Die gantze Heilige Schrifft Deudsch
D. Martin Luther, Wittenberg 1545
150 Psalmen, aufgeteilt in fünf Büchern
Im folgenden Text ist der bezeichnete Vers hervorgehoben.
1Ein Pſalm Dauids.
BRinget her dem HERRN jr Gewaltigen / Bringet her dem HERRN ehre vnd ſtercke.
2Bringet dem HERRN ehre ſeines Namens / Betet an den HERRN in heiligem Schmuck.
3DIe ſtim des HERRN gehet auff den Waſſern / der Gott der ehren donnert / Der HERR auff groſſen Waſſern.
4Die ſtim des HERRN gehet mit macht / Die ſtim des HERRN gehet herrlich.
5DIe ſtim des HERRN zubricht die Cedern / Der HERR zubricht die Cedern im Libanon.
6Vnd machet ſie lecken wie ein Kalb / Libanon vnd Sirion / wie ein junges Einhorn.
7Die ſtim des HERRN hewet / Wie fewr flammen.
8Die ſtim des HERRN erreget die Wüſten / Die ſtim des HERRN erreget die wüſten Kades.
9Die ſtim des HERRN erreget die Hinden / vnd entblöſet die Welde / Vnd in ſeinem Tempel wird jm jederman Ehre ſagen.
10DEr HERR ſitzt eine Sintflut anzurichten / Vnd der HERR bleibt ein König in ewigkeit.
11DEr HERR wird ſeinem Volck krafft geben / Der HERR wird ſein Volck ſegenen mit frieden.
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Die folgenden Begriffe aus dem Text Ps 29 werden hier erläutert.
Versnummer: Luthers Wort | |||
1: Pſalm Dauids | 1: HERR | 2: heiligen | |
5: zubricht | 5: Cedern | 6: Einhorn | |
7: hewet | 7: fewr | 8: erreget | |
9: Hinden | 9: Tempel | 10: Sintflut | |
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Luther-Deutsch | Deutsch | Erläuterungen | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Pſalm Dauids | Psalm Davids Angabe der Urheberschaft im Titel von 50 Psalmen:
Die Formulierung besagt nicht verlässlich, dass David selbst diese Psalmen verfasst hat. Sie bedeutet wohl nur, dass sie zu einer Sammlung von Psalmen gehören, die ihm gewidmet ist. In der Lutherbibel von 1545 benennen 73 Psalmen in der Überschrift David als Urheber.
a) Psalm Davids: 50
b) Gülden Kleinod Davids: 6 Psalmen 16, 56, 57, 58, 59 und 60
c) Unterweisung Davids: 6 Psalmen 32, 52, 53, 54, 55 und 142
d) Lied Davids: 4 Psalmen 122, 124, 131 und 133
e) Psalmlied Davids: 2 Psalmen 68 und 108
f) Gebet Davids: 2 Psalmen 17 und 86
g) Unschuld Davids: 1 Psalm 7
h) Lob Davids: 1 Psalm 145
i) Davids: 1 Psalm 138
Zur Person Davids
Historisch kreisen um die Person Davids viele ungeklärte Fragen. Nach der biblischen Überlieferung war David nach Saul der zweite König Israels und lebte von etwa 1000 bis 961 v. Chr. Genauere Lebensdaten sind unbekannt.
David war zunächst Musiker am Hof Sauls und wurde später Offizier in seinem Heer.
Die Geschichte Davids wird ausführlich erzählt in den beiden Samuelbüchern (1Sam, 2Sam), in 1Kön 1-2 und in 1Chr 11-29.
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HERR | HERR, JHWH, Jahwe Aussehen in unseren Frakturschriften: HERR oder HERR
HERR im Alten Testament
hebräisch: יהוה (jhwh, das Tetragrammaton JHWH) lateinisch (Biblia Sacra Vulgata): Dominus, Herr
Luthers Schreibweise HERR in Versalien (Großbuchstaben) folgt einer festen Regel. Sie weist darauf hin, dass im hebräischen Text an dieser Stelle das Tetragrammaton (das Vierfachzeichen) »JHWH« (hebr.: יהוה) steht. Es ist der unaussprechliche Name Gottes.
