Hrabanus Maurus
(† 4. Februar 856 in Winkel im Rheingau)
Tag der hl. Veronika, Jüngerin Jesu
Der Veronikatag in den Jahren 2026 bis 2033
Verweise führen zu den Kalenderblättern des jeweiligen Datums:
Der Gedächtnistag für Veronika wird heute überwiegend als Namenstag praktiziert. Er zählt aber zu den wenigen Namenstagen, die häufiger Erwähnung finden und allgemein eher bekannt sind. Wohl nicht zuletzt deshalb, weil mit Veronika eine hübsche Legende verknüpft ist, die als Motiv in der Kunst und als Vorlage für Kinofilme immer wieder aufgegriffen wird.
Abbildung: Veronika mit dem Schweißtuch
Ausschnitt aus einem Fresko im Münster »Unserer Lieben Frau« in Radolfzell am Bodensee
Foto: © Sabrina | Reiner | www.stilkunst.de | Lizenz CC BY-SA
Erst im 12. Jahrhundert kommt in der römisch-katholischen Kirche die Legende von Veronika und dem Schweißtuch auf. Biblisch ist die Erzählung nicht belegt. Auch andere Schriften der Urchristen und der frühen christlichen Gemeinden kennen die Geschichte nicht. Wir dürfen also davon ausgehen, dass diese Legende jeder historischen Wahrheit entbehrt. Kurz: Sie ist frei erfunden.
Lässt man aber die historischen Fakten außer acht, bleibt eine Geschichte übrig, die uns nahe geht. Nicht umsonst ist diese Legende ein beliebtes Motiv in der Kunst geworden.
Veronika ist der Legende nach eine Jüngerin Jesu, die ihm auf seinem Weg zum Kreuz ein Schweißtuch reicht, womit sich Jesus sein Gesicht abtrocknet. Dabei prägt sich das Antlitz Jesu auf wunderbare Weise in das Tuch ein.
Diese Version wird insbesondere durch den Kreuzweg Christi tradiert, auf dem Veronika die Zentralfigur der 6. Station ist. An der Via Dolorosa in Jerusalem steht eine Stele mit der Aufschrift »6. Station / Hier hatte die fromme Veronica das Gesicht Christi mit einem Tuch abgewischt«. Unzählige Gemälde, überwiegend in katholischen Kirchen, zeigen Veronika mit dem Schweißtuch an der 6. Station des Kreuzwegs.
Nach einer anderen Version der Legende soll Veronika durch ein Wunder dieses Tuch mit dem Christusbild zuteilgeworden sein. Die ältesten deutschen Darstellungen sind Gemälde aus dem 14. Jahrhundert: die Heilige mit dem Schweißtuch auf einem Tafelgemälde von Hermann Wynrich (Alte Pinakothek, München) und das Veronikabild von Meister Wilhelm (Wallraf-Richartz-Museum, Köln).
Veronika gehört zu den populärsten Heiligengestalten des Spätmittelalters und des Barocks. Sie erscheint als die Zentralgestalt der 6. Station des Kreuzweges Christi, an der sie Christus das Schweißtuch entgegenhält, in das dieser sein Antlitz einprägt.
Viele Künstler haben seither das Veronika-Motiv aufgegriffen oder das Schweißtuch zum Thema ihrer Bilder gemacht.
Im Nikodemus-Evangelium (Acta Pilati, nicht-biblische, apokryphe Evangelienschrift) heißt Veronika noch Beronice. Doch wie kommt es zu diesen unterschiedlichen Namen?
Veronika ist vom makedonischen Namen Berenike (von griechisch pherenike) abgeleitet und bedeutet Siegbringerin.
Ein sehr früher Erklärungsversuch für die Menschen des christlichen Abendlandes steckt in dieser Interpretation einer weiteren Veronika-Legende:
Beronike wünschte sich, jederzeit ein Bild ihres Herrn mit sich tragen zu können. Deshalb betraute sie eines Tages einen Maler mit der Aufgabe, ein solches Gemälde anzufertigen. Als sie zu dem Atelier des Künstlers unterwegs war, begegnete ihr Christus. Er befragte sie zu dem Ziel ihrer Unternehmung und verlangte daraufhin nach ihrem Tuch. Mit dem Abdruck seines Antlitzes gab er es ihr zurück. Beronike reiste nach Rom, wo sich die Heilkraft des Tuches erwies: Kaiser Tiberius wurde durch den Anblick des göttlichen Bildes gesund.
