Die gantze Heilige Schrifft Deudsch
D. Martin Luther, Wittenberg 1545
150 Psalmen, aufgeteilt in fünf Büchern
Im folgenden Text sind die bezeichneten Verse hervorgehoben.
[289b]
[Spalte 2]
WArumb toben die Hei-
den / Vnd die Leute reden ſo vergeblich.
2Die Könige im Lande lehnen ſich auff / vnd die Herrn ratſchlagen mit einander / Wider den HERRN vnd ſeinen Geſalbeten.
3Laſſet vns zureiſſen jre Bande / Vnd von vns werffen jre Seile.
4Aber der im Himel wonet lachet jr / Vnd der HERR ſpottet jr.
5Er wird eineſt mit jnen reden in ſeinem zorn / Vnd mit ſeinem grim wird er ſie ſchrecken.
[289b | 290a]
Der Pſalter.
CCXC.
[Spalte 1]
6Aber ich habe meinen König eingeſetzt / Auff meinen heiligen berg Zion.
(Weiſe)
Von einer newen weiſe / Das iſt die newe Lere des Euangelij von Chriſto Gottes Son.
a
7Ich wil von einer ſolchen Weiſe predigen / Das der HERR zu mir geſagt hat / Du a biſt mein Son / Heute hab ich dich gezeuget.
8Heiſſche von mir / So wil ich dir die Heiden zum Erbe geben / Vnd der Welt ende zum Eigenthum.
9Du ſolt ſie mit einem eiſern Scepter zuſchlahen / Wie Töpffen ſoltu ſie zeſchmeiſſen.
10So laſſt euch nu weiſen jr Könige / Vnd laſſt euch züchtigen jr Richter auff Erden.
(Dienet)
Seid gehorſam vnterthenig.
b
Oder alſo / Huldet dem Sone.
c
Das iſt / in ewr weiſe vnd weſen.
11Dienet dem HERRN mit furcht / Vnd frewet euch mit zittern.
12Küſſet b den Son / Das er nicht zürne / vnd jr vmbkomet c auffm wege / Denn ſein zorn wird bald anbrennen / Aber wol allen die auff In trawen.
❦
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Kürzel | Bezeichnung in Luthers Biblia 1545 | Moderne Bibel | Kürzel |
Ac. | Der Apoſteln Geſchicht / beſchrieben von S. Lucas.Biblia Vulgata: | Die Apostelgeschichte des Lukas Apostelgeschichte | Apg Apg Apg |
Ebre. | Die Epiſtel an die Ebreer.Biblia Vulgata: | Der Brief an die Hebräer Hebräerbrief | Hebr Hebr Hebr |
Erläuterungen siehe Liste der Abkürzungen und Namen biblischer Bücher | |||
Die folgenden Begriffe aus dem Text Ps 2 werden hier erläutert.
Versnummer: Luthers Wort | |||
1: Heiden | 2: herr | 2: HERR | |
2: Geſalbte | 3: zureiſſen | 4: ſpotten | |
5: grim | 6: heiligen | 6: Zion | |
8: Heiſſche | 9: Scepter | 9: zuſchlahen | |
9: Töpffen | 9: ſoltu | 9: zeſchmeiſſen | |
10: weiſen | 10: züchtigen | 11: frewet euch | |
12: auffm | 12: trawen | ||
Klick auf ein Wort führt zum Eintrag mit den Erklärungen. Das vollständige Verzeichnis findet sich hier: Das große Stilkunst.de–Wörterbuch zur Lutherbibel von 1545 |
Luther-Deutsch | Deutsch | Erläuterungen | ||||||||
Heiden | Heiden, die
Heide, der Heiden
Im Alten Testament nur im Plural gebräuchlich.
(eigtl. Völker). Im religiösen Sinn sind Heiden Menschen, die nicht an Gott glauben bzw. angehörige fremder Religionen.
Gemeint sind (allumfassend) Völker mit fremden Religionen und fremden Gotteskulten aus der Sicht des Sprechenden in Abgrenzung zum Volk Gottes, die anderen bzw. fremden Völker.
vnd [ſie] ſprachen zu jm [d. i. Samuel] / Sihe / Du biſt alt worden / Vnd deine Söne wandeln nicht in deinen wegen / So ſetze nu einen König vber vns / der vns richte / wie alle Heiden haben.
