Gedenken an die Opfer des GAUs im AKW
Tschernobyl | Freitag, 26. April 2024

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Der Tag im Jahreskalender

26.4.2024 | Tschernobyl | GAU im AKW W. I. Lenin
Freitag
 

Tschernobyl

GAU im AKW W. I. Lenin

 
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Tag des Erinnerns

Zum Gedenken an die Opfer des größten anzunehmenden Unfalls (GAU) im Atomkraftwerk (AKW) W. I. Lenin bei Tschernobyl
am 26. April 1986
Gedenktag →Gegen Gewalt

 

Kalenderblätter

 

Festes Datum
Tag des Gedenkens an die Opfer des GAUs von Tschernobyl am 26. April
 
  • Der Tag des Gedenkens an die Opfer des größten anzunehmenden Unfalls (GAU) im Atomkraftwerk (AKW) W. I. Lenin bei Tschernobyl (Ukraine) ist immer am 26. April eines Jahres.

 

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Tag des Erinnerns

AKW Tschernobyl, Reaktor 4 (2006) | Autor: Carl Montgomery | CC BY-SA

Abbildung: AKW Tschernobyl, Reaktor 4 (2006)
Autor: Carl Montgomery | CC BY-SA

 

Die Nuklearkatastrophe
von Tschernobyl

Am 26. April 1986 ereignete sich die Nu­kle­ar­ka­ta­s­t­ro­phe von Tscher­no­byl. In der Nacht, um 1:23 Uhr Ortszeit, ex­plo­dier­te der Re­ak­tor im Block 4 des Kraft­werks nach ei­ner Rei­he von Er­eig­nis­sen im Rah­men ei­nes Ver­su­ches, der ei­nen voll­stän­di­gen Strom­aus­fall am Kern­re­ak­tor si­mu­lie­ren soll­te.

Es ist das ein­ge­tre­ten, was nicht hät­te ein­tre­ten dür­fen: der größ­te an­zu­neh­men­de Un­fall (GAU). Die Un­fäl­le von Tscher­no­byl und von Fu­ku­shi­ma wer­den offi­zi­ell so­gar als Su­per-GAU ein­ge­stuft. Doch dies sind nicht die ein­zi­gen Atom­un­fäl­le. Die Lis­te ist lang (siehe Wi­ki­pe­dia, →Un­fall in ei­nem Atom­kraft­werk).

Der 26. April 1986 ging nicht nur in die in wei­ten Tei­len trau­ri­ge Ge­schich­te der Atom­in­dus­trie ein, er ver­än­der­te auch das Den­ken über die Macht und die All­macht des Men­schen grund­le­gend. Grund genug für uns, die­ses Da­tum in un­se­rem Ka­len­der fest­zu­hal­ten.

Weiterführende Links und Hintergrundinformationen

Das AKW W. I. Lenin

»Das heute stillgelegte Kernkraftwerk Tschernobyl (ukrainisch Чорно́бильська АЕС, russisch Чернобыльская АЭС им. В. И. Ленина, übersetzt ‚Tschernobyler Kernkraftwerk namens W. I. Lenin‘) befindet sich im Norden der Ukraine nahe der ukrainisch-weißrussischen Grenze. Es ist etwa vier Kilometer von der Stadt Prypjat und 18 Kilometer von Tschernobyl entfernt. Die Katastrophe von Tschernobyl, bei der 1986 der Reaktor des Blocks 4 explodierte, gilt als bisher weltweit schwerster Unfall in einem Atomkraftwerk«.
(Quelle: →Wikipedia | Kernkraftwerk Tschernobyl )

 

Gedankenpause

Gedankenpause

 

Atomstrom

Gedanken über Wahrheit und Lüge

 

Behauptung: Atomstrom sei billig

Atomstrom ist billig. Hieß es immer und heißt es noch heute. Lern­re­sis­ten­te ver­brei­ten nach wie vor diesen Unsinn. Nach dem er­klär­ten Aus­stieg aus der Atom­kraft, mit der Ener­gie­wen­de, stei­gen nun in Deutsch­land die Prei­se für Strom. Be­grün­det wird das mit dem Ab­schal­ten der Atom­kraft­wer­ke und mit den nö­ti­gen In­ves­ti­ti­o­nen in er­neu­er­ba­re Ener­gi­en.

