Die gantze Heilige Schrifft Deudsch
D. Martin Luther, Wittenberg 1545
Zum Text in 28 Kapiteln
Abschnitt | Überschrift | Link zum Text |
Vorrede auff der Apostel Geschichte. | |
1 | |
2 | |
3 | |
4 |
[311a]
DIs Buch ſol man
leſen vnd anſehen / nicht wie wir etwan gethan haben / Als hette S. Lucas darin allein die eigen perſönliche werck oder geſchichte der Apoſteln geſchrieben / zum Exempel guter wercke / oder gutes lebens. Wie auch S. Auguſtin vnd viel andere / dis fur das beſte Exempel darinnen angeſehen haben / Das die Apoſtel haben mit den Chriſten alle Güter gemein gehabt etc. welches doch nicht lang wehret / vnd zeitlich auffhören muſte. Sondern darauff ſol man mercken / Das S. Lucas mit dieſem Buch / die gantze Chriſtenheit leret / bis an der Welt ende / das rechte Heubtſtück Chriſtlicher lere / nemlich / Wie wir alle müſſen gerecht werden / allein durch den glauben an Jheſu Chriſto / on alles zuthun des Geſetzes / oder Hülffe vnſer werck.
Was S. Lucas in der Apoſtel Geſchichte furnemlich leret.
Solchs ſtück iſt ſeine furnemeſte meinung vnd vrſache dieſes Buchs zuſchreiben. Darumb treibt er auch ſo gewaltiglich / Nicht allein die predigt der Apo-
[311a | 311b]
Der Apoſtel Geſcĥicĥte.
ſteln vom glauben an Chriſtum / wie beide Heiden vnd Jüden / da durch haben müſſen gerecht werden / on alle verdienſt vnd werck. Sondern auch die Exempel vnd Geſchicht ſolcher lere / Wie die Heiden / ſo wol als die Jüden / allein durchs Euangelium / on Geſetz ſind gerecht worden / Vnd wie S. Petrus zeuget am x. vnd xv. Cap. Gott in ſolchem ſtücke / kein vnterſcheid gehalten habe vnter Jüden vnd Heiden / Sondern gleich wie er den Heiden / ſo on Geſetz lebeten / den heiligen Geiſt gab durchs Euangelium / Alſo hab er denſelbigen auch den Jüden durchs Euangelium vnd nicht durchs Geſetz / oder vmb jrer werck vnd verdienſt willen gegeben. Setzt alſo in dieſem Buch bey einander / beide die Lere vom glauben / vnd auch die Exempel des glaubens.
Jüden vnd Heiden werden on Geſetz gerecht.
DARumb dis Buch / wol möcht heiſſen eine Gloſe vber die Epiſteln S. Pauli / Denn das S. Paulus leret vnd treibet mit worten vnd ſprüchen aus der Schrifft / Das zeiget hie S. Lucas an / vnd beweiſet es mit Exempeln vnd Geſchichten / das es alſo ergangen ſey / vnd alſo ergehen müſſe / wie S. Paulus leret / nemlich / Das kein Geſetz / kein werck / die Menſchen gerecht mache / Sondern allein der Glaube an Chriſtum. Vnd findeſt hie in dieſem Buch einen ſchönen ſpiegel / darin du ſehen magſt / das es war ſey / Sola fides iuſtificat / Allein der Glaub macht gerecht / Denn da ſind des ſtückes / alle Exempel vnd Geſchichte drinnen / gewiſſe vnd tröſtliche Zeugen / die dir nicht liegen noch feilen.
DEnn da ſihe an / wie S. Paulus ſelbs iſt bekeret. Jtem / wie der Heide Cornelius wird bekeret durch S. Peters wort / Wie der Engel jm zuuor ſagete / Petrus würde jm predigen / da durch er ſolte ſelig werden. Jtem / der Landuogt Sergius / vnd alle Stedte / da S. Paulus vnd Barnabas predigten. Sihe an das erſte Concilium der Apoſteln zu Jeruſalem / am xv. Cap. Sihe an alle predigt S. Petri / Pauli / Stephani vnd Philippi / So wirſtu finden / Das es alles da hin gehet / Das wir allein durch den glauben Chriſti / on Geſetz vnd werck / müſſen zur gnade komen / vnd gerecht werden. Vnd man kan mit dieſem Buch nach dieſer weiſe / den Widerſachern das maul gar meiſterlich vnd gewaltiglich ſtopffen / welche vns auffs Geſetz vnd vnſer Werck weiſen / vnd jren törichten vnuerſtand offenbaren fur aller welt.
Paulus.
Cornelius.
Sergius.
Durch den glauben Chriſti in Geſetz vnd wercke müſſen wir gerecht werden.
DArumb ſpricht auch Lucas / das ſolche Exempel des glaubens / auch die fromen Jüden (ſo gleubig worden waren) faſt verſtürtzt machten / Vnd die andern vngleubigen Jüden / toll vnd töricht drüber wurden. Welchs doch kein wunder war / weil ſie im Geſetz aufferzogen / vnd desſelbigen von Abraham her gewonet waren / Vnd verdrieslich ſein muſte / das die Heiden / ſo on Geſetz vnd Gott waren / ſolten jnen gleich ſein in der gnade Gottes.
ABer das vnſer Leute / die wir alle Heiden ſind / ſolchen Artickel ſo leſtern vnd verfolgen / das iſt zehen mal erger / So wir doch hie ſehen / vnd nicht leugnen können / das Gottes gnade vnd Chriſtus erkentnis / auff vnſer Vorfaren komen ſey / on Geſetz vnd verdienſt / ja in grewlichen Abgöttereien vnd laſtern. Aber ſie werden auch eben ſo viel mit jrem leſtern vnd verfolgen dran gewinnen / als die Jüden mit jrem wüeten vnd toben daran gewonnen haben. Denn der zuuor den Jüden ſolchs gedrawet hatte / vnd durch Moſen laſſen ſingen / Ich wil euch erzürnen vber dem / das nicht mein Volck iſt / vnd vber einem vnwiſſenden Volck euch toll machen. Vnd Oſee. ij. Cap. Ich wil mein Volck nennen / das nicht mein volck iſt (Das iſt / ſo on Geſetz vnd Werck lebet) vnd hats jnen gehalten. Eben der ſelbig drewet
ſolchs auch vnſern Leſterern / vnd (wie er ſchon
wol angefangen) wird es jnen gewis lich
halten. Das gleuben ſie aber nicht / bis
ſie es (wie die Jüden) erfaren /
AMEN.
Wie Gottes gnade vnd Chriſti erkenntnis zu vns Heiden komen ſey.
❦❧
1) lat.: Sola fides iustificat.
dt.: »Allein der Glaube rechtfertigt [ = macht gerecht].«
Wörtersuche
Gesuchtes Luther-Wort eingeben:
Die Liste aller der Schlagwörter im Wörterbuch findet sich im Register.
Der Text aus der Lutherbibel ist auf unseren Seiten in Anlehnung an das Druckbild des Originals von 1545 wiedergegeben.
Den Seitenaufbau, die verwendeten Schriften, die Schreibregeln der Frakturschrift und Luthers Intentionen, mit der Typografie Lesehilfen bereitzustellen, erläutert dem interessierten Leser unser Artikel »Satz und Typografie der Lutherbibel von 1545«.
Luthers Vorrede zum Neuen Testament ist in neuen Bibelausgaben nicht mehr enthalten. Lesen Sie, was Luther seinen Lesern 1545 mit auf den Weg gegeben hatte.