Dr. Martin Luther

Vorrede auf den Psalter

Symbol Biblia 1545

Die Lutherbibel von 1545

 

Die Texte der Lutherbibel von 1545 in Frakturschrift

Das Alte Testament

Die Bücher der Dichtung

 

Biblia
 

Die gantze Heilige Schrifft Deudsch
D. Martin Luther, Wittenberg 1545

Der Psalter

Die Bücher der Psalmen

Dr. Martin Luthers Vorrede

 

 
Luthers Vorrede auf den Psalter
 
 

 

Vorrede auff den Pſalter.

 

Lobe vnd preiſe des Pſalters.

ES haben viel heiliger Ve- ter den Pſalter ſon­der­lich fur andern Büchern der Schrifft gelobet vnd ge­lie­bet / Vnd zwar lobt das werck ſei­nen Mei­ſter ſelbs gnug. Doch müſſen wir vn­ſer Lob vnd Danck auch daran beweiſen.

MAn hat in vergangen jaren faſt viel Legenden von den Heiligen / vnd Paſſional / Exempel Bücher vnd Hiſtorien vmb­her gefürt / vnd die Welt da mit erfüllet. Das der Pſalter die weil vn­ter der banck / vnd in ſol­chem fin­ſter­nis lag / das man nicht wol einen Pſalmen recht verſtund / Vnd doch ſo trefflichen edlen geruch von ſich gab / das alle frome her­tzen auch aus den vnbekandten wor­ten andacht vnd krafft empfunden / vnd das Büchlin da­r­umb lieb hatten.

Im Pſalter findet man was Chri­ſtus vnd alle Heiligen ge­than haben.

JCH halt aber / Das kein feiner Exempelbuch oder Legenden der Heiligen auff Erden ko­men ſey oder ko­men müge / denn der Pſalter iſt. Vnd wenn man wündſchen ſolt / das aus allen Exempeln / Legenden / Hiſtorien / das beſte geleſen vnd zu­ſa­men gebracht / vnd auff die beſte weiſe ge­ſtel­let würde / ſo müſte es der jtzige Pſalter wer­den. Denn hie finden wir nicht allein / was einer oder zween Heiligen ge­than haben / Son­dern was das Heubt ſelbs aller Heiligen ge­than hat / vnd noch alle Heiligen thun. Wie ſie gegen Gott / gegen Freunden vnd Feinden ſich ſtellen / Wie ſie ſich in aller fahr lei­den hal­ten vnd ſchicken. Vber das / das al­ler­ley göttlicher heilſamer Lere vnd Gebot darinnen ſte­hen.

Der Pſalter redet klerlich von Chri­ſtus ſter­ben vnd auff­er­ſte­hen / von ſei­nem Reich vnd von der Chri­ſten­heit ſtand vnd we­ſen.

VND ſolt der Pſalter allein des halben thewr vnd lieb ſein / das er von Chri­ſtus ſter­ben vnd auff­er­ſte­hung / ſo klerlich ver­heiſ­ſet / vnd ſein Reich vnd der gan­tzen Chri­ſten­heit ſtand vnd we­ſen furbildet. Das es wol möcht ein kleine Biblia heiſ­ſen / darin alles auffs ſchöneſt vnd kürtzeſt / ſo in der gan­tzen Biblia ſtehet / gefaſſet vnd zu einem feinen Enchiridion oder Handbuch gemacht vnd bereitet iſt. Das mich dünckt / Der heilige Geiſt habe ſelbs wöl­len die mühe auff ſich ne­men / vnd eine kurtze Bibel vnd Exempelbuch von der gan­tzen Chri­ſten­heit oder allen Heiligen zu­ſa­men bringen. Auff das / wer die gan­tzen Biblia nicht leſen kündte / het­te hierin doch faſt die gantze Summa verfaſſet in ein klein Büchlin.

Im Pſalter ſi­het man / wie die Heiligen mit Gott ge­redt vnd gebetet haben.

ABer vber das alles / iſt des Pſalters edle tugent vnd art / Das andere Bücher wol viel von wercken der Heiligen rumpeln / Aber gar wenig von jren wor­ten ſa­gen. Da iſt der Pſalter ein ausbund / Darin er auch ſo wol vnd ſüſſe reucht / wenn man darinne lieſet. Das er nicht allein die werck der Heiligen erzelet / Son­dern auch jre wort / Wie ſie mit Gott ge­redt vnd gebetet haben / vnd noch reden vnd beten. Das die andern Legenden vnd Exempel / wo man ſie gegen dem Pſalter helt / vns ſchier eitel ſtumme Heiligen furhalten. Aber der Pſalter rechte wacker lebendige Heiligen vns einbildet.

Das edleſt werck am Men­ſchen iſt / das er reden kan.