Satztechnisch bedingte Varianten
Um beim Satz der Lettern Platz in einer Zeile zu sparen, wodurch übermäßiger Sperrdruck oder ungünstige Wortumbrüche vermieden werden, sind in der Lutherbibel von 1545 häufig auch die Varianten HERr oder HERRn oder HERrn zu finden. Dabei sind mindestens die ersten drei Zeichen in Versalien gesetzt, womit sie hinreichend von HErr unterscheidbar sind.
An wenigen Stellen im Text wurde eine für uns unübliche Trennung im Wort vorgenommen, um einen Zeilenumbruch zu realisieren, hier beispielhaft gezeigt:
[ ...] fur den HER- RN bringen [...]
HERR HErr
Der Ausdruck HERR HErr steht dann, wenn im hebräischen Text »JHWH Adonaj« zu lesen ist. (Siehe dazu auch den Artikel HErr.)
Auch die umgekehrte Reihenfolge HErr HERR ist möglich (»Adonaj JHWH«).
4bSo ſpricht der HErr HERR / 5aſie gehorchen oder laſſens /
Die neuen Lutherbibeln übersetzen diesen Ausdruck stets mit »Gott der HERR«.
Die Aussprache des Namens Gottes
Das Wissen um die Aussprache der vier Zeichen, die den Gottesnamen ausmachen, ist schon früh in der Geschichte verloren gegangen. Sie werden heute oft mit »Jahwe« (vokalisiert geschrieben יְהוָה nach der Aussprache des hebräischen Adonaj, Herr) oder »Jehova« (יְהוָֹה ebenfalls nach dem hebräischen Adonaj, Herr, jedoch unter Berücksichtigung aller Vokale) transkribiert, aber auch mit »Jewah« (ebenfalls יְהוָה aber nach dem hebräischen Schema, der Name, zu lesen) oder »Jehowih« (יְהוִה nach dem hebräischen Elohim, Gott / Götter).
Luthers Namensersatz
Luther kannte die vokalisierten Varianten und die transkribierten Formen und war wohl besonders dem Wort »Jehova« zugeneigt. Es bezieht alle drei Vokale aus dem Wort Adonaj, das »Herr« bedeutet. Dennoch hatte er es vermieden, in seiner Übersetzung »Jehova« zu verwenden. Stattdessen nutzte er wie die lateinischen Bibeln einen Wortersatz. Er setzte das deutsche Wort ein, das gemäß der jüdischen Tradition zu lesen sei, wenn im Text das Vierfachzeichen erscheint, machte es aber durch die besondere Satzweise in Großbuchstaben kenntlich: HERR.
Luthers Schreibweise hat sich bis heute in etlichen Bibelausgaben gehalten.
HERR im Neuen Testament
Im neuen Testament verwendet Luther die Schreibweise HERR in Versalien (Großbuchstaben) für Gott, den Vater, an Stellen, wo sich Zitate aus dem Alten Testament auf »JHWH« beziehen.
Wichtig: Davon zu unterscheiden sind die Schreibweisen
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heilig | heilig (Adjektiv) (In Abgrenzung zum Irdischen:) göttlich vollkommen und verehrungswürdig.
Das Adjektiv kommt häufig vor in den Verbindungen:
u.a.
Ort, Boden: 2Mos 3,5:
Er ſprach / Trit nicht herzu / zeuch deine ſchuch aus von deinen Füſſen / Denn der Ort / da du auffſteheſt / iſt ein heilig land.
Er [GOTT] sprach: »Komme nicht näher! Ziehe deine Schuhe aus von deinen Füßen! Denn der Boden, auf dem du stehst, ist heiliges Land.«
Tätigkeiten: 2Mos 16,23:
Das iſts / das der HERR geſagt hat / Morgen iſt der Sabbath der heiligen ruge des HERRN /
Das ist es, was der HERR gesagt hat: »Morgen ist der Sabbat der heiligen Ruhe des HERRN.«
Gegenstände: 2Mos 28,2:
Vnd ſolt Aaron deinem Bruder heilige Kleider machen / die herrlich vnd ſchön ſeien.