Nur: Hat man den Men­schen er­zählt, wie viel sie außer­halb ih­rer Strom­ab­rech­nun­gen in den Atom­strom über Jahr­zehn­te in­ves­tiert ha­ben in Form von Sub­ven­ti­o­nen und in Form von Kos­ten, die den Steu­er­zah­lern auf­ge­bür­det wer­den? Wie viel sie auch noch für vie­le wei­te­re Jah­re zah­len müs­sen, ohne dass sie es kon­kret wis­sen oder vor­ge­rech­net be­kom­men? Und wie teuer es für sie wird, wenn der GAU oder gar der Super-GAU ein­tritt? Dass sie wo­mög­lich so­gar mit ihrer Ge­sund­heit und ih­rem Le­ben da­für zah­len müs­sen? Da­ge­gen sind die Kos­ten für er­neu­er­ba­re Ener­gi­en tat­säch­lich Pea­nuts.

Allein in Bayern wurden nach dem Re­ak­tor­un­fall in Tscher­no­byl vie­le Mil­li­o­nen D-Mark auf­ge­wen­det für Mehr­kos­ten in der Land­wirt­schaft und für die Ent­sor­gung be­las­te­ter land­wirt­schaft­li­cher Pro­duk­te wie Milch und Molke, die auf­grund der Strah­len­be­las­tung nicht mehr ver­kauft wer­den durf­ten.

»Der Um­satz auch von frei­ge­ge­be­nen Milch­pro­duk­ten, so­wie von Obst und Ge­mü­se ging dras­tisch zu­rück. Die Le­bens­mit­tel­grup­pe Rewe ver­nich­te­te allein im Mai 1986 un­ver­käuf­li­che Milch­pro­duk­te und Frisch­ge­mü­se im Wert von rund 3 Mil­li­o­nen →DM
Quelle: →Wikipedia | Nu­kle­ar­ka­ta­s­t­ro­phe von Tscher­no­byl

Tschernobyl ist ungefähr 1.800 km von Frankfurt am Main entfernt. Auf ihrem Weg nach Nord­wes­ten (Rich­tung Skan­di­na­vi­en) und Wes­ten (Rich­tung Deutsch­land) hat­te sich die Fall­out-Wol­ke groß­flä­chig ver­teilt, und doch hatte die Men­ge an Fall­out, die über et­li­che Ge­bie­te Deutsch­lands mit ein­set­zen­dem Re­gen nieder­ging, ge­reicht, um Strah­len­wer­te zu er­zeu­gen, wie sie in den Wäl­dern na­he des Kern­kraft­werks bei Tscher­no­byl ge­mes­sen wer­den konn­ten. Spe­zi­ell in Fran­ken, rund um Nürn­berg, wird noch im­mer da­von ab­ge­ra­ten, im Wald ge­sam­mel­te Pil­ze oder Fleisch von dort ge­schos­se­nem Wild zu es­sen. Et­li­che an­de­re Re­gi­o­nen Deut­schlands waren und sind bis heute eben­falls be­trof­fen. Die ge­sund­heit­li­chen Lang­zeit­schä­den (wie Krebs­er­kran­kun­gen) für die Be­völ­ke­rung wer­den aller­dings ver­schwie­gen, bei Diag­no­sen nicht be­rück­sich­tigt, nicht mit der nu­kle­a­ren Strahlen­be­las­tung ab An­fang Mai 1986 in Ver­bin­dung ge­bracht und tau­chen da­her in kei­nen Sta­tis­ti­ken auf.

Daraus läßt sich leicht ab­lei­ten: Ein Super-GAU in einem deut­schen AKW oder in ei­nem grenz­na­hen AKW kann die ge­sam­te Land­wirt­schaft, ein­schließ­lich Wald­wirt­schaft, Wein­bau und Fisch­zucht in Deutsch­land über vie­le Jah­re hin­weg kom­plett zum Er­lie­gen brin­gen – ab­hän­gig vom Fall­out, und vom Wind, der ihn trägt, und der noch in gro­ßer Ent­fer­nung Flä­chen ver­seucht. Wir wer­den dann auch un­ser täglich Brot nur über teu­re Im­por­te be­zie­hen kön­nen. Selbst die Trink­was­ser­ver­sor­gung wird be­schränkt wer­den. Zu­min­dest dort, wo Trink­was­ser ganz oder teil­wei­se aus Ober­flä­chen­was­ser ge­won­nen wird.

Hat man den Menschen erklärt, dass Zwischen­la­ger und End­la­ger teu­er sind, ver­fal­len, ma­ro­die­ren und zu ho­hen Kos­ten sa­niert wer­den müs­sen? Noch für Jahr­hun­der­te immer wie­der?

