Die gantze Heilige Schrifft Deudsch
D. Martin Luther, Wittenberg 1545
Der Text in fünf Kapiteln
Nr. | Textstelle | Abschnitt | Link zum Text |
Kapitel I. | ||
1 | 1,1-22 |
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Kapiteleinteilung nach der Ausgabe von 1545,
Angabe der Textstelle nach heutiger Zählweise.
Im folgenden Text ist der bezeichnete Vers hervorgehoben.
[67b | 68a]
LXVIII.
WIe ligt die Stad ẛo
wüſte: die vol Volcks war? Sie iſt wie ein widwe / Die eine Fürſtin vnter den Heiden / vnd ein Königin in den Lendern war / mus nu dienen.
2Sie weinet des nachts / das jr die Threnen vber die Backen lauffen / Es iſt niemand vnter allen jren Freunden / der ſie tröſte / Alle jre Neheſten verachten ſie / vnd ſind jre Feinde worden.
3Juda iſt gefangen im elend vnd ſchwere m dienſt / Sie wonet vnter den Heiden / vnd findet keine ruge / Alle jre Verfolger halten ſie vbel.
4Die ſtraſſen gen Sion ligen wüſt / weil niemand auff kein Feſt komet / Alle jre Thore ſtehen öde / Ire Prieſter ſeufftzen / Ire Jungfrawen ſehen jemerlich vnd ſie iſt betrübt.
5Ire Widerſacher ſchweben empor / Iren Feinden gehets wol / Denn der HERR hat ſie vol jamers gemacht / Vmb jrer groſſen ſünde willen / Vnd ſind jre Kinder gefangen fur dem Feinde hin gezogen.
6Es iſt von der tochter Zion aller Schmuck dahin / Ire Fürſten ſind / wie die Wider / die keine weide finden / vnd matt fur dem Treiber her gehen.
7Jeruſalem denckt in dieſer zeit / wie elend vnd verlaſſen ſie iſt / vnd wie viel Guts ſie von alters her gehabt hat / weil alle jr Volck darnider ligt / vnter dem Feinde / vnd jr niemand hilfft / Ire Feinde ſehen jre Luſt an jr / vnd ſpotten jrer Sabbathen.
8Jeruſalem hat ſich verſündigt / Darumb mus ſie ſein / wie ein vnrein Weib / Alle die ſie ehreten / verſchmehen ſie jtzt / weil ſie jre ſcham ſehen / Sie aber ſeufftzet / vnd iſt zu rück gekeret.
9Ir vnflat klebt an jrem ſaum / Sie hette nicht gemeinet / das jr zu letzt ſo gehen würde / Sie iſt ja zu grewlich herunter geſtoſſen / vnd hat dazu niemand / der ſie tröſtet / Ah HERR ſihe an mein Elend / Denn der Feind pranget ſeer.
10Der Feind hat ſeine hand an alle jre Kleinod gelegt / Denn ſie muſte zuſehen / das die Heiden in jr Heiligthum giengen / Dauon du geboten haſt / Sie ſolten nicht in deine Gemeine komen.
11Alle jr Volck ſeufftzet vnd gehet nach brot / Sie geben jre Kleinot vmb ſpeiſe / das ſie die Seele laben / Ah HERR / ſihe doch vnd ſchaw / wie ſchnöde ich worden bin.
12Euch ſage ich / allen / die jr fur vber gehet / Schawet doch vnd ſehet / Ob jrgend ein ſchmertzen ſey / wie mein ſchmertzen / der mich troffen hat / Denn der HERR hat mich vol jamers gemacht / am tage ſeines grimmigen zorns.
13Er hat ein Fewr aus der Höhe in meine Beine geſand / vnd das ſelbige laſſen walten / Er hat meinen füſſen ein Netze geſtellet / vnd mich zurück geprellet / Er hat mich zur Wüſten gemacht / das ich teglich trawren mus.
14Meine ſchwere Sünde ſind durch ſeine ſtraffe erwachet / vnd mit hauffen mir auff den Hals komen / das mir alle meine Krafft vergehet / Der HErr hat mich alſo zugericht / das ich nicht auffkomen kan.
15Der HErr hat zutretten alle meine Starcken / ſo ich hatte / Er hat vber mich ein Feſt ausruffen laſſen / meine junge Manſchafft zuuerderben / Der HErr hat der Jungfrawen tochter Juda / eine Kelter tretten laſſen.
16Darumb weine ich ſo / vnd meine beide Augen flieſſen mit waſſer / Das der
[68a | 68b]
Der Próphet C. I.II.
Tröſter / der meine Seele ſolt erquicken / ferne von mir iſt / Meine Kinder ſind dahin / Denn der Feind hat die vberhand kriegt.
17Zion ſtreckt jre Hende aus / Vnd iſt doch niemand / der ſie tröſte / Denn der HERR hat rings vmb Jacob her / ſeinen Feinden geboten / Das Jeruſalem mus zwiſchen jnen ſein / wie ein vnrein Weib.
18Der HERR iſt gerecht / Denn ich bin ſeinem munde vngehorſam geweſt / Höret alle Völcker / vnd ſchawet meinen ſchmertzen / Meine Jungfrawen vnd Jünglinge / ſind ins Gefengnis gegangen.
19Ich rieff meine Freunde an / Aber ſie haben mich betrogen / Meine Prieſter vnd Elteſten in der Stad / ſind verſchmachtet / Denn ſie gehen nach Brot / damit ſie jre Seelen laben.
20Ah HERR / ſihe doch / wie bange iſt mir / das mirs im Leibe dauon weh thut / Mein hertz wallet mir in meinem Leibe / denn ich bin hoch betrübt / Drauſſen hat mich das Schwert / vnd im Hauſe hat mich der Tod zur Widwe gemacht.
21Man hörets wol / das ich ſeufftze / Vnd habe doch keinen tröſter / Alle meine Feinde hören mein Vnglück / vnd frewen ſich / das machſtu / So las doch den tag komen / den du ausrüffeſt / das jnen gehen ſol / wie mir.
22Laſſe alle jre bosheit fur dich komen / vnd richte ſie zu / wie du mich vmb aller meiner miſſethat willen / zugericht haſt / Denn meins ſeufftzens iſt viel / vnd mein hertz iſt betrübt.
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Threno. | Die Klagelieder Jeremia.Biblia Vulgata: Anm: In der Lutherbibel 1545 direkt hinter dem Buch Jeremia eingeordnet und im Inhaltsverzeichnis nicht gesondert aufgeführt. | Die Klagelieder Jeremias Die Klagelieder des Jeremia | Klgl Klgl Klgl |
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10. Sonntag nach Trinitatis (violett)
Gedächtnis der Zerstörung Jerusalems
Klgl 1 und 2 in Auswahl
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Luther widmet den Prophetenbüchern eine umfangreiche Vorrede. Diese Bücher seien reich an Predigten und Beispielen für christliches Leben, und sie weissagen die Ankunft Christi.