Luth.

 

 

 

 

[311a]

 

 

Vorrede auff der Apo-
ſtel Geſcĥicĥte.

 

 

Was S. Lucas in der Apostel Geschichte leret

 

DIs Buch ſol man

leſen vnd anſehen / nicht wie wir etwan ge­than haben / Als het­te S. Lucas darin allein die eigen perſönliche werck oder geſchichte der Apoſteln geſchrieben / zum Exempel guter wercke / oder gutes lebens. Wie auch S. Auguſtin vnd viel andere / dis fur das beſte Exempel darinnen an­ge­ſe­hen haben / Das die Apoſtel haben mit den Chri­ſ­ten alle Güter gemein gehabt etc. welches doch nicht lang wehret / vnd zeitlich auffhören muſte. Son­dern darauff ſol man mercken / Das S. Lucas mit die­ſem Buch / die gantze Chri­ſ­ten­heit leret / bis an der Welt ende / das rechte Heubtſtück Chriſtlicher lere / nem­lich / Wie wir alle müſſen gerecht wer­den / allein durch den glauben an Jhe­ſu Chri­ſto / on alles zuthun des Ge­ſe­tzes / oder Hülffe vn­ſer werck.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Was S. Lucas in der Apoſtel Ge­ſchich­te fur­nem­lich leret.

 

 

Alle Menschen wer­den ohne Gesetz gerecht

 

Solchs ſtück iſt ſei­ne fur­ne­me­ſte meinung vnd vr­ſa­che die­ſes Buchs zuſchreiben. Da­r­umb treibt er auch ſo gewaltiglich / Nicht allein die pre­digt der Apo-

 

 

 

 

[311a | 311b]

 

 

Der Apoſtel Geſcĥicĥte.

 

 

ſteln vom glauben an Chri­ſtum / wie beide Heiden vnd Jü­den / da durch haben müſſen gerecht wer­den / on alle verdienſt vnd werck. Son­dern auch die Exempel vnd Geſchicht ſolcher lere / Wie die Heiden / ſo wol als die Jü­den / allein durchs Euan­ge­li­um / on Ge­ſetz ſind gerecht wor­den / Vnd wie S. Petrus zeuget am x. vnd xv. Cap. Gott in ſolchem ſtücke / kein vn­ter­ſcheid gehalten habe vn­ter Jü­den vnd Heiden / Son­dern gleich wie er den Heiden / ſo on Ge­ſetz lebeten / den heiligen Geiſt gab durchs Euan­ge­li­um / Al­ſo hab er den­ſel­bi­gen auch den Jü­den durchs Euan­ge­li­um vnd nicht durchs Ge­ſetz / oder vmb jrer werck vnd verdienſt willen gegeben. Setzt al­ſo in die­ſem Buch bey einander / beide die Lere vom glauben / vnd auch die Exempel des glaubens.

 

 

 

 

 

Jü­den vnd Hei­den wer­den on Ge­ſetz ge­recht.

 

 

Die Apostelgeschichte als Glosse der Briefe des Paulus
Sola fides iustificat: Allein der Glaube macht gerecht

 

DARumb dis Buch / wol möcht hei­ſſen eine Gloſe vber die Epiſteln S. Pauli / Denn das S. Paulus leret vnd treibet mit wor­ten vnd ſprüchen aus der Schrifft / Das zeiget hie S. Lucas an / vnd beweiſet es mit Exempeln vnd Geſchichten / das es al­ſo ergangen ſey / vnd al­ſo ergehen müſſe / wie S. Paulus leret / nem­lich / Das kein Ge­ſetz / kein werck / die Men­ſchen gerecht mache / Son­dern allein der Glaube an Chri­ſtum. Vnd findeſt hie in die­ſem Buch einen ſchönen ſpiegel / darin du ſe­hen magſt / das es war ſey / Sola fides iuſtificat / Allein der Glaub macht gerecht / Denn da ſind des ſtückes / alle Exempel vnd Geſchichte drinnen / ge­wi­ſſe vnd tröſtliche Zeugen / die dir nicht liegen noch feilen.