In Tschernobyl, dem größten überirdischen Atommülllager der Welt, ist gerade der so genannte Sarkophag erneuert wor­den, eine vor Strahlung schützende Hülle aus Edelstahl, Beton und speziellen Legierungen, die über den zerstörten Reaktor errichtet wurde. Kosten des Neubaus: Mehrere Milliarden Euro! Auch mit deutschem Geld bezahlt. Vom Steuerzahler. Auf keiner Stromabrechnung ausgewiesen. Und es wird nicht die letzte Erneuerung oder Sanierung gewesen sein. Beton zerfällt schneller als die Strahlung nachlässt. Die Haltbarkeit des neuen Sarkophags schätzen Experten auf höchstens 100 Jahre. Die Ukraine wird noch Jahrhunderte dafür zahlen müssen, den Schutz vor der Strahlung aus dem AKW Tschernobyl weitgehend sicherzustellen. Auch andere Länder, also deren Steuerzahler, beteiligen sich, wenn nicht direkt, dann über Budgets aus der EU.

In Deutschland rosten zahllose Fässer mit Atommüll in undichten, unterirdischen Lagern. Sie sind längst überfällig, was Sanierung betrifft. Da ist man sich einig. Doch es zieht sich. Die Kosten steigen. Es sind auch hier mehrere Milliarden Euro dafür veranschlagt. Das ist Geld, das man auf den Preis für den Strom aufschlagen müsste, den diese verbrauchten Brennelemente einst produzieren halfen. Tut man aber nicht. Denn das würde die Aussage, Atomstrom sei billig, ad absurdum führen.

Die Kosten, die für die Abschaltung und den Abbau der bestehenden Atomkraftwerke und für die Lagerung der darin befindlichen Brennelemente und kontaminierten Bauteile entstehen, sind nicht kalkuliert. Pläne für diese Maßnahmen bestehen nicht im erforderlichen Umfang. Diese Prozesse wer­den über viele Jahre hinweg große Geldmengen verschlingen und immer wieder neue Ressourcen verlangen. 1

1 Ergänzung, Mai 2014:

Dass diese Prozesse über viele Jahre hinweg Unmengen an Geld verschlingen und für die Konzerne zu einem wirtschaftlichen Risiko wer­den können, zeichnet sich mehr und ab. Im Mai 2014 machte in diesem Zusammenhang eine Nachricht Schlagzeilen:

Kosten und Risiken

Am 11. Mai 2014 brachte der Spiegel Online eine beachtenswerte Nachricht.

Nachlesen können Sie das bei Spiegel Online:

Plan der Energie-Konzerne: Bund soll Abriss von Atom-Meilern finanzieren.

Die Tagesschau griff diese Nachricht noch am selben Tag für ihre Sendung auf. Der zugehörige Artikel ist auf ta­gesschau.de zu finden:

Bund soll offenbar alle Risiken übernehmen
Wollen Konzerne ihre AKW loswer­den?

Die Idee hinter diesem Vorschlag zur Einrichtung einer vom Bund geführten Stiftung zur Übernahme aller Risiken für den weiteren Betrieb und für die Stilllegung der AKW sowie für die Übernahme der Kosten und Risiken der Endlagerung des Atommülls überraschte uns nicht. Geht es doch um Kalkulierbarkeit, um Transparenz für Shareholder, um Kos­ten­ein­spa­rung und um Risikominimierung für Unternehmer und Unternehmen..

Überraschend war allerdings, dass diese Meldung für die Öffentlichkeit so unvorbereitet aufkam.

Überrascht hatte, dass es dabei offensichtlich um das gesamte Atomstromgeschäft geht und nicht nur um einzelne AKW, Zwischenlager oder Endlagerstätten.

Überrascht hat uns auch das offensichtlich mit dem Vorschlag gekoppelte Angebot, je nach Übereinkunft möglicherweise auf Schadensersatzklagen zu verzichten.

Interessant fanden wir dann noch das Zitat des Kommentars von Bundesumweltministerin Barbara Hendricks, in dem sie die Energieunternehmen als alleinige Verantwortliche sieht:

»Die uneingeschränkte Verantwortung für den sicheren Auslaufbetrieb, die Stilllegung, den Rückbau und die Zwischenlagerung des Atommülls liegt bei den Energieunternehmen«
(Quelle: Artikel Tagesschau.de).