Beronike gilt damit als Überbringerin des »vera ikon« (deutsch: des wahren Bildes) und es sei diese Botschaft, die sich hinter dem Namen Veronika verbirgt.
Diese Legende ist offensichtlich mit den in Rom aus Byzanz eingeführten wundertätigen Christus-Ikonen entwickelt worden.
Nach der Überlieferung ist die Via Dolorosa jener Straßenzug, auf dem Jesus vom Amtssitz des römischen Statthalters Pontius Pilatus durch Jerusalem zur Hinrichtungsstätte am Hügel Golgatha geführt wurde. Auf einem Großteil der Strecke musste Jesus sein Kreuz selbst tragen, weshalb die Straße heute als »Kreuzweg« ausgestaltet ist. Die ersten acht der 14 Stationen des Kreuzwegs befinden sich auf der Via Dolorosa, die übrigen in der Grabeskirche.
Abbildung: Via Dolorosa in Jerusalem
Stele an der an der 6. Station des Kreuzwegs Christi
Foto: Dezember 2015, ©Sabrina Reiner| Lizenz CC BY-SA
Die Stele trägt die lateinische Inschrift:
6 ST / PIA VERONICA FACIEM CHRISTI LINTERO DETERCI
In etwa: »6. Station / Hier hatte die fromme Veronica das Gesicht Christi mit einem Tuch abgewischt.«
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Abbildung: Via Dolorosa in Jerusalem
Abschnitt zwischen der 5. und 6. Station des Kreuzwegs Christi
Foto: Dezember 2015, ©Sabrina Reiner| Lizenz CC BY-SA
Der Weg zum Hügel Golgatha steigt an. Die enge Straßenschlucht vermittelt ein gutes Bild des historischen Jerusalems. Der Brauch, an gut besuchten Stellen Geschäfte jeder Art zu treiben, ist bereits in der Bibel beschrieben (Mt 21,12: »Und Jesus ging in den Tempel hinein und trieb heraus alle Verkäufer und Käufer im Tempel und stieß die Tische der Geldwechsler um und die Stände der Taubenhändler.«). Allerdings nicht für diese Gasse, die damals wohl kaum Bedeutung hatte und in der anders als heute wohl nur wenig Handel betrieben wurde. Sie ist heutzutage eben gut besucht!
Gedanken über den möglichen Sinn des Tages im Kalender
Der Veronikatag, der 4. Februar, ist kein offizieller Tag der Zivilcourage. Wir meinen aber, dass sich dieser Tag dafür besonders eignet.
Zivilcourage ist der Mut, den aufbringen muss, wer sich öffentlich einsetzen will für die Wahrung ethischer, humaner oder gesellschaftlicher Werte und dabei erhebliche Risiken für die eigene Sicherheit eingeht, weil ein deutliches Ungleichgewicht der Machtverhältnisse besteht zu seinen Ungunsten.
Auch dann, wenn die Geschichte der Veronika, nach der sie Jesus auf seinem Weg vom Ort der Geißelung zur Kreuzigungsstätte Golgatha mit einem Leinentuch das Gesicht abgewischt haben soll, sich gar nicht zugetragen hat, so beschreibt sie doch genau das, was wir heute Zivilcourage nennen.
Veronikas Handeln erfüllt alle Merkmale der Zivilcourage: Mutig tritt sie öffentlich ein für Menschlichkeit, obwohl ihr die Risiken bewusst sein müssen, die sie eingeht, wenn sie einem verurteilten Gefangenen der Römer und der jüdischen Priester unter deren Augen beisteht. Wie groß diese Risiken einzuschätzen sind, zeigt die Geschichte der Verleugnung Jesu durch Petrus, der um sein Leben fürchtete, wenn er als Anhänger Jesu erkannt würde ( Mt 26,69-75).