Und [ihr] sollt Aaron, deinem Bruder, heilige Kleider machen, die herrlich und schön seien.
Menschen: 2Mos 19,6:
Vnd jr ſolt mir ein prieſterlich Königreich / vnd ein heiliges Volck ſein.
Und ihr sollt mir ein priesterliches Königreich und ein heiliges Volk sein.
GOTT: Offb 4,8:
[...] vnd ſprachen / Heilig / heilig / heilig iſt der Gott der HERR / der Allmechtige / der da war / vnd der da iſt / vnd der da kompt.
[...] und sprachen: Heilig, heilig, heilig ist der Gott, der HERR, der Allmächtige, der da war, und der da ist, und kommt und da sein wird.
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zerbrechen
zebrechen
zubrechen | zerbrechen (Verb) etwas vollständig, gänzlich brechen
1) Gegenstände, Gerätschaften: in Stücke brechen 2) Speisen (wie z. B. Brot): brechen 3) Steine, Erze: in Stücke brechen, zerstoßen 4) Gebäude, Bauten, Anlagen: niederreißen, einreißen, zum Einsturz bringen 5) Körper und Glieder von Menschen oder Tieren: in Stücke teilen 5) Menschlicher Geist, Wille: den Willen brechen
Hinweis: Luther verwendet ohne Unterscheidung:
Die Vorsilben »ze(r)-« und »zu(r)-«
Zur Verwendung der Vorsilben »zer«, »ze«, »zur« und »zu« in der Lutherbibel von 1545 siehe den Artikel:
Denn ſie wöllen nicht achten auff das Thun des HERRN / noch auff die werck ſeiner Hende / Darumb wird er ſie zebrechen vnd nicht bawen.
Denn sie wollen weder die Taten des HERRN respektieren noch die Werke seiner Hände. Deshalb wird er sie [ihren Geist, ihre Absichten] brechen und nicht aufbauen [gedeihen lassen, bestärken, fördern].
Zubrich den arm des Gottloſen
Zerbrich den Arm der Gottlosen
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Ceder
cedern Libanon
cedern Gottes
Bewme des HERRN | Libanon-Zeder, die Immergrüner Baum mit Wuchshöhen zwischen 30 bis 50 Meter, kann bis zu 1.000 Jahre alt werden.
In Palästina gibt es keine Zedern. Die Bibel nennt sie fast immer im Zusammenhang mit dem Libanon. Dort gab es große Zedernhaine, die sehr alt waren und wertvolles Holz für teure Bauwerke lieferten. So nutze König Salomo das Holz der Libanon-Zeder für den Bau des Tempels und seiner Paläste.
Dem Holz haftet das Göttliche an, die cedern Libanon sind nach Psalm 104 die Bewme des HERRN.
DAs die Bewme des HERRN vol ſaffts ſtehen / Die cedern Libanon die er gepflantzt hat.
Dazu Luther im Scholion zu Psalm 104,16: Bewme des HERRN / heiſſt er die im wald ſtehen / die nicht durch Menſchen geflantzet ſind.
Luther versteht »die Bewme des HERRN« als Bäume des Waldes, die nicht von Menschenhand gepflanzt wurden.
Tatsächlich beschreibt der Autor des Psalms, dass »die Bewme des HERRN« die cedern Libanon sind, die durchaus von Menschen gepflanzt sein können. Die Beifügung die er gepflantzt hat, bezieht sich auf Gott als Lebensspender und Schöpfer, wie er bereits in den Versen davor beschrieben wurde: So wie alles Leben stammen auch die Libanon-Zedern aus der Hand Gottes.
Berge ſind mit ſeinem Schatten bedeckt / Vnd mit ſeinen Reben die cedern Gottes.
Luther erklärt im Scholion zu Psalm 80,11, dass die cedern Gottes die Libanon-Zedern sind, in dem er sie für die Ortsangabe benutzt:
(Cedern Gottes) Jd eſt / Regnum dilatatum vſque ad Libanum. (Zedern Gottes) Das meint: Das Königreich erstreckte sich bis zum Libanon.