... und sie sprachen zu Samuel: »Schau, du bist alt geworden und deine Söhne wandeln nicht auf deinen Wegen. Setze daher einen König ein, der über uns Recht spreche, so, wie ihn alle anderen Völker haben!«
Im Neuen Testament verwendet Luther das Wort auch im Singular.
Unsere Übersetzung »Ungläubiger« trifft es nicht ganz: Gemeint ist in den Texten eigentlichen eine Person, die einem anderen Staat angehört und daher eine andere Religion ausübt. Der Begriff »Ausländer« würde allerdings in der heutigen Zeit noch weniger passen.
Höret er die Gemeine nicht / So halt jn als einen Heiden vnd Zölner.
Hört er nicht auf die Gemeinde, dann halte ihn für einen Ungläubigen und Zöllner.
So aber jemand die ſeinen / ſonderlich ſeine Hausgenoſſen / nicht verſorget / der hat den glauben verleugnet / vnd iſt erger denn ein Heide.
Wenn aber jemand die Seinen, insbesondere seine Mitbewohner, nicht versorgt, dann hat er den Glauben verleugnet, und er ist schlimmer als ein Ungläubiger.
SK Version 25.09.2024 ● | ||||||||
Herr | Herr, der Herr oder herr
In der Lutherbibel bezeichnet diese Schreibweise einen Menschen, einen Mann, meist in gehobener oder angesehener Position.
Wichtig:
Davon zu unterscheiden sind die Schreibweisen »HERR« (in Großbuchstaben) und »HErr« (zwei Großbuchstaben, gefolgt von zwei Kleinbuchstaben)
Lieben Herrn / wie lang ſol meine Ehre geſchendet werden?
Liebe Herren, wie lange soll meine Ehre [noch] geschändet werden?
Luther erklärt im Scholion, wen er hier mit »Herrn« meint. Nun ist verständlich, warum der erste Buchstabe, das große »H«, in Antiquaschrift gesetzt ist (siehe unsere Erläuterungen zur Typografie).
Luther: (Herrn) Das iſt / Jr groſſen Hanſen vnd was etwas gelten wil.
SK Version 21.11.2024 ● | ||||||||
HERR | HERR, JHWH, Jahwe Aussehen in unseren Frakturschriften: HERR oder HERR
HERR im Alten Testament
hebräisch: יהוה (jhwh, das Tetragrammaton JHWH) lateinisch (Biblia Sacra Vulgata): Dominus, Herr
Luthers Schreibweise HERR in Versalien (Großbuchstaben) folgt einer festen Regel. Sie weist darauf hin, dass im hebräischen Text an dieser Stelle das Tetragrammaton (das Vierfachzeichen) »JHWH« (hebr.: יהוה) steht. Es ist der unaussprechliche Name Gottes.
Satztechnisch bedingte Varianten
Um beim Satz der Lettern Platz in einer Zeile zu sparen, wodurch übermäßiger Sperrdruck oder ungünstige Wortumbrüche vermieden werden, sind in der Lutherbibel von 1545 häufig auch die Varianten HERr oder HERRn oder HERrn zu finden. Dabei sind mindestens die ersten drei Zeichen in Versalien gesetzt, womit sie hinreichend von HErr unterscheidbar sind.
An wenigen Stellen im Text wurde eine für uns unübliche Trennung im Wort vorgenommen, um einen Zeilenumbruch zu realisieren, hier beispielhaft gezeigt:
[ ...] fur den HER- RN bringen [...]
HERR HErr
Der Ausdruck HERR HErr steht dann, wenn im hebräischen Text »JHWH Adonaj« zu lesen ist. (Siehe dazu auch den Artikel HErr.)
Auch die umgekehrte Reihenfolge HErr HERR ist möglich (»Adonaj JHWH«).
4bSo ſpricht der HErr HERR / 5aſie gehorchen oder laſſens /
Die neuen Lutherbibeln übersetzen diesen Ausdruck stets mit »Gott der HERR«.
Die Aussprache des Namens Gottes
Das Wissen um die Aussprache der vier Zeichen, die den Gottesnamen ausmachen, ist schon früh in der Geschichte verloren gegangen. Sie werden heute oft mit »Jahwe« (vokalisiert geschrieben יְהוָה nach der Aussprache des hebräischen Adonaj, Herr) oder »Jehova« (יְהוָֹה ebenfalls nach dem hebräischen Adonaj, Herr, jedoch unter Berücksichtigung aller Vokale) transkribiert, aber auch mit »Jewah« (ebenfalls יְהוָה aber nach dem hebräischen Schema, der Name, zu lesen) oder »Jehowih« (יְהוִה nach dem hebräischen Elohim, Gott / Götter).