Die Motive der Veronika sind unklar. War sie eine Anhängerin Jesu? Handelte sie gemäß jesuanischen, »christlichen« Lehren? Hatte sie Jesus persönlich kennengelernt? Es wird darauf verwiesen, dass es sich um die blutflüssige Frau handeln soll, die Jesus einst heilte ( Mk 5,25-34 und Mt 9,20-22). Stand sie ihm persönlich nahe? Oder war sie einfach eine Frau am Wegesrand, die spontan vom Leid des gepeinigten Opfers ergriffen war und ihren menschlichen Instinkten folgte, Hilfe leisten zu müssen?
Ihre Motive sind für uns unerheblich. Ihre Tat ist wichtig!
Veronika trat gemäß dieser Legende ein für Menschlichkeit gegenüber Opfern, für Menschlichkeit gegenüber Gefangenen. Sie trat zugleich ein gegen Grausamkeit, gegen Folter und Schmerz, gegen Unmenschlichkeit.
Veronika trat ein für Werte, die für unser gesellschaftliches Leben und für das Miteinander der Menschen ein stabiles Fundament bereiten: Menschlichkeit und Nächstenliebe.
Damit steht für uns Veronika als Symbol für Zivilcourage.
Welcher Tag sollte sich als »Tag der Zivilcourage« besser anbieten, als der Gedenktag der Veronika, an dem ihrem Handeln gedacht wird?
Wir jedenfalls haben diesen Tag so in unseren Kalender aufgenommen.
Dieser Tag erinnert uns daran, dass wir mutig eintreten sollten – im Rahmen unserer Möglichkeiten! – gegen Gewalt und für Menschlichkeit. Chancen tun sich dafür immer wieder auf. Auch in unserem Alltag. Auch in der Familie, im Bekanntenkreis, in der Nachbarschaft oder am Arbeitsplatz: Vorurteile, üble Nachrede, Verleumdungen, Verunglimpfung, Mobbing – das alles macht Opfer.
Wenn Menschen in unserer Nähe zu Opfern gemacht werden, haben wir die Wahl:
Wir können Mittäter werden, weil uns beispielsweise Gruppenzwänge nötigen oder uns andere geschickt verführen. Wir können es ignorieren, weil es uns an Empathie fehlt und es uns gleichgültig ist. Wir können wegsehen, weil uns die Risiken zu groß erscheinen oder wir uns machtlos fühlen. Oder wir treten ein für die Wahrung ethischer, humaner und gesellschaftlicher Werte, die uns selbst wichtig sind. Im Rahmen unserer Möglichkeiten.
Gedanken über Veronika
Wir haben den Veronikatag in unseren Kalender der Gedenktage gegen Gewalt aufgenommen, denn wir sehen in der Tat der Veronika einen mutigen Schritt, sich für Opfer einzusetzen.
Die Legende des Schweißtuchs konzentriert sich in ihren Kern darauf, Jesus als Sohn Gottes , als Messias, als Christus zu bewahrheiten. Es ist ein göttliches Wunder, dass sich, nachdem sich Jesus mit dem Tuch das Gesicht abgetrocknet hatte, Abdrücke seines Antlitzes darin konserviert haben.
Wir sehen in der Geschichte der Veronika noch einen anderen Aspekt, der uns mehr zu denken gibt.
Stellen Sie sich die Szene vor: Jesus, umringt von römischen Soldaten, die ihn mit Peitschenhieben antreiben. Geschultert schleppt er den schweren Mittelbalken seines späteren Kreuzes. Es geht durch enge Gassen in Jerusalem auf einem langen Weg durch die Stadt. Menschen eilen herbei. Selbst die, die bis dahin nichts mitbekommen hatten, werden nun neugierig. Sie wollen sehen, was da geschieht. Die Soldaten haben alle Hände voll zu tun, die kleine Gruppe durch die drängelnden, grölenden Menschen zu schieben.
Veronika zeigt Mut. Sie weicht nicht zurück. Es gelingt ihr an einer Stelle, an der die Gruppe nicht weiterkommt und kurz pausieren muss, zwischen den Soldaten hindurch zu Jesus vorzudringen. Sie reicht ihm das Tuch. Mehr kann sie nicht tun. Und doch tat sie damit sehr viel: Sie hatte nicht weggesehen. Sie ist für das Opfer eingetreten – im Rahmen ihrer Möglichkeiten. Das genügt.
