Lesetext Lk 10,23-24.25-37

Perikopen aus der Lutherbibel von 1545

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Perikopen nach der Leseordnung
der evangelischen Kirchen

Evangelium nach Lukas

Lk 10,23-24.25-37

 

Text hören:

Sprecher: R. Makohl | Musik: ©Bluevalley, J.S. Bach
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Biblia

 

 

 

 

Euangelium
S. Lucas.

 

C. X.

 

 

Verse 23 - 24

Der Vorrang der Jünger

|| → Mt 13,16-17

VND Jhe­ſus wandte ſich zu ſei­nen Jüngern / vnd ſprach in ſon­der­heit / Se­lig ſind die au­gen / die da ſe­hen / das jr ſe­het. 24Denn ich ſa­ge euch / viel Pro­phe­ten vnd Kö­ni­ge wol­ten ſe­hen / das jr ſe­het / vnd ha­bens nicht ge­ſe­hen / vnd hö­ren das jr hö­ret / vnd ha­bens nicht ge­hö­ret.

 

 

Verse 25 - 37

Das Gleichnis vom barmherzigen Samariter

|| → Mt 22,35-40    || → Mk 12,28-34

 

 

 

 

 

 

→ Deut. 6.

 

 

 

 

 

Si­he / da ſtund ein Schrifft­ge­ler­ter auff / ver­ſucht Jhe­ſus / vnd ſprach / Mei­ſter / Was mus ich thun / das ich das ewi­ge Le­ben er­er­be? 26Er aber ſprach zu jm / Wie ſte­het im Ge­ſetz ge­ſchrie­ben? Wie lie­ſe­ſtu? 27Er ant­wor­tet / vnd ſprach / Du ſolt Gott dei­nen HER­RN lie­ben / von gan­tzem her­tzen / von gan­tzer ſee­le / von al­len kreff­ten / vnd von gan­tzem ge­mü­te / Vnd dei­nen Ne­he­ſten / als dich ſelbs. 28Er aber ſprach zu jm / Du haſt recht ge­ant­wor­tet / Thue das / ſo wir­ſtu le­ben.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

29ER aber wolt ſich ſelbs recht­fer­ti­gen / vnd ſprach zu Jhe­ſu / Wer iſt denn mein Ne­he­ſter? 30Da ant­wor­tet Jhe­ſus / vnd ſprach / Es war ein Menſch / der gieng von Je­ru­ſa­lem hin ab gen Je­ri­cho / vnd fiel vn­ter die Mör­der / Die zo­gen jn aus / vnd ſchlu­gen jn / vnd gien­gen da­uon / vnd lieſ­ſen jn halb tod lie­gen. 31Es be­gab ſich aber on ge­fehr / das ein Prie­ſter die­ſel­bi­ge ſtraſ­ſe hin ab zoch / vnd da er jn ſa­he / gieng er fur vber. 32Des­ſel­bi­gen glei­chen auch ein Le­uit / da er kam bey die Stet / vnd ſa­he jn / gieng er fur vber.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

33EIn Sa­ma­ri­ter aber rei­ſet / vnd kam da hin / vnd da er jn ſa­he / ja­mer­te jn ſein / 34gieng zu jm / ver­band jm ſei­ne Wun­den / vnd gos drein Ole vnd Wein / vnd hub jn auff ſein Thier vnd fü­ret jn in die Her­ber­ge / vnd pfle­get ſein. 35Des an­dern ta­ges rei­ſet er / vnd zoch eraus zwe­en Groſ­ſchen / vnd gab ſie dem Wir­te / vnd ſprach zu jm / Pfle­ge ſein / Vnd ſo du was mehr wirſt dar­thun / wil ich dirs be­za­len / wenn ich wi­der­ko­me. 36Wel­cher dünckt dich / der vn­ter die­ſen drei­en der a Ne­heſt ſey ge­we­ſen / dem / der vn­ter die Mör­der ge­fal­len war? 37Er ſprach / Der die barm­her­tzig­keit an jm that. Da ſprach Jhe­ſus zu jm / So ge­he hin / vnd thu des glei­chen.