Er wird wachſſen wie ein Ceder auff Libanon.
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Einhorn | Einhorn, das (veraltet)
junger Stier
(arabische) Oryx-Antilope Einhorn
mhd.: einhürne, m. hebräisch רְאֵם (rəʼem), Plural: רְאֵמִים (rəʼemiym) griechisch (Septuaginta) μονόχερως (monocheros) lateinisch unicornis
Das hebräische Wort bezeichnet allgemein ein wildes, unzähmbares Tier mit kräftigen Hörnern. Es ist bisher nicht gelungen, den Begriff eindeutig einer Tierart zuzuweisen.
Gemeint ist womöglich die (arabische) Oryx-Antilope in der Annahme, dass das hebräische Wort mit dem arabischen Wort für diese Antilope verwandt ist.
Allerdings lässt Hiob 39,9-12 eher ein Wildrind, einen Wildochsen, o. ä. erwarten und verweist somit indirekt auf die assyrische Abstammung des hebräischen Begriffs. Das bezeichnete Tier wäre dann der in Vorderasien bekannte Ur oder Auerochse.
Luther waren derartige Tiere unbekannt. Obwohl er selbst nie ein Einhorn gesehen hatte und das Tier als Fabelwesen kannte, stützte er sich bei seiner Übersetzung auf die gängigen Begriffe der griechischen Septuaginta und der lateinischen Bibeln.
Denn tatsächlich ist es auch möglich, dass alle Textpassagen in der Bibel, in denen das Wort vorkommt, als Stilmittel ein Fabelwesen meinen, kein reales Tier, um den jeweils angestellten Vergleich ebenso beeindruckend wie unanfechtbar zu überspitzen. Dann würde der hebräische Begriff etwa »gehörntes, wildes, unzähmbares Fabelwesen namens R'am« bedeuten. Dafür fehlen jedoch außerbiblische Belege.
Abbildung: Arabische Oryx-Antilope (Oryx leucoryx) Credits (original file): MathKnight @ wikimedia.org
Die fast pfeilgeraden, dünnen und im Verhältnis zur Körpergröße sehr langen Hörner sind auffällig. Sie können aus der Ferne betrachtet, oder wenn das Tier nahezu im Profil zu sehen ist, wie ein einziges Horn wirken. Die Gestalt erinnert an Ziegen, doch dieses Tier ist anders als Ziegen unzähmbar.
Das Einhorn ist heute ein Fabelwesen, dessen Gestalt oft mit der einer Ziege oder eines Pferdes gleichgesetzt wird. Es trägt mittig auf der Stirn nur ein einziges Horn. Es taucht erstmals schon in der Antike auf und wird u. a. von Aristoteles erwähnt.
Es wird allerdings angenommen, dass in den biblischen Texten sehr wahrscheinlich kein abstraktes Fabelwesen gemeint ist, sondern ein (uns unbekanntes), reales Tier.
Welches Tier der Begriff tatsächlich meint, ist umstritten. Heute wird allgemein angenommen, dass es sich um eine (Oryx-) Antilope (s. o.) oder um einen Wildstier (Auerochse) handelt.
An den Wildstier ist aufgrund Hiob 39,9-12 zu denken. Es wurde versucht, den Grund für den Begriff »Monocheros« der griechischen Quellen in antiken Abbildungen zu finden, die (speziell in Griechenland) den Stier oft im Profil zeigen. Dabei ist dann nur ein Horn im Bild zu sehen. Das hintere Horn ist vom vorderen Horn verdeckt. Doch scheinen solche Überlegungen kaum haltbar. Es wäre wohl niemand in der damals bekannten antiken Welt auf die Idee gekommen, in den für Stiere typischen und allseits bekannten griechischen Abbildungen eine unbekannte Tierart, Einhörner, zu erkennen.
Abbildung: Wilder Stier, Relief in Knossos, Kreta, Griechenland Credits (original file): © 2015 Sabrina | www.stilkunst.de
Der wilde, unzähmbare Stier besaß in der Antike besonderes Ansehen, das in Riten, Fabeln, und Götterkult mündete.