Wir meinen: Das war ein mutiger Schritt. Die Botschaft, die sie hinterlässt, kann vielfältig beleuchtet werden. Da ist die Angst, die gleich mehrere Aspekte besitzt. Es ist die Angst vor den Soldaten, und es ist die Angst um das Opfer. Es ist die Angst, verwickelt zu werden in diese Vorgänge, wenn sie sich einmischt, und die Angst, dann selbst zum Opfer zu werden. Und sei es nur durch einen Hieb oder einen Stoß eines Soldaten. Es wäre leicht für Veronika, diese Angst loszuwerden: einfach wegsehen, einfach weggehen. Doch Angst kann erstarren lassen. Sie lief nicht weg und sie sah nicht weg.
Da ist aber auch die Überzeugung, etwas tun zu müssen. Das starke Gefühl, helfen zu müssen, das trotz des großen Erschreckens über die Brutalität der Szene mehr und mehr in ihr wächst. Doch was kann sie schon ausrichten gegen diesen gewalttätigen Trupp? Sie hat nur ihr Tuch. Sie nimmt allen Mut zusammen und dringt zu Jesus vor. – Zivilcourage.
Wie groß die Angst gewesen sein muss und wie groß der Mut, den sie aufzubringen hatte, das erzählt die Wundergeschichte in der unausgesprochenen, großen Dankbarkeit Jesu: Er hinterlässt ihr das Abbild seines Gesichts im Tuch. Damit wird diese kleine, unscheinbare Geste der Zuwendung am Rande des Leidensweges zu einer großmütigen Tat und zu christlichem Handeln erhoben.
Opfer brauchen Hilfe. Es genügt, wenn man tut, was man kann. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Dr. Martin Luther hatte bereits früh die Heiligenverehrung abgelehnt. In seiner Gottesdienstordnung für die Gemeinden aus dem Jahr 1523 erklärte er, warum die Heiligenfeste im Kirchenjahr nicht begangen werden sollen.
Die evangelischen Kirchen kennen daher keine Heiligen im Sinne der römisch-katholischen Kirche. Für sie sind Heiligsprechungen (Kanonisationen), die vom Papst vorgenommen wurden oder werden, nicht bindend. Sie nehmen selbst keine Heiligsprechungen vor. Sie kennen weder Schutzheilige (Patrone) noch die Anrufung oder gar die Anbetung von Heiligen.
Zwar kennen die evangelischen Kirchen einen »Gedenktag der Heiligen« (1. November), doch meinen sie damit nicht eine herausragende Stellung von Personen in der Gemeinschaft der Christen, sondern das Beispiel ihres außergewöhnlichen Handelns aus der Kraft des Glaubens heraus. So finden sich im evangelischen Kirchenkalender die Namen der Evangelisten, der Apostel und einiger weniger Märtyrer der frühen Zeit stellvertretend für Taten und Leben von Christen. Sie dienen als Vorbild und Beispiel für heutige Christen, wie es in der »Confessio Augustana«, dem Augsburgischen Bekenntnis der Reformatoren, 1530 formuliert worden ist:
Über die Verehrung von Heiligen lehren wir Folgendes: Man kann sich an Heilige erinnern, um ihrem Glauben nachzueifern. Man kann sich auch die guten Werke der Heiligen zum Vorbild nehmen; das soll entsprechend der jeweiligen gesellschaftlichen Stellung geschehen. [...] Aber die Heilige Schrift lehrt nicht, dass wir Heilige anrufen oder von ihnen Hilfe erbitten sollen, sondern sie stellt uns allein Christus hin als Mittler, Sühneopfer, Priester und Fürsprecher. Der soll angerufen werden, und er hat versprochen, dass er unsere Bitten erhören wird. Wenn wir ihn in allen Nöten anrufen, dann gefällt ihm das sehr. Im 1. Johannesbrief steht: »Wenn jemand sündigt, so haben wir einen Fürsprecher bei dem Vater, Jesus Christus, der gerecht ist.« (1. Joh. 2,1).
Text der Confessio Augustana nach der lateinischen Fassung. Ausgelassen ([...]) ist ein an Kaiser Karl V. gerichtetes Handlungsbeispiel aus jener Zeit, womit ihn die Protestanten auf dem Augsburger Reichstag am 25. Juni 1530 beim Verlesen des Bekenntnisses direkt adressierten, das aber inhaltlich zum Bekenntnis nichts beiträgt.