Die gantze Heilige Schrifft Deudsch
D. Martin Luther, Wittenberg 1545
Der Text in 16 Kapiteln
Nr. | Textstelle | Abschnitt | Link zum Text |
Kapitel XIIII. | ||
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11,2 - 14,40 |
VI. VERHALTEN UND GNADENGABEN IM GOTTESDIENST
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1 | 14,1-25 | |
2 | 14,26-40 |
[349b]
STrebet nach der Liebe / Vleiſſiget euch der geiſtlichen Gaben / Am meiſten aber / das jr weiſſagen möget. 2Denn der mit der Zungen redet / der redet nicht den Menſchen / ſondern Gotte / Denn jm höret niemand zu / Im geiſt aber redet er die geheimnis. 3Wer aber weiſſaget / der redet den Menſchen zur beſſerung / vnd zur ermanung / vnd zur tröſtung. 4Wer mit der f Zungen redet / der beſſert ſich ſelbs / Wer aber weiſſaget / der beſſert die Gemeine. 5Ich wolt / das jr alle mit Zungen reden kündtet / Aber viel mehr / das jr weiſſagetet. Denn der da weiſſaget / iſt gröſſer denn der mit Zungen redet / Es ſey denn / das ers auch auslege / das die Gemeine dauon gebeſſert werde.
6NV aber / lieben Brüder / wenn ich zu euch keme / vnd redet mit Zungen / was were ich euch nütze? ſo ich nicht mit euch redet / entweder durch Offenbarung / oder durch Erkentnis / oder durch Weiſſagung / oder durch Lere? 7Helt ſichs doch auch alſo in den dingen / die da lauten / vnd doch nicht leben. Es ſey eine Pfeiffe oder eine Harffe / wenn ſie nicht vnterſchiedliche ſtimme von ſich geben / wie kan man wiſſen / was gepfiffen oder geharffet iſt? 8Vnd ſo die Poſaune einen vndeutlichen dohn gibt / Wer wil ſich zum ſtreit rüſten? 9Alſo auch jr / wenn jr mit Zungen redet / ſo jr nicht eine deutliche rede gebet / Wie kan man wiſſen / was geredt iſt? Denn jr werdet in den wind reden.
10ZWar es iſt mancherley art der ſtimme in der Welt / vnd der ſelbigen iſt doch keine vndeutlich. 11So ich nu nicht weis der ſtimme deutunge / werde ich Vndeudſch ſein dem / der da redet / vnd der da redet / wird mir Vndeudſch ſein. 12Alſo auch jr / ſintemal jr euch vleiſſiget der geiſtlichen Gaben trachtet darnach / das jr die Gemeine beſſert / auff das jr alles reichlich habt. 13Darumb / welcher mit Zungen redet / der bete alſo / das ers auch auslege. 14So ich aber mit Zungen
f
(Zungen redet)
Mit zungen reden iſt Pſalmen oder Propheten in der Gemeinde leſen oder ſingen / vnd ſie nicht auslegen wiewol ſie der Leſer verſtehet. Weiſſagen iſt den ſinn von Gott nemen / vnd andern geben mögen. Auslegen / iſt den ſinn andern furgeben. Alſo meinet S. Paulus / mit zungen reden / beſſert die Gemeine nicht / Weiſſagen aber vnd auslegen beſſert die Gemeine. Im Geiſt / heiſſet bey jm ſelber.
[349b | 350a]
An die Córinther. C. XIIII․
CCCL.
bete / ſo betet mein Geiſt / Aber mein Sinn bringet niemand frucht. 15Wie ſol es aber denn ſein? nemlich / alſo / Ich wil beten mit dem Geiſt / vnd wil beten auch im Sinn. Ich wil Pſalmen ſingen im geiſt / vnd wil auch Pſalmen ſingen a mit dem ſinn.
16WEnn du aber ſegeneſt im geiſt / Wie ſol der / ſo an ſtat des Leien ſtehet / Amen ſagen / auff deine Danckſagung / ſintemal er nicht weis / was du ſageſt? 17Du danckſageſt wol fein / Aber der ander wird nicht dauon gebeſſert. 18Ich dancke meinem Gott / das ich mehr mit Zungen rede / denn jr alle. 19Aber ich wil in der Gemeine lieber fünff wort reden / mit meinem b Sinn / auff das ich auch andere vnterweiſe / denn ſonſt zehen tauſent wort mit zungen.
a
(Mit dem ſinn)
Mit dem ſinn reden / iſt eben ſo viel / als auslegen vnd den ſinn den andern verkleren. Aber im Geiſt reden / iſt den ſinn ſelbs verſtehen / vnd nicht auslegen.
b
(Sinn)
Das iſt / Den ſinn mit predigen auslegen.