ES iſt ja ein ſtummer Menſch gegen einem redenden / ſchier als ein halb tod­ter Menſch zu achten. Vnd kein kreff­ti­ger noch edler werck am Men­ſchen iſt / denn reden / Sin­te­mal der Menſch durchs reden von andern Thieren am meiſten geſchei­den wird / mehr denn durch die geſtalt oder ander werck. Weil auch wol ein holtz kan eines Men­ſchen geſtalt durch Schnitzer kunſt haben. Vnd ein Thier ſo wol ſe­hen / hören / riechen / ſingen / gehen / ſte­hen / eſſen / trin­cken / faſten / dürſten / Hunger / froſt vnd hart lager lei­den kan / als ein Menſch.

Der Pſalter zeigt an / wie der Heiligen herz ge­ſtan­den / vnd was fur gedancken ſie gehabt haben.

ZV dem / thut der Pſalter noch mehr / Das er nicht ſchlechte gemeine rede der Heiligen vns furbildet / Son­dern die aller beſten / ſo ſie mit groſ­ſem ernſt in der aller trefflichſten ſa­chen mit Gott ſel­ber ge­redt haben. Da mit er nicht allein jr wort vber jr werck / Son­dern auch jr hertz vnd gründlichen ſchatz jrer Seelen vns furlegt / Das wir in den grund vnd quelle jrer wort vnd werck / das iſt / in ir hertz ſe­hen können / was ſie fur gedancken gehabt haben / Wie ſich jr hertz ge­ſtel­let vnd gehalten hat / in al­ler­ley ſa­chen / fahr vnd not. Welchs nicht ſo thun noch thun können / die Legenden oder Exempel / ſo allein von der Heiligen werck oder Wunder rhümen. Denn ich kan nicht wiſ­ſen / wie ſein hertz ſtehet / ob ich gleich viel trefflicher werck von einem ſe­he oder höre.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Men­ſchen herz iſt wie ein Schiff auffm Meer etc.

VND gleich wie ich gar viel lie­ber wolt einen Heiligen hören reden / denn ſei­ne werck ſe­hen. Al­ſo wolt ich noch viel lie­ber ſein hertz vnd den Schatz in ſei­ner Seelen ſe­hen / denn ſein wort hören. Das gibt aber vns der Pſalter auffs aller reichlichſt an den Heiligen / das wir gewis ſein können / wie jr hertz geſtanden / vnd jre wort gelautet haben / gegen Gott vnd jederman. Denn ein menſchlich Hertz iſt wie ein Schiff auff eim wilden Meer / welchs die Sturmwinde von den vier örtern der Welt treiben. Hie ſtöſſet her / furcht vnd ſorge fur zukünftigem Vnfal. Dort feret gremen her vnd traurigkeit / von gegenwertigem Vbel. Hie webt hoffnung vnd vermeſſenheit / von zukünfftigem Glück. Dort bleſet her ſicherheit vnd freude in gegenwertigen Gütern.

 

SOlche Sturmwinde aber leren mit ernſt reden vnd das hertz öffenen / vnd den grund eraus ſchütten. Denn wer in furcht vnd not ſteckt / redet viel anders von vnfal / denn der in freuden ſchwebt. Vnd er in freuden ſchwebt / redet vnd ſinget viel anders von freuden / denn der in furcht ſteckt. Es ge­het nicht von her­tzen / (ſpricht man) wenn ein Trawriger lachen / oder ein Frölicher weinen ſol / das iſt / Seines her­tzen grund ſtehet nicht offen / vnd iſt nicht er aus.

Wort von Freu­den.

WAS iſt aber das meiſte im Pſalter / denn ſolch ernſtlich reden / in al­ler­ley ſol­chen Sturmwinden? Wo findet man feiner wort von freuden / denn die Lobpſalmen oder Danckpſalmen haben? Da ſi­he­ſtu allen Heiligen ins hertze / wie in ſchöne lüſtige Garten / ja wie in den Hi­mel / Wie feine hertzliche lüſtige Blumen darinnen auffgehen von al­ler­ley ſchönen frö­lichen Gedancken gegen Gott / vmb ſei­ne Wol­that.

Wort von Traw­rigkeit.

WJderumb / wo findeſtu tieffer / kleglicher / jemerlicher wort / von Trawrigkeit / denn die Klagepſalmen haben? Da ſi­he­ſtu aber mal allen Heiligen ins hertze / wie in den Tod / ja wie in die Helle. Wie fin­ſter vnd tunckel iſts da / von al­ler­ley betrübtem anblick des zorns Got­tes. Al­ſo auch / wo ſie von furcht vnd hoffnung reden / brauchen ſie ſol­cher wort / das dir kein Maler al­ſo kündte die Furcht oder Hoffnung abmalen / vnd kein Cicero oder Redkündiger al­ſo furbilden.

Wort von Furcht und Hoffnung.