Dis Buch iſt ein glo­ſe vber S. Pau­li Epi­ſteln.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Sola fides

iuſtificat.

→*1)

 

DEnn da ſi­he an / wie S. Paulus ſelbs iſt be­ke­ret. Jtem / wie der Heide Cornelius wird be­ke­ret durch S. Peters wort / Wie der Engel jm zuuor ſa­gete / Petrus würde jm predigen / da durch er ſolte ſe­lig wer­den. Jtem / der Landuogt Sergius / vnd alle Stedte / da S. Paulus vnd Barnabas pre­dig­ten. Sihe an das erſte Concilium der Apoſteln zu Je­ru­ſa­lem / am xv. Cap. Sihe an alle pre­digt S. Petri / Pauli / Stephani vnd Philippi / So wir­ſtu finden / Das es alles da hin ge­het / Das wir allein durch den glauben Chri­ſti / on Ge­ſetz vnd werck / müſſen zur gnade komen / vnd gerecht wer­den. Vnd man kan mit die­ſem Buch nach die­ſer weiſe / den Wi­der­ſa­chern das maul gar meiſterlich vnd gewaltiglich ſtopf­fen / welche vns auffs Ge­ſetz vnd vn­ſer Werck weiſen / vnd jren törichten vnuerſtand offenbaren fur aller welt.

Paulus.

Cornelius.

Sergius.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Durch den glau­ben Chri­ſti in Ge­ſetz vnd wer­cke müſ­ſen wir ge­recht wer­den.

 

DArumb ſpricht auch Lucas / das ſolche Exempel des glaubens / auch die fromen Jü­den (ſo gleubig wor­den waren) faſt verſtürtzt machten / Vnd die andern vngleubigen Jü­den / toll vnd töricht drüber wurden. Welchs doch kein wunder war / weil ſie im Ge­ſetz aufferzogen / vnd desſelbigen von Ab­ra­ham her gewonet waren / Vnd verdries­lich ſein muſte / das die Heiden / ſo on Ge­ſetz vnd Gott waren / ſolten jnen gleich ſein in der gnade Got­tes.

 

 

Gegen die Kritiker der Glaubenslehre

 

ABer das vn­ſer Leu­te / die wir alle Heiden ſind / ſolchen Artickel ſo leſtern vnd ver­fol­gen / das iſt zehen mal erger / So wir doch hie ſe­hen / vnd nicht leugnen können / das Got­tes gnade vnd Chri­ſtus er­kent­nis / auff vn­ſer Vorfaren komen ſey / on Ge­ſetz vnd verdienſt / ja in grewlichen Abgöttereien vnd laſtern. Aber ſie wer­den auch eben ſo viel mit jrem leſtern vnd ver­fol­gen dran gewinnen / als die Jü­den mit jrem wüeten vnd toben daran gewonnen haben. Denn der zuuor den Jü­den ſolchs gedrawet hatte / vnd durch Moſen laſ­ſen ſingen / Ich wil euch erzürnen vber dem / das nicht mein Volck iſt / vnd vber einem vn­wi­ſſen­den Volck euch toll machen. Vnd Oſee. ij. Cap. Ich wil mein Volck nennen / das nicht mein volck iſt (Das iſt / ſo on Ge­ſetz vnd Werck lebet) vnd hats jnen gehalten. Eben der ſelbig drewet

ſolchs auch vn­ſern Leſterern / vnd (wie er ſchon
wol angefangen) wird es jnen gewis lich
hal­ten. Das gleuben ſie aber nicht / bis
ſie es (wie die Jü­den) erfaren /
AMEN.

 

Wie Got­tes gna­de vnd Chri­ſti er­kennt­nis zu vns Hei­den ko­men ſey.

 

❦❧

 

 

1) lat.: Sola fides iustificat.

dt.: »Allein der Glaube rechtfertigt [ = macht gerecht].«

 

 

 
 

 

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