 

 

 

 

 

 

 

a

(Neheſt)

Der Neheſt iſt nicht al­lein der wol thut / ſon­dern auch der wol­that be­darff / Denn wir ſind al­le vn­ter­nan­der Ne­he­ſten.

 

 

 

Gedanken zum Text

 

Evangelium nach Lukas
Kapitel 10, Verse 23-24 und 25-37

Der Vorrang der Jünger
und das Gleichnis vom barmherzigen Samariter

Einleitung

Die Perikope enthält zwei inhaltlich getrennte Textstücke: Der Text Lk 10,23-24 erzählt die Geschichte, in der Jesus den Jüngern klar macht, welche große Gnade sie deshalb erfahren haben, weil er, Jesus, unter ihnen ist.

Der Text Lk 10,25-37 erzählt das Gleich­nis vom barm­her­zi­gen Sa­ma­ri­ter. Das Gleich­nis be­ant­wor­tet die Fra­ge, wer denn der Nächs­te sei, wenn man den Nächs­ten doch laut Got­tes Ge­bot lie­ben sol­le wie sich selbst.

A. Die Erzählung vom Vorrang der Jünger

Oft ist es so, dass uns Men­schen, wenn uns gro­ßes Glück wi­derfährt, dies gar nicht recht be­wusst ist.

In einer oft unruhigen Welt ge­nie­ßen wir das Pri­vi­leg, in Frie­den und Wohl­stand zu le­ben. Wir wa­chen oh­ne Angst vor Krieg auf, un­se­re Kin­der ge­hen si­cher zur Schu­le. Nah­rung, sau­be­res Was­ser und ein Dach über dem Kopf sind für uns selbst­ver­ständ­lich - Lu­xus für vie­le an­de­re. Me­di­zi­ni­sche Ver­sor­gung steht uns zur Ver­fü­gung, wir ge­nie­ßen Mei­nungs­frei­heit und kön­nen un­ser Le­ben selbst ge­stal­ten. Die­se Seg­nun­gen sind kei­ne Selbst­ver­ständ­lich­keit.

Die Jün­ger ge­nos­sen ein an­de­res Pri­vi­leg. Ih­nen war das Pri­vi­leg ge­gönnt, dass Jesus un­ter ih­nen und mit ih­nen leb­te, dass sie ihn un­mit­tel­bar se­hen und und sei­ne Re­den di­rekt hö­ren konn­ten. Das war für al­le Ge­ne­ra­ti­o­nen vor ih­nen nicht mög­lich.

Zwar sehn­ten sich Pro­phe­ten und Kö­ni­ge da­nach, end­lich den Mes­si­as be­grü­ßen zu dür­fen, doch es pas­sier­te zu ih­ren Leb­zei­ten nicht.

War das den Jüngern klar? Of­fen­sicht­lich nicht. Je­sus sah sich ver­an­lasst, dies in ei­ner klei­nen Re­de an sie zu be­to­nen.

Aus diesem Privileg heraus be­grün­de­te sich für die Jün­ger nicht nur Dank­bar­keit, son­dern viel­mehr die Ver­ant­wor­tung da­für, aus ih­rem Glück he­r­aus zu han­deln, an­de­re da­ran teil­ha­ben zu las­sen.

So, wie wir erkennen müssen, wel­ches Glück uns wi­der­fährt, wie dank­bar wir da­für sein soll­ten - denn es ist zum al­ler­größ­ten Teil nicht un­ser Ver­dienst! -, doch vor allem: Wel­che Ver­ant­wor­tung da­r­aus er­wächst ge­gen­über je­nen, die nicht sol­ches Glück er­le­ben.

1. Besondere Offenbarung

Jesus betont mit sei­nen Wor­ten die ein­zig­ar­ti­ge Stel­lung sei­ner Jün­ger als Au­gen­zeu­gen sei­nes Wir­kens. Sie er­le­ben un­mit­tel­bar die Er­fül­lung der alt­tes­ta­ment­li­chen Ver­hei­ßun­gen in Je­sus Chris­tus.