Dieses Relief in Knossos (Kreta) zeigt einen ungestüm springenden Stier. Die Hörner, die am Kopf austreten, wirken zunächst wie ein einziges Horn. Erst an ihren Enden wird sichtbar, dass es sich um zwei Hörner handelt. Oder ist es nur ein Horn, das sich am Ende gabelt?
Wir sind uns sicher, dass solche und ähnliche Abbildungen spätestens seit Alexander dem Großen im gesamten Mittelmeerraum bekannt waren, eindeutig verstanden wurden und keinen Anlaß boten, darin den »Monocheros«, das Einhorn, zu erkennen.
Die griechische Septuaginta hatte das Wort »Monocheros« für die Übersetzung des hebräischen Begriffs eingeführt. Wahrscheinlich war dem Übersetzer kein passendes Tier bekannt, wohl aber dank griechischer Fabeln das Einhorn, das sich auf der Suche nach einem gehörnten, wilden, unzähmbaren Tier anbot. Im Vordergrund standen für den Übersetzer wahrscheinlich die verhaltensbedingten Eigenschaften des Tieres, die sich aus den spärlichen Textpassagen in der Bibel ableiten ließen, weniger seine Psysiognomie. Möglich ist auch, dass der griechische Übersetzer dem hebräischen Wort ein nicht existentes Tier, ein »Fabelwesen« unterstellte und eine Entsprechung aus der griechischen Sprachwelt im »Monocheros« fand.
Das lateinische unicornis ist nichts anderes als die wortgetreue Übertragung des griechischen Worts »Monocheros« in die lateinische Sprache. Dies trug maßgeblich zur Verbreitung des Begriffs im (römisch-katholischen) Abendland über die Bibel bei.
In gleicher Weise ist Luther vorgegangen. Er übertrug mangels genauerem Wissen wortgetreu aus der lateinischen Bibel: Einhorn. Es war ihm nicht möglich, das im hebräischen Text bezeichnete Tier genauer zu bestimmen.
Heute sind für Übersetzungen die Wörter Antilope, Oryx-Antilope, Stier oder Wildstier, je nach Kontext, statt Einhorn zu empfehlen.
MEinſtu das Einhorn werde dir dienen / vnd werde bleiben an deiner krippen?
a) Meinst du, das Einhorn werde dir dienen und an deiner Krippe bleiben? b) Meinst du <etwa>, der wilde Stier wird dir dienen wollen und in deinem Stall bleiben?!
Anm.: In diesem Abschnitt (Hiob 39,9-12) wird mit hoher Wahrscheinlichkeit das Hausrind mit dem Wildstier verglichen. Eine wilde Rinderart (Auerochse), die ungestüm und nicht zähmbar ist, nicht im Stall gehalten werden kann, nicht im Joch für die Bewirtschaftung des Ackers läuft und sich nicht davon abhalten ließe, im Ernteeinsatz einfach das Getreide zu fressen, anstatt es zur Scheune zu transportieren.
Vnd errette mich von den Einhörnern.
a) Und rette mich vor den Einhörnern. b) Und rette mich vor den wilden Antilopen (bzw. Stieren).
Vnd machet ſie lecken wie ein Kalb / Libanon vnd Sirion / wie ein junges Einhorn.
a) Und lässt sie lecken wie ein Kalb, Libanon und Sirjon, wie ein junges Einhorn. b) Er lässt sie hüpfen wie ein Kalb, den Libanon und den Sirjon, wie eine junge, wilde Antilope (bzw. wie ein junger, wilder Stier).
ABer mein Horn wird erhöhet werden / wie eines Einhorns /
a) Mein Horn wird erhöht werden, wie das eines Einhorns. b) Mein Horn wird erhöht werden, wie das einer Oryx-Antilope.
Anm.: Dieser Text erinnert an eine Oryx-Antilope mit ihren sehr langen, gerade nach oben gerichteten Hörnern, weniger an die relativ kurzen und krummen Hörner von Wildstieren.