Luthers Namensersatz
Luther kannte die vokalisierten Varianten und die transkribierten Formen und war wohl besonders dem Wort »Jehova« zugeneigt. Es bezieht alle drei Vokale aus dem Wort Adonaj, das »Herr« bedeutet. Dennoch hatte er es vermieden, in seiner Übersetzung »Jehova« zu verwenden. Stattdessen nutzte er wie die lateinischen Bibeln einen Wortersatz. Er setzte das deutsche Wort ein, das gemäß der jüdischen Tradition zu lesen sei, wenn im Text das Vierfachzeichen erscheint, machte es aber durch die besondere Satzweise in Großbuchstaben kenntlich: HERR.
Luthers Schreibweise hat sich bis heute in etlichen Bibelausgaben gehalten.
HERR im Neuen Testament
Im neuen Testament verwendet Luther die Schreibweise HERR in Versalien (Großbuchstaben) für Gott, den Vater, an Stellen, wo sich Zitate aus dem Alten Testament auf »JHWH« beziehen.
Wichtig: Davon zu unterscheiden sind die Schreibweisen
SK Version 21.11.2024 ● | ||||||||
Geſalbte
Geſalbete | Gesalbte, der Mensch, der durch Salbung geweiht und geheiligt ist.
1. Nach biblischer Sitte bezeichnet der Begriff Könige. U. a. beinhaltet das Ritual der Krönung die Salbung mit wertvollen Ölen.
2. »Der Gesalbte« bezeichnet den Messias, den von den Juden erwarteten mächtigen König: Wir haben den Messias funden (welches ist verdolmetscht der Gesalbete) (Joh 1,14).
Der Gesalbte: - hebräisch: משיח, Messias - in griechischer Transkription: Μεσσίας, Messias - ins Griechische übersetzt: Χριστός, Christos - latinisiert: Christus.
3. Ein Gesalbter ist ein Eingeweihter, einer der mit den Geheimnissen einer Gesellschaft, eines Bundes u. s. w. bekannt ist.
Bezeichnung für den König
Der ſeinem Könige gros Heil beweiſet vnd wolthut ſeinem Geſalbeten / Dauid vnd ſeinem Samen ewiglich.
Der seinem König große Hilfe erweist, der seinem Gesalbten Gutes tut, David und allen seinen Nachkommen
SK Version 25.09.2024 ● | ||||||||
zureiſſen
zureis | zerreißen (Verb)
zerriß (3. Pers. sing. Imperf.)
Laſſet vns zureiſſen jre Bande / Vnd von vns werffen jre Seile.
Lasst uns ihre Bande zerreissen und ihre Seile von uns werfen.
Sie haben dein Geſetze zuriſſen.
Sie haben dein Gesetz zerrissen.
SK Version 21.11.2024 ● | ||||||||
ſpotten | spotten (Verb) Spott treiben, Hohn äußern in Worten, Gebärden und Verhalten.
Aber der im Himel wonet lachet jr / Vnd der HERR ſpottet jr.
Gemeint ist hier die Verhöhnung derer (jr, ihr), die sich gegen den HERRN und seinen Gesalbten auflehnen (siehe Vers 2), durch Gott, der im Himmel wohnt und lacht. – Ein sehr plastisches, trotz allem Ernstes auch humorvoll gezeichnetes Bild.
SK Version 25.09.2024 ● | ||||||||
Grim
grim | Grimm, der | ||||||||
heilig | heilig (Adjektiv) (In Abgrenzung zum Irdischen:) göttlich vollkommen und verehrungswürdig.
Das Adjektiv kommt häufig vor in den Verbindungen:
u.a.
Ort, Boden: 2Mos 3,5:
Er ſprach / Trit nicht herzu / zeuch deine ſchuch aus von deinen Füſſen / Denn der Ort / da du auffſteheſt / iſt ein heilig land.
Er [GOTT] sprach: »Komme nicht näher! Ziehe deine Schuhe aus von deinen Füßen! Denn der Boden, auf dem du stehst, ist heiliges Land.«
Tätigkeiten: 2Mos 16,23:
Das iſts / das der HERR geſagt hat / Morgen iſt der Sabbath der heiligen ruge des HERRN /
Das ist es, was der HERR gesagt hat: »Morgen ist der Sabbat der heiligen Ruhe des HERRN.«
Gegenstände: 2Mos 28,2:
Vnd ſolt Aaron deinem Bruder heilige Kleider machen / die herrlich vnd ſchön ſeien.
Und [ihr] sollt Aaron, deinem Bruder, heilige Kleider machen, die herrlich und schön seien.
Menschen: 2Mos 19,6:
Vnd jr ſolt mir ein prieſterlich Königreich / vnd ein heiliges Volck ſein.
Und ihr sollt mir ein priesterliches Königreich und ein heiliges Volk sein.
GOTT: Offb 4,8:
[...] vnd ſprachen / Heilig / heilig / heilig iſt der Gott der HERR / der Allmechtige / der da war / vnd der da iſt / vnd der da kompt.
[...] und sprachen: Heilig, heilig, heilig ist der Gott, der HERR, der Allmächtige, der da war, und der da ist, und kommt und da sein wird.
SK Version 25.09.2024 ● | ||||||||
Zion
berg Zion
berg Gottes
des HERRN Berg
der heilige Berg | Zion, der Berg Zion, der Der in der Bibel genannte Berg Zion ist der Tempelberg in Jerusalem. Er steht als Synonym für den Wohnsitz des Gottes JHWH.
König David eroberte Jerusalem sowie den Berg Zion südlich der Stadt (Südosthügel) mit der Burg Zion und machte Jerusalem zu seinem Königssitz. Salomo hatte das Stadtgebiet auf den angrenzenden Nordosthügel ausgeweitet, in dem er dort (wo sich heute der Felsendom befindet) einen Tempel errichtete. Der Name Zion bezeichnet nun diesen Hügel, den Tempelberg. Die Bezeichnung »Zion« ist allerdings in der Bibel unterschiedlich verwendet: In der am engsten gefassten Vorstellung bezeichnet Zion den Tempelberg. Das Wort kann aber auch für ganz Jerusalem, die heilige Stadt Jahwes, stehen. An einigen Stellen in den biblischen Texten können damit auch die Bewohner Jerusalems, bzw. das gesamte Volk oder alle Städte Judäas gemeint sein. Der in Jerusalem heute so genannte »Mount Zion«, südwestlich der alten Stadtmauer gelegen, erhielt diesem Namen, nachdem der kleine Berg im Mittelalter irrtümlich als Berg Zion identifiziert worden war. Neuere Forschungen bestätigten jedoch: Er ist nicht mit dem biblischen Berg Zion identisch. Der Berg behielt aber diesen offiziellen Namen.
Abbildung: Jerusalem, der Tempelberg und der Berg Zion Foto: 2015, © Sabrina | Reiner
SK Version 25.09.2024 ● | ||||||||
heiſſchen
heiſchen | heischen (Verb) mit Nachdruck verlangen, fordern
heiſſen, heiſchen
* In diesem Artikel sind alle Fundstellen zitiert.
fordert nur getroſt von mir Morgengabe vnd Geſchenck / ich wils geben / wie jr heiſſchet /
fordert nur getrost von mir Morgengaben und Geschenke. Ich will es geben, wie ihr es verlangt.
Heiſſche von mir / So wil ich dir die Heiden zum Erbe geben /
Verlange es von mi, dann will dir die fremden Völker zum Erbe geben..
Die jungen Kinder heiſchen Brot / vnd iſt niemand / ders jnen breche.
Die kleinen Kinder verlangen nach Brot, und da ist niemand, der es ihnen breche.
SK Version 21.11.2024 ● | ||||||||
Scepter
ſcepter | Zepter, das Scepter, ſcepter
besonders verzierter Stab, Insigne der Macht des Herrschers
Das ſcepter deines Reichs iſt ein gerade ſcepter.
Das Zepter deines Reichs ist ein gerechtes Zepter.
SK Version 25.09.2024 ● | ||||||||
zerſchlagen
zeſchlagen
zurſchlagen
zuſchlagen | zerschlagen (Verb) 1. von Gegenständen: in Stücke schlagen 2. von (menschlichen) Leibern: in Stücke hauen, zerteilen, zerschmettern 3. durch Schlagen verletzen, Wund schlagen
Hinweis: Luther verwendet ohne Unterscheidung:
Die Vorsilben »ze(r)-« und »zu(r)-«
Zur Verwendung der Vorsilben »zer«, »ze«, »zur« und »zu« in der Lutherbibel von 1545 siehe den Artikel:
Das die Gebeine frölich werden / die du zeſchlagen haſt.
Damit die Knochen fröhlich werden, die du zerschlagen hast.
Du ſolt ſie mit einem eiſern Scepter zuſchlahen / Wie Töpffen ſoltu ſie zeſchmeiſſen
Du sollst sie mit einem eisernen Zepter zerschlagen. Du sollst sie wie Tontöpfe zerbrechen!
SK Version 25.09.2024 ● | ||||||||
Töpffen | Töpfe, die Töpferwaren, Töpfe aus Ton.
Plural von: Topf, der
Bezeichnet das besonders in der Küche verwendete Gefäß, sowohl das mehr breite, in dem gekocht wird, als auch das mehr hohe, das zur Aufbewahrung von Nahrungsmitteln diente.
SK Version 25.09.2024 ● | ||||||||
ſoltu | sollst du (Verb) 2. Person Singular Indikativ Aktiv von sollen (Verb)
Präsens: ſoltu: sollst du -u: Die Flexion mit dem angehängten »u« ist eine eigentümliche Form, die sonst nur noch aus älteren Texten bekannt ist. Gebildet wurde sie aus der 2. Person, zusammengezogen mit dem Personalpronomen »du«, aus dem das »u« stammt. Diese Form impliziert eine gewisse Dringlichkeit und Direktheit der Ansprache, die unmittelbare Hinwendung zum Gegenüber. So kann es die unzweifelhafte Feststellung des Handelns, die dringliche Ansprache oder die unmittelbare Aufforderung zum Handeln bedeuten (Indikativ in der Aussage), die Erfüllung einfordern, mutmaßen bzw. unterstellen (Konjunktiv), oder zur Antwort und Erklärung auffordern (Verb in der Frage).
Heute ist stattdessen das Verb in seiner gebräuchlichen Flexion verbunden mit »du« zu verwenden. Die Direktheit oder eine Aufforderung kann bestenfalls durch eine Sinn tragende Beifügung umschrieben werden abhängig vom Kontext. Sie kann ggf. durch einen Imperativ herausgestellt werden. ſoltu: du sollst (tunlichst, unbedingt)!
Vnd wenn du beteſt / ſoltu nicht ſein wie die Heuchler ...
a) unterstrichen: Und wenn Du betest, sollst Du tunlichst nicht sein wie die Heuchler ... b) umschrieben: Und wenn Du betest, darfst Du Dich keinesfalls wie die Heuchler verhalten ... c) Imperativ: Und wenn Du betest, sei nicht wie die Anmerkungen zum Text in Mt 6,5:
Die lateinische Biblia Vulgata bietet in Mt 6,5 den Text: et cum oratis non eritis sicut hypocritae
Das entscheidende Wort eritis (von: esse, sein) liegt vor in der 2. Person Plural Futur I Indikativ Aktiv. Die wörtliche Übersetzung hieße:
Und wenn ihr betet, werdet ihr nicht sein wie die Heuchler
1. Luther benutzt als Textglättung den Singular (»du« statt »ihr«), weil der vorangehende Abschnitt vom Almosengeben ( Mt 6,1-4) ebenfalls im Singular verfasst ist und den Einzelnen anspricht.
2. Das lateinische Konstrukt non eritis ist in diesem Zusammenhang nur als Aufforderung für künftiges Verhalten zu verstehen, nicht als Beschreibung eines künftig von allein eintretenden Zustands:
Und wenn ihr betet, seid nicht wie die Heuchler
Luther umschreibt Aufforderungen, göttlichen Geboten zu folgen, regelmäßig mit sollen. Aus dem wörtlich übersetzten »werdet ihr nicht sein« bzw. aus der Anpassung »seid nicht« wird bei ihm folgerichtig ſoltu nicht.
Sechs tage ſoltu erbeiten / vnd alle dein ding beſchicken.
a) umschrieben: Sechs Tage hast du zu arbeiten und deine Aufgaben zu erledigen. b) Imperativ: Arbeite sechs Tage und erledige deine Aufgaben! c) umgangssprachlich: Sechs Tage hast du Zeit, dein Ding zu machen.
SK Version 25.09.2024 ● | ||||||||
zerſchmeiſſen
zeſchmeiſſen
zurſchmeiſſen
zuſchmeiſſen | zerschmeißen (Verb) Kompositum zu schmeiſſen, schmeißen (Verb)
durch Wurf aus der Ferne, durch Niederwerfen auf den Erdboden oder durch gewaltsamen Schlag:
etwas vollständig, gänzlich in Stücke werfen, in Stücke hauen, zerschlagen
zerſchmeiſſen
* In diesem Artikel sind alle Fundstellen zitiert.
Sämtliche Vorkommen des Verbs zerſchmeiſſen finden sich in Jer 51, dort in den Versen 21-23.
Hinweis: Luther verwendet ohne Unterscheidung:
Die Vorsilben »ze(r)-« und »zu(r)-«
Zur Verwendung der Vorsilben »zer«, »ze«, »zur« und »zu« in der Lutherbibel von 1545 siehe den Artikel:
21Ich wil deine Roſſe vnd Reuter zerſcheitern / Ich wil deine Wagen vnd Furmenner zerſchmeiſſen. 22Ich wil deine Menner vnd Weiber zerſchmeiſſen / Ich wil deine alten vnd Jungen zerſchmeiſſen / Ich wil deine Jünglinge vnd Jungfrawen zerſchmeiſſen. 23Ich wil deine Hirten vnd Herde zerſchmeiſſen / Ich wil deine Bauren vnd joch zerſchmeiſſen / Ich wil deine Fürſten vnd Herrn zerſchmeiſſen.
21Ich will deine Pferde und Reiter in Stücke hauen. Ich will deine Wagen und Wagenlenker in Stücke hauen. 22Ich will deine Männer und Weiber in Stücke hauen. Ich will deine Alten und Jungen in Stücke hauen. Ich will deine jungen Männer und Frauen in Stücke hauen. 23Ich will deine Hirten und Herden in Stücke hauen. Ich will deine Bauern und [ihre] Gespanne in Stücke hauen. Ich will deine Fürsten und Herrscher in Stücke hauen.
Anmerkung zu Jer 51,21-23:
Die Lutherbibel 2017 verkürzt die Aufzählungen versweise, wohl um die ständige Wiederholung des Wortes zerſschmeiſſen (dort: zerschmettern) zu vermeiden:
21Durch dich zerschmettere ich Rosse und Reiter, Wagen und Fahrer. 22Durch dich zerschmettere ich Männer und Frauen, Alte und Junge, Jünglinge und Jungfrauen. 23Durch dich zerschmettere ich Hirten und Herden, Bauern und Gespanne und Fürsten und Herren.
Dadurch geht allerdings die Dramatik verloren, die in dieser Aufzählung steckt. Es handelt sich nicht um eine bloße Bestandsaufnahme. Vorstellbar ist viel eher eine Szene, in der der Sprecher erregt im Raum läuft und dabei aus dieser Erregung ein Wortpaar (»Wagen und Wagenlenker«, usw.) nach dem anderen spricht. Immer heftiger ist er zugange, immer benutzt er das selbe Verb, was die Erregung und den Zorn unterstreicht, die diese Szene bestimmen, und was in sein fatales Urteil in Vers 24 mündet.
Die Wortpaare dienen dazu, jeweils die Vollständigkeit in einem Bereich zu unterstreichen (nicht nur die Bauern, auch ihre Gerätschaft, usw.). Die zahlreichen Wortpaare verdeutlichen letztendlich, dass alle Menschen im Land und ihr Lebensraum betroffen sind, ohne Ausnahmen.
Die Kernaussage dieses Abschnitts ist (im Zusammenhang mit den Versen 20 und 24): Ihr ward mir ein gutes Werkzeug (»Hammer« und »Kriegswaffe«, Vers 20) gegen andere Völker, und ihr habt alles niedergemetzelt. Aber nun trifft es euch wegen eurer Bosheit auf gleiche Weise! (Vers 24). Was den Chaldäern zustoßen soll, ist in den Versen 21-23 dramatisch vorgetragen.
Der hebräische Text verwendet für diese Schilderung wie Luther jeweils ein Wortpaar und immer das selbe Verb (וְנִפַּצְתִּי, wənippaṣətiy, »und ich zerschlug«). Hier ist Luther 1545 sowohl formal wie auch in der beabsichtigten Aussage deutlich dichter am hebräischen Text als die neue Übersetzung der Lutherbibel 2017.
Wie Töpffen ſoltu ſie zeſchmeiſſen.
Schlag sie in Stücke, als wären es Tontöpfe!
Aber Gott wird den Kopff ſeiner Feinde zuſchmeiſſen ſampt jrem Harſcheddel.
Aber Gott wird den Kopf seiner Feinde zerschmettern mitsamt ihrem Haarschopf.
SK Version 25.09.2024 ● | ||||||||
weiſen | weisen (Verb, veraltet) lehren, belehren anweisen, hinweisen, aufweisen, erweisen, beweisen
So laſſt euch nu weiſen jr Könige
So lasst euch belehren, ihr Könige!
Könige, die höchsten Entscheidungsträger im Staat, erklären i. d. R. ihre Entscheidungen als gottgegeben, als unbezweifelbar und als weise. Sie geben die Anweisungen. Dieser Spruch verlangt von ihnen, sich eines Besseren belehren und sich selbst anweisen zu lassen.
SK Version 25.09.2024 ● | ||||||||
züchtigen | züchtigen (Verb) eigentlich: aufziehen, züchten von Pflanzen und Tieren
durch Zucht die Erziehung bewirken
a) als Maßnahme, die der sittlichen und geistigen Besserung dient b) als Strafe im Sinne der Vergeltung c) als körperliche Strafe durch Schläge
laſſt euch züchtigen jr Richter auff Erden.
lasst euch züchtigen, ihr Richter auf Erden!
Im Sinne von: Lasst euch zu sittlicher und geistiger Reife führen (erziehen), ihr Richter auf Erden!
Üblicherweise verhängen Richter die Züchtigung als Strafe zum Zweck der Besserung. Dieser Spruch in Psalm 2,10 verlangt von ihnen, sich selbst der Züchtigung zu stellen.
SK Version 25.09.2024 ● | ||||||||
frewen
ſich frewen | freuen (Verb)
sich freuen (Verb) Luther verwendet in seiner Bibelübersetzung ausschließlich das reflexive »sich freuen«.
So würde Jacob frölich ſein / vnd Jſrael ſich frewen.
SK Version 25.09.2024 ● | ||||||||
auffm | auf dem (Präposition und Artikel)
auf einem auffm scheint eine umgangssprachliche Zusammenziehung der Präpostion auf mit dem Artikel im Dativ (bestimmt oder unbestimmt) zu sein, die Luther hier zu Druck brachte. Das Wort ist weiterhin nicht verwendet. Aus dem Scholion zu Luthers Vorrede auf den Psalter
Menſchen herz iſt wie ein Schiff auffm Meer etc.
Des Menschen Herz ist wie ein Schiff auf dem Meer, etc.
Küſſet den Son / Das er nicht zürne / vnd jr vmbkomet auffm wege
Küsst den Sohn, damit er nicht erzürnt und ihr auf dem Weg umkommt.
Du wolteſt mich füren auffm hohen Felſen.
Du wollest mich führen auf einen hohen Felsen.
SK Version 25.09.2024 ● | ||||||||
trawen | trauen (Verb) a) glauben, vertrauen, zutrauen, hoffen b) vermuten, denken, meinen c) fest vertrauen, fest glauben d) jemandem etwas zutrauen e) glauben, Vertrauen schenken, seine Zuversicht setzen auf f) gläubig, zuversichtlich sein g) leichtgläubig, vertrauensselig sein
Las mich nicht zu ſchanden werden / Denn ich trawe auff dich.
SK Version 21.11.2024 ● | ||||||||
Erläuterungen siehe Das große Stilkunst.de–Wörterbuch zur Lutherbibel von 1545 | |||||||||
Der Text aus der Lutherbibel ist auf unseren Seiten in Anlehnung an das Druckbild des Originals von 1545 wiedergegeben.
Den Seitenaufbau, die verwendeten Schriften, die Schreibregeln der Frakturschrift und Luthers Intentionen, mit der Typografie Lesehilfen bereitzustellen, erläutert dem interessierten Leser unser Artikel »Satz und Typografie der Lutherbibel von 1545«.
Der Artikel zeigt Spruch, Psalm, Liedauswahl und Bibeltexte für Lesungen und Predigten nach der Kirchenordnung.
Nach Sonnenuntergang am 24. Dezember 2023
Der Artikel zeigt Spruch, Psalm, Liedauswahl und Bibeltexte für Lesungen und Predigten nach der Kirchenordnung.
Die Nacht vom 24. auf den 25. Dezember 2023
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25. Dezember 2023
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