Ja, eben! Ist das nicht der Grund dafür, warum dieser Vorschlag in dieser Form überhaupt auf den Tisch gelegt wurde? Es geht darum, diese Verantwortung los zu wer­den.

Fraglich ist doch, ob es so bleibt. Wenn nicht, liegt künftig nicht nur ein maßgeblicher Teil des »Restrisikos« bei uns Bürgern, sondern das gesamte Betriebsrisiko, eben »die un­ein­ge­schränkte Verantwortung«.

Wir alle stehen dann gerade für jeden Euro, der über die Gründungseinlagen einer solchen Stiftung hinaus nötig wer­den wird, um Kosten jeder Art abzufangen, die Betrieb, Rückbau, Zwischenlagerungen, Endlagerung und mögliche Unfälle für viele weitere Jahrzehnte oder Jahrhunderte in Anspruch nehmen wer­den. 

Dass sich eine solche Stiftung selbst tragen kann oder unter dem Strich gar Gewinne einfährt, ist höchst unwahrscheinlich. Atommüll verursacht ausschließlich Kosten, keine Gewinne. Das wissen die, die diesen Vorschlag eingebracht haben, sehr genau! Und sie wissen: Diese Kosten können geradezu explodieren, sie sind nicht kalkulierbar.

Es entstehen direkte Kosten für Rück- und Abbau der AKW sowie langfristige, sehr hohe Kosten für die Zwischen- und Endlagerung der Brennelemente. Ungeheure Mengen kontaminierter Materialien, ganzer Gebäude und Meiler müssen endgelagert wer­den. Es gibt keine künstlichen oder natürlichen Lagerstätten, die lange genug hal­ten und dicht genug bleiben, um den Strahlenschutz zu gewährleisten, bis die Strahlung ungefährliche Werte erreicht hat. Die Zeiträume und Faktoren, die man dafür betrachten muss, entziehen sich einer be­triebs­wirt­schaft­lichen Bewertung mehr und mehr, je weiter sie in die Zukunft reichen. Erste Erfahrungen wird irgendwann der neue Sarkophag in Tschernobyl liefern.

Die Lasten tragen wir heute schon, aber auch noch mehrere nachfolgende Generationen. Mit jedem Tag, den AKWs weiter laufen, erhöht sich die Last, die wir den kommenden Generationen vererben und aufbürden.

Tschernobyl und Fukushima sind neben vielen Unfällen in AKWs traurige Beispiele für enorme Kosten und Risiken. Aber leider bittere Realität. Selbstverständlich: Man kann davor die Augen verschließen. Das aber verändert die Realität nicht.

Die heutigen Kernkraftwerke wer­den nach und nach zu Atommülldeponien um­funk­ti­o­niert wer­den, die noch für viele Jahre und Jahrzehnte Bestand haben wer­den. Womöglich mindert das die Gefahren, es löscht sie aber nicht aus. Ein Restrisiko bleibt. Die Kosten hingegen wer­den in jedem Fall steigen, nur eben geringer ausfallen, je weniger Endlager benötigt wer­den, und je weniger Störfälle auftreten wer­den.

Das ist die makabere, traurige und kostenintensive Nachhaltigkeit, die in der Atomkraft schlummert.

 

Behauptung: Atomstrom sei umweltfreundlich

Atomstrom ist umweltfreundlich. Hieß es. Richtig: Es gibt keine direkten Emissionen, die die Luft verschmutzen. Tatsächlich berufen sich derzeit wieder neu Atom­kraft­be­für­wor­ter genau darauf. Klimaschutz ist ihr Argument, AKWs erzeugen keinerlei CO2- Emmissionen und helfen, die CO2-Bilanz eines Staates niedrig zu hal­ten. Aber das tun Windkraftanlagen, Solaranlagen und Wasserkraftwerke auch. Es ist kein Allein­stellungs­merk­mal für AKWs und somit kein hinreichendes Argument für ihre Nutzung.

Und: Die hervorragende CO2-Bilanz eines verseuchten Sperrgebiets wie im Großraum von Tschernobyl will niemand. Nicht einmal als Fiktion.

Gut seien die Kühltürme, hieß es. Kühltürme, für die Wasser aus dreckigen Flüssen vor der Benutzung gereinigt und anschließend sauber und zudem leicht erwärmt zurück geleitet wird, tragen bei zur Gesundung der Flüsse und bieten neue, warme Laichgründe für Fische, die man vorher lange nicht mehr gesehen hatte. Und die feuchte Abwärme sei gut für Landwirtschaft und Weinbau.