2. Erfüllung der Heilsgeschichte

Die Verse deu­ten an, dass mit Je­sus die von den Pro­phe­ten und Kö­ni­gen er­sehn­te Heils­zeit an­ge­bro­chen ist. Die Jün­ger sind pri­vi­le­gier­te Zeu­gen die­ses ent­schei­den­den Mo­ments der Heils­ge­schich­te.

Fazit

Diese Verse be­to­nen al­so die ein­zig­ar­ti­ge Be­deu­tung Je­su in der Heils­ge­schich­te und die be­son­de­re Gna­de, ihn als Mes­si­as er­ken­nen zu dür­fen - eine Gna­de, die auch heu­ti­gen Gläu­bi­gen durch den Glau­ben zu­teil­wird.

 

B. Das Gleichnis vom barmherzigen Samariter

Die biblischen Gebote sprechen davon, den Nächs­ten zu lie­ben wie sich selbst. Dies ist der we­sent­li­che In­halt des Dop­pel­ge­bots der Lie­be (→ Mar­kus­evan­ge­li­um 12,29-31) und der Gol­de­nen Re­gel (→ Mat­thä­us­evan­ge­li­um 7,12). Nun stell­te sich schon zur Zeit Je­su im­mer wie­der die Fra­ge, wer den der Nächs­te sei. Wel­che Men­schen sind in den Ge­bo­ten ge­meint?

Bis heute wird diese Fra­ge ge­stellt, nicht sel­ten, um ge­sell­schafts­po­li­ti­sches und po­li­ti­sches Han­deln zu be­grün­den, nicht sel­ten, um par­tei­po­li­ti­sche Pro­gram­me zu recht­fer­ti­gen.

Die Fra­ge be­wegt al­so kei­nes­wegs nur Chris­ten hin­ter ver­schlos­se­nen Kir­chen­tü­ren. Die Ant­wor­ten da­r­auf be­sit­zen ei­ne ho­he po­li­ti­sche und ge­sell­schafts­po­li­ti­sche Re­le­vanz, weil sie über die Fra­ge nach mo­ra­li­schen Wer­ten hi­n­aus Den­ken, Mei­nungs­bil­dung und Han­deln bis hin zu Ge­setz­ge­bung be­stimmt.

Jesus antwortet auf die Fra­ge da­nach mit die­sem Gleich­nis.

Aus evangelischer Sicht lassen aus dem Gleich­nis vom barm­her­zi­gen Sa­ma­ri­ter in Lukas 10,25-37 ins­be­son­de­re die­se Bot­schaf­ten he­r­aus­le­sen.

1. Nächstenliebe als Kernbotschaft

Die zentrale Botschaft ist die ra­di­ka­le und be­din­gungs­lo­se Nächs­ten­lie­be, die Je­sus ein­for­dert. Der »Nächs­te« ist nicht nur das Fa­mi­li­en­mit­glied, der Nach­bar, der Mit­bür­ger in der­sel­ben Stadt oder im sel­ben Staat, ist nicht nur der Glau­bens­bru­der in der Ge­mein­de oder der Kir­che, son­dern je­der Mensch, dem man be­geg­net und der Hil­fe be­nö­tigt - un­ab­hän­gig von Her­kunft, Re­li­gi­on oder Sta­tus.

Luther erklärte es einst so: »Un­ser Nächs­ter ist je­der Mensch, be­son­ders der, der un­se­re Hil­fe braucht.«

2. Überwindung von Vorurteilen

Der Samariter, der dem Ver­letz­ten hilft, ge­hört ei­ner von den Ju­den ver­ach­te­ten Glau­bens­grup­pe an. Je­sus bricht hier be­wusst mit den da­mals gän­gi­gen Vor­ur­tei­len und zeigt, dass die Nächs­ten­lie­be kei­ne Gren­zen kennt.