LIeben Brüder / werdet nicht Kinder an dem verſtentnis / ſondern an der bosheit ſeid kinder / an dem verſtentnis aber ſeid volkomen. 21Im Geſetz ſtehet geſchrieben / Ich wil mit andern Zungen vnd mit andern Lippen reden zu dieſem Volck / vnd ſie werden mich auch alſo nicht hören / ſpricht der HERR. 22Darumb / ſo ſind die zungen c zum Zeichen / nicht den gleubigen / ſondern den vngleubigen / Die weiſſagung aber nicht den vngleubigen / ſondern den gleubigen.
23WEnn nu die gantze Gemeine zuſamen keme an einen ort / vnd redeten alle mit Zungen / Es kemen aber hin ein Leien oder Vngleubige / würden ſie nicht ſagen / Ir weret vnſinnig? 24So ſie aber alle weiſſageten / vnd keme denn ein Vngleubiger oder Leie hin ein / der würde von denſelbigen allen geſtraffet / vnd von allen gerichtet / 25Vnd alſo würde das verborgen ſeines Hertzen offenbar / vnd er würde alſo fallen auff ſein angeſichte / Gott anbeten / vnd bekennen / das Gott warhafftig in euch ſey.
c
(Zum zeichen)
Durch mancherley zungen werden die vngleubigen zum glauben bekeret / wie durch andere zeichen vnd wunder. Aber durch weiſſagung werden die gleubigen gebeſſert vnd geſtercket / als durch zeichen / daran ſie jren glauben prüfen vnd erfaren / das er recht ſey.
WIe iſt jm denn nu / lieben Brüder? Wenn jr zuſamen komet / ſo hat ein jglicher Pſalmen / er hat eine lere / er hat Zungen / er hat offenbarung / er hat Auslegung / Laſſet es alles geſchehen zu beſſerung. 27So jemand mit der Zungen redet / oder zween / oder auffs meiſte drey / eins vms ander / ſo lege es einer aus. 28Iſt er aber nicht ein Ausleger / ſo ſchweige er vnter der Gemeine / rede aber jm ſelber vnd Gotte. 29Die Weiſſager aber laſſet reden / zween oder drey / vnd die andern laſſet richten. 30So aber eine Offenbarung geſchicht einem andern der da ſitzt / ſo ſchweige der erſte. 31Ir kündet wol alle weiſſagen / einer nach dem andern / Auff das ſie alle lernen / vnd alle ermanet werden / 32Vnd die Geiſter der Propheten ſind den Propheten * vnterthan. 33Denn Gott iſt nicht ein Gott der vnordnung / ſondern des Friedes / wie in allen gemeinen der Heiligen.
*
(Vnterthan)
Etliche meinen weil ſie den verſtand vnd des Geiſts gaben haben / ſollen ſie niemand weichen noch ſchweigen / daraus denn Secten vnd zwitracht folgen. Aber S. Paulus ſpricht hie / Sie ſollen vnd mügen wol weichen / Sintemal die gaben des Geiſtes in jrer macht ſtehen / jr nicht zu brauchen wider die einigkeit / das ſie nicht ſagen dürffen / Der Geiſt treibe vnd zwinge ſie.
EWer Weiber laſſet ſchweigen vnter der Gemeine / Denn es ſol jnen nicht zugelaſſen werden / das ſie reden / ſondern vntherthan ſein / Wie auch das Geſetz ſaget. 35Wollen ſie aber etwas lernen / ſo laſſet ſie da heim jre Menner fragen. Es ſtehet den Weibern vbel an / vnter der Gemeine reden. 36Oder iſt das wort Gottes von euch auskomen? Oder iſts allein zu euch komen? 37So ſich jemand leſſt düncken / er ſey ein Prophet / oder geiſtlich / der erkenne / was ich euch ſchreibe / Denn es ſind des HErrn gebot. 38Iſt aber jemand vnwiſſend / Der ſey vnwiſſend. 39Darumb lieben Brüder / vleiſſiget euch des weiſſagen / vnd weret nicht mit Zungen zu reden. 40Laſſets alles ehrlich vnd ördentlich zugehen.
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