 

 

 

 

 

 

Der Pſalter iſt ein gemeine Buch aller Heiligen.

VND (wie ge­ſagt) iſt das das aller beſte / das ſie ſol­che wort gegen Gott vnd mit Gott reden / welchs macht das zweifeltiger ernſt vnd leben in den wor­ten ſind. Denn wo man ſonſt gegen Men­ſchen in ſol­chen ſa­chen redet / ge­het es nicht ſo ſtarck von her­tzen / brennet / lebt / vnd dringet nicht ſo faſt. Daher kompts auch / das der Pſalter aller Heiligen Büchlin iſt / Vnd ein jg­li­cher / in waſ­ſerley ſa­chen er iſt / Pſalmen vnd wort drinnen findet / die ſich auff ſei­ne Sachen reimen / vnd jm ſo eben ſind / als we­ren ſie allein vmb ſei­nen willen al­ſo geſetzt / Das er ſie auch ſelbs nicht beſ­ſer ſetzen noch finden kan noch wündſchen mag.

WElchs denn auch dazu gut iſt / das / wenn einem ſol­che wort gefallen vnd ſich mit jm reimen / Das er gewis wird / er ſey in der Gemeinſchafft der Heiligen / vnd hab allen Heiligen ge­gan­gen / wie es jm ge­het / weil ſie ein Liedlin alle mit jm ſingen. Sonderlich / ſo er ſie auch al­ſo kan gegen Gott reden / wie ſie ge­than haben / Welchs im glauben ge­ſche­hen mus / Denn einem gottloſen Men­ſchen ſchmecken ſie nichts.

Der Pſalter leret on fahr den Heiligen nach­fol­gen / Das ver­mögen Exem­pel vnd Le­gen­den­bücher nicht.

ZV letzt / iſt im Pſalter die ſicherheit vnd ein wol verwaret Geleit / das man allen Heiligen on fahr drinnen nachfolgen kan. Denn ander Exempel vnd Legenden von den ſtummen Heiligen bringen manch werck für / das man nicht kan nachthun / Viel mehr werck aber bringen ſie / die fehrlich ſind nach zu thun / vnd gemeiniglich Secten vnd Rotten anrichten / vnd von der Gemeinſchafft der Heiligen füren vnd reiſſen. Aber der Pſalter helt dich von den Rotten zu der heiligen Gemeinſchafft / Denn er leret dich in Freuden / Furcht / Hoffnung / Trawrigkeit / gleich geſinnet ſein vnd reden / wie alle Heiligen geſinnet vnd ge­redt haben.

Der Pſalter malet die heilige Kir­chen mit irer rechte farbe.

SVmma / Wiltu die heiligen Chriſtlichen Kirchen gemalet ſe­hen mit lebendiger Farbe vnd geſtalt / in einem kleinen Bilde gefaſſet / So nim den Pſalter fur dich / ſo ha­ſtu einen feinen / hellen / reinen / Spiegel / der dir zeigen wird / was die Chri­ſten­heit ſey. Ja du wirſt auch dich ſelbs drinnen / vnd das rechte Gnotiſeauton finden / Da zu Gott ſelbs vnd alle Cre­a­turn.

DArumb laſſt vns nu auch furſehen / das wir Gott dancken / fur ſol­che vn­aus­ſprech­li­che güter / vnd mit vleis vnd ernſt die­ſel­bi­gen an­ne­men / brauchen vnd vben / Gott zu lob vnd ehre / Auff das wir nicht mit vn­ſer vndanckbarkeit et­was ergers verdienen. Denn vor hin zur zeit der fin­ſter­nis / welch ein Schatz het­te es ſollen geacht ſein / wer einen Pſalmen het­te mügen recht ver­ſte­hen / vnd im ver­ſtendlichen Deudſch leſen oder hören / vnd habens doch nicht gehabt. Nu aber ſind ſe­lig die Augen / die da ſe­hen / das wir ſe­hen / vnd ohren / die da hören / das wir hören. Vnd beſorge doch / ja leider ſe­hen wirs / das vns ge­het / wie den Jü­den in der wü­ſten / die da ſpra­chen vom Hi­mel­brot / Vn­ſer Seelen eckelt fur der geringen Speiſe. Aber wir ſollen auch wiſ­ſen / das da­ſelbs bey ſtehet / wie ſie geplagt vnd geſtorben ſind / das vns nicht auch ſo gehe.

DAS helffe vns der Va­ter aller Gnaden vnd Barm­her­tzig­keit / durch Jhe­ſum Chri­ſtum vn­ſern HErrn / Welchem ſey Lob vnd Danck / Ehre vnd Preis fur die­ſen Deudſchen Pſalter / vnd fur alle ſei­ne vnzeliche vn­aus­ſprech­li­che Wol­that in ewigkeit / AMen / AMEN.

 

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Sabrina

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