3. Taten statt Lippenbekenntnisse

Die Vertreter der staat­li­chen und re­li­gi­ö­sen Eli­te (Pries­ter, Le­vit) ge­hen acht­los an dem Hilfs­be­dürf­ti­gen vor­bei. Je­sus kri­ti­siert hier ei­ne rein äu­ßer­li­che, werk­ge­recht­li­che Fröm­mig­keit und for­dert statt­des­sen die prak­ti­sche Um­set­zung der Nächs­ten­lie­be ein.

4. Barmherzigkeit als Wesenskern des Christseins

Das Gleichnis zeigt, dass die Barm­her­zig­keit der Kern des christ­li­chen Glau­bens und Han­delns sein muss. Nicht Her­kunft oder Sta­tus ma­chen den wah­ren Chris­ten aus, son­dern die Be­reit­schaft zur selbst­lo­sen Hil­fe.

5. Universale Botschaft

Obwohl im jü­di­schen Kon­text er­zählt, hat die Ge­schich­te ei­ne über Kul­tu­ren und Re­li­gi­o­nen hi­n­aus­ge­hen­de Gül­tig­keit. Sie ap­pel­liert an die Mensch­lich­keit und So­li­da­ri­tät al­ler Men­schen.

Fazit

Das Gleich­nis be­tont, dass der Nächs­te nicht ein­fach der­je­ni­ge ist, der räum­lich na­he ist oder zu un­se­rer so­zi­a­len, na­ti­o­na­len oder re­li­gi­ö­sen Grup­pe ge­hört, son­dern ins­be­son­de­re der­je­ni­ge, der in Not ist und un­se­re Hil­fe be­nö­tigt. Es er­mu­tigt uns, Vor­ur­tei­le zu über­win­den und un­se­re Hil­fe und Lie­be be­din­gungs­los zu de­nen aus­zu­deh­nen, die in Not sind, un­ab­hän­gig von ih­ren Un­ter­schie­den oder Hin­ter­grün­den.

Insgesamt fordert das Gleich­nis ei­ne ra­di­ka­le Neu­aus­rich­tung des Den­kens und Han­delns - weg von Vor­ur­tei­len, Ego­is­men und re­li­gi­ö­ser En­ge hin zu ei­ner gren­zen­lo­sen Nächs­ten­lie­be aus Barm­her­zig­keit.

 

 

Liturgiegeschichtliche Verwendung

Anmerkung:
In den Jahren vor 1979 um­fass­te die Evan­ge­li­en­pe­ri­ko­pe zu­sätz­lich vor den Ver­sen 25 bis 37 die Ver­se 23 und 24 mit der Ge­schich­te über die be­vor­zug­te Stel­lung der Jün­ger durch die Ge­gen­wart Jesu, also den Text Lk 10,23-37.

 
Perikope Typ Tag
1531 - 1898  

Lk 10,23-24.25-37

Evangelium

→ 13. Sonntag nach Trinitatis

1899 - 1978  

Lk 10,23-24.25-37

Evangelium

→ 13. Sonntag nach Trinitatis

Lutherische Kirchen
1958-1978
 

Lk 10,[23-24.]25-37

Reihe I

→ 13. Sonntag nach Trinitatis

1979 - 2018  

Lk 10,25-37

Evangelium +
Reihe I

→ 13. Sonntag nach Trinitatis

seit 2019  

Lk 10,25-37

Evangelium +
Reihe IV

→ 13. Sonntag nach Trinitatis

 

 

  Hörbuch-Video

Der Vorrang der Jünger und das Gleichnis vom barmherzigen Samariter (Lk 10,23-24.25-37)

Titelbild
Hörbuch-Video zur Biblia 1545

→Hörbuch-Video: Lk 10,23-24.25-37

Das Video zeigt aus der Luther­bi­bel von 1545 die Er­zäh­lung vom Vor­rang der Jün­ger und das Gleich­nis vom barm­her­zi­gen Sa­ma­ri­ter, vor­ge­le­sen von Reiner Makohl.

 

 

Sabrina

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©by Reiner Makohl | Stilkunst.de

SK Version 19.09.2024