Nur: Hat man den Menschen erzählt, dass all dieses Land und die schönen Flüsse tot sind, sobald es zum GAU kommt? Für lange Zeit tot und unbenutzbar. Für Jahrhunderte. Rund um Tschernobyl sind mehrere Tausend Quadratkilometer nun Sperrgebiet. Wald- und Landwirtschaft sind komplett zum Erliegen gekommen. Produkte aus Landwirtschaft und Gartenbau dürfen aus riesigen Gebieten nicht in den Handel gebracht wer­den. Der Nutzen für Landwirtschaft und Weinbau kippt schlagartig um: Betriebe gehen pleite, ganze Regionen veröden. Das Land wird wertlos.

Die Fischer an Japans Küsten nahe Fukushima verarmen, weil sie zwar Fische fangen könnten, aber nicht dürfen. Das Meer und die Fische sind verstrahlt. Andere Arbeit und andere Einkommensquellen gibt es nicht in Dörfern, die nur vom Fischfang lebten. Sie wer­den fortziehen müssen. Doch wohin? Umweltfreundlichkeit sieht anders aus.

Städte und Dörfer in einem Umkreis von 30 Kilometer rund um das AKW Tschernobyl sind evakuiert. Die Menschen wurden in der Kernzone von jetzt auf gleich evakuiert – nicht geplant umgezogen. Sie durften nichts mitnehmen außer der Kleidung, die sie am Leib trugen und womöglich einer dicken Dosis Strahlung in ihren Körpern, der sie bereits längst ausgesetzt waren, bis die Evakuierungen eingeleitet wurden.

Stellen Sie sich das vor: Plötzlich hält ein Militärfahrzeug vor ihrer Tür. Menschen in Schutzanzügen und mit Atemmasken springen heraus, klingeln bei Ihnen. Wenn sie nicht öffnen, treten sie die Tür ein. Alles stehen und liegen lassen. Und weg. Irgendwo hin, wovon sie nicht wissen, wo es sein wird. In diesem Moment wird Ihnen womöglich klar, dass Sie gerade eben fast alles verloren haben, dass sich Ihr Leben grundlegend ändern wird, und dass Ihre Lebenserwartung auch noch drastisch gesunken ist ...

»Neben Krebs sind wohl die sozialen und psychischen Traumata die größten Probleme für die Bevölkerung in den Gebieten um Tschernobyl. Einige Wissenschaftler hal­ten diese psychischen Folgen für das größte Gesundheitsproblem infolge des Unfalls.«
Quelle: Wikipedia | Nuklearkatastrophe von Tschernobyl

Auch unter den Helfern gibt es Opfer. Unter den ersten Aufräum- und Evakuierungstrupps am AKW Tschernobyl, den sog. Liquidatoren, meist junge Soldaten, die dafür abgestellt wurden und oft ohne besondere Schutzanzüge ihren Dienst verrichteten, bestenfalls mit dünnem Mundschutz oder Gasmasken ausgestattet, gibt es überdurchschnittliche viele, die längst verstorben oder schwer erkrankt sind. Ein direkter Zusammenhang mit einer Verstrahlung ist nur bei wenigen anerkannt, bei vielen in Abrede gestellt und nicht nachweisbar. Schicksal nennen sie es.

Nein, Schicksal ist das nicht! Es fehlt die Unwägbarkeit. Dies alles war aber vorhersehbar und bekannt! Die Gefahren waren und sind vorhersehbar. Die nötigen Maßnahmen, die im Falle eines Unfalls eingeleitet wer­den müssen, waren und sind bekannt. Es war auch vorhersehbar, dass die Liquidatoren mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit an der Strahlenkrankheit zugrunde gehen wer­den. Man hat es in Kauf genommen.

»Bei 134 Personen, insbesondere bei Kraftwerksbeschäftigten und Feuerwehrleuten, wurde die Strahlenkrankheit diagnostiziert. 28 von ihnen starben im Jahr 1986 infolge der Strahlenkrankheit, die meisten in den ersten Monaten nach dem Reaktorunfall. In den Jahren 1987 bis 2004 starben 19 weitere von der Strahlenkrankheit betroffene Helfer, einige davon möglicherweise an den Langzeitfolgen der Strahlenkrankheit.«
Quelle: Wikipedia | Nuklearkatastrophe von Tschernobyl

 

 