Da werden die Einhörner ſampt jnen erunter müſſen / vnd die Farren ſampt den gemeſteten Ochſen /
a) Da werden die Einhörner gemeinsam mit ihnen herunter müssen, und die Stiere gemeinsam mit den gemästeten Ochsen. b) Da werden die wilden Auerochsen mit ihnen niedersinken und die jungen Zuchtbullen samt den Mastochsen.
Anm.: Hier lässt die Nebeneinanderstellung von Einhorn und Mastochse eher einen wilden Stier als eine Antilope erwarten.
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hawen
heweſt
hewet | hauen (Verb) Mhd.: houwen 1) mähen und schneiden von Früchten 2) fällen von Holz 3) bearbeiten von Holz oder Stein (Bildhauerei) 4) abbauen von Erz 5) bearbeiten des Weinbergs 6) zerkleinern von geschlachtetem Fleisch 7) allgemein: schneidende Hiebe ausführen 8) mit dem Schwert kämpfend schlagen 9) jemanden schlagend verletzen
Sonderformen heweſt und hewet
Das starke Verb hauen besitzt zu Luthers Zeiten in der 2. und 3. Person Singular Präsens noch neben der Form ohne Umlaut (haweſt, hawet - haust, haut) auch eine mit Umlaut (heweſt, hewet - häust, häut), die heute ungebräulich und veraltet ist.
Hawet den Bawm vmb / vnd behawet jm die Eſte / vnd ſtreifft jm das Laub abe /
Fällt den Baum, behaut ihm die Äste und streift ihm das Laub ab!
Die ſtim des HERRN hewet / Wie fewr flammen.
Die Stimme des HERRN schlägt zu wie feurige Flammen
Denn / wo du jn mit den Ruten heweſt / So darff man jn nicht tödten. 14Du heweſt jn mit der Ruten / Aber du erretteſt ſeine Seele von der Hellen.
Denn wenn du ihn mit der Rute schlägst, darf man ihn nicht töten. Du schlägst ihn <zwar> mit der Rute, aber du rettest sein Leben vor dem Tod.
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Fewr
fewr
Fewer
fewer | Feuer, das Luther benutzt beide Schreibweisen, sowohl fewr wie auch fewer.
Der HERR wird ſie verſchlingen in ſeinem zorn / Fewr wird ſie freſſen.
Der HERR wird sie verschlingen in seinem Zorn. Feuer wird sie fressen.
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erregen | erregen (Verb) a) sich regen, sich rühren, sich tätig zeigen, etwas unternehmen; b) antreiben, anspornen, anfeuern, erregen, reizen; c) sich in schnelle Bewegung setzen, seinen Lauf beschleunigen, eilen, stürzen;
Es errege ſich das Waſſer mit webenden vnd lebendigen Thieren
a) Es rege sich das Wasser mit lebendigen, wimmelnden Tieren b) Es belebe sich das Wasser mit lebendigen Tieren, die sich darin tummeln
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Hinde | Hinde, die (veraltet)
Hirschkuh, die Mhd.:hinde, f. hebräisch: איָּלָה (ʼayyͻlͻh), die Hirschkuh lateinisch: cervos, der Hirsch griechisch: ἔλαφος (élaphos), der Hirsch Das hebräische Wort bezeichnet das Weibchen, das weibliche Tier von Hirsch oder Reh, also Hirschkuh oder Ricke.
Ein Pſalm Dauids / vor zu ſingen / Von der Hinden / die früe geiagt wird.
a) Ein Psalm Davids. Vorzusingen. Von der Hirschkuh, die in der Frühe gejagt wird. b) Ein Psalm Davids. Vorzusingen. Nach der Melodie »Die Hirschkuh der Morgenröte«.
Anmerkung zu Psalm 22,1:
Die Überschriften der Psalmen sind oft Aneinanderreihungen von Kopfdaten, die den Autor nennen, die Vortrags- oder Spielweise bezeichnen und manchmal auch die zugrunde gelegte Melodie angeben.
In diesem Fall soll nach einer (wohl damals bekannten) Melodie vorgetragen werden. Luthers Übersetzung ist missverständlich und insofern falsch. Es soll weder die Hirschkuh selbst vortragen, noch handelt der Psalm von ihr.
Die ſtim des HERRN erreget die Hinden / vnd entblöſet die Welde
a) Die Stimme des HERRN macht Hirschkühe kreißen. Sie entlaubt die Wälder.
Anmerkung zu Psalm 29,9:
Luther übersetzt gemäß des hebräischen Textes, gemäß der lateinischen Biblia Sacra Vulgata und gemäß der griechischen Septuaginta in das zu seiner Zeit gängige Hinden (Plural).
kreißen meint: hevorbringen, Wehen haben, gebären (eine »kreißende Frau« liegt in den Geburtswehen). Luthers erregen trifft die besondere Bedeutung des hebräischen יְחוֹלֵל, in Wehen versetzen (ִvon חיל, sich winden, kreißen, beben) jedoch nicht genau genug.
Diese Übersetzung zeichnet das Bild der gewaltigen Stimme Gottes, die wie ein Sturmwind sowohl die Lebewesen im Wald wie auch den Wald selbst heftig schütteln kann: trächtige Hirschkühe gebären vorzeitig, ganze Wälder werden entlaubt.
Luther 1984
Doch das hebräische איל hat mehrere Bedeutungen. So meint אֵיָּל Hirsch oder Reh, und איָּלָה das weibliche Tier, also die Hirschkuh, doch אֵיִל (identische Konsonanten, jedoch anders vokalisiert und gelesen) meint großer Baum, wie z. B. Palme oder Eiche. Allerdings weicht dessen Plural ab ( אֵילִים ) und kann im hebräischen Quelltext nicht erkannt werden, was gegen diese Lesart spricht.
Die Lutherbibel von 1984 verweist in der Fußnote zu Psalm 29,9 auf Luthers ursprüngliche Lesart, übersetzt den Vers aber nun mit:
Die Stimme des HERRN lässt Eichen wirbeln und reißt Wälder kahl.
(besser erscheint uns dann aber: Die Stimme des HERRN lässt <selbst> große Bäume wirbeln und reißt <sogar ganze> Wälder kahl.)
Inspiriert vom zweiten Satzteil, erscheint diese Übersetzung auf den ersten Blick inhaltlich rund und ausgewogen, weil sie in einem Zug den Blick vom einzelnen Baum zum ganzen Wald führt.
Elberfelder
Eine weitere Variante bietet die Elberfelder Bibel, die bekannt dafür ist, dicht entlang der Quellen zu übersetzen:
Die Stimme des Herrn macht Hirschkühe kreißen und lässt Zicklein vorzeitig gebären.
Hier wird nur der erste Satzteil mit einer erklärenden Beifügung wiedergegeben: Die gewaltige Stimme Gottes löst bei Hirschkühen vorzeitige Wehen aus (was dazu führt, dass ihre Zicklein zu früh geboren werden). Der Teil, in dem die entlaubten Wälder angesprochen werden, bleibt in dieser Übersetzung ausgeblendet, da hier in den Quellen eine späte Textüberarbeitung bzw. Texterweiterung vermutet wird.
Fazit
Für uns liefert eine an die heutige Sprache angepasste Fassung der Luther 1545 den besten Text. Zu übersetzen wäre nach unserem Vorschlag:
Die Stimme des HERRN löst bei <trächtigen> Hirschkühen Wehen aus, und sie entlaubt <ganze> Wälder.
Nachtrag: Luther 2017
Mit der Ausgabe von 2017 kehrt die Lutherbibel an ihre Ursprünge zurück. Der Vers lautet nun:
Die Stimme des Herrn lässt Hirschkühe kreißen / und reißt Wälder kahl.
Leider ist das Wort kreißen heute aber eher ungebräuchlich, wenn nicht gar veraltet. Zwar hat es sich im Wort Kreißsaal (Gebährraum; Entbindungsraum) bis heute erhalten, doch ein werdender Vater wird wohl kaum euphorisch rufen: »Meine Frau kreißt!,« um den Angehörigen mitzuteilen, dass bei ihr die Wehen eingesetzt haben.
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Tempel | Tempel, der Tempel
Gotteshaus, Heiligtum
Gebäude für öffentliche Gottesdienste
übertragen, biblisch: der Himmel als Gottes Wohnung der heilige Tempel
feststehender Begriff für das Heiligtum des Gottes JHWH auf dem Tempelberg (Berg Zion) bei Jerusalem:
der Tempel in Jerusalem.
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Sindflut
Sintflut | Sündflut, die (veraltet)
Sintflut, die Sindflut
Sintflut
Ahd.: sinvluot, aus germanisch sin- (»immer, überall«) und vluot ( »Flut«) hebräisch: מַבּוּל (mabuwl), Wasserflut griechisch: κατακλυσμος (kataˈklʏsmʊs), die Überschwemmung lateinisch: diluvium, die Überschwemmung Vorkommen in der Lutherbibel
Die Wörter kommen nur im Zusammenhang mit der Flut aus der Noah-Geschichte vor:
Altes Testament: 1Mos 6,17; 7,6.7.10.17; 9,11.15.28; 10,1.32; 11,1; Psalm 29,10 Apokryphen: Weish 10,4; Sir 39,27; 40,10; 44,18.19 Neues Testament: Mt 24,38.39, Lk 17,27; 2Petr 2,5; 3,6
Luther übersetzt die so bezeichnete Wasserflut überwiegend mit »Sindflut«. Nur zweimal benutzt er »Sintflut«: Psalm 29,10; Lk 17,27.
In späteren Ausgaben der Lutherbibel findet sich einheitlich »Sintflut«.
Aus den vielen Varianten der damaligen Zeit (Sinflut, Sintflut, Sindflut, Sündflut, u. a.) hat sich schließlich Sintflut als Bezeichnung für die noahsche Flut durchgesetzt und bis heute erhalten.
Heute würden wir bei der Wortbildung und Wortfindung anders vorgehen und die Flut, vor der sich Noah rettete, einfach die »Große Flut« nennen.
Die Sintflut war eine Flut von gewaltigen Ausmaßen (eigentlich: »die alles überschwemmende Flut«), bei der Wassermassen riesige Landteile oder gar die gesamte (damals bekannte) Erde überschwemmten.
Die Sintflut kündigte Gott dem Noah an, der danach seine Familie auf der Arche in Sicherheit brachte, einem großen Schiff, auf dem Noah auch die bekannten Tierarten vor dem Aussterben rettete (1Mos 6,5 - 8,22).
Auf diese Sintflut wird in den Bibelstellen außerhalb 1Mos Bezug genommen. Sie steht daher auch als Sinnbild für Gottes Strafe für die Sünden der Menschen (daher in alter Zeit die Entwicklung von sinflut, »die alles überschwemmende Flut«, zu sündflut, »Flut der Sünde wegen«).
DEr HERR ſitzt eine Sintflut anzurichten / Vnd der HERR bleibt ein König in ewigkeit.
a) Der HERR sitzt, um eine Sintflut anzurichten. Und der HERR bleibt ein König in Ewigkeit. b) Der HERR thronte über der Sintflut. Der Herr thront als König ewig. c) Alternativ: Der HERR thronte <auch> über der Großen Flut. Der Herr thront als König ewig.
Anmerkung zu Psalm 29,10:
Luthers Übersetzung ist fehlerhaft. Es geht im hebräischen Text nicht darum, dass Gott plant, eine neue Sintflut anzurichten, sondern darum, dass er als Regent über die Sintflut herrschte. Dies wird im zweiten Satzteil unterstrichen: Er herrscht als König ewig, und zwar vor der Flut, während der Flut und danach.
SK Version 25.09.2024 ● | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Erläuterungen siehe Das große Stilkunst.de–Wörterbuch zur Lutherbibel von 1545 | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Der Text aus der Lutherbibel ist auf unseren Seiten in Anlehnung an das Druckbild des Originals von 1545 wiedergegeben.
Den Seitenaufbau, die verwendeten Schriften, die Schreibregeln der Frakturschrift und Luthers Intentionen, mit der Typografie Lesehilfen bereitzustellen, erläutert dem interessierten Leser unser Artikel »Satz und Typografie der Lutherbibel von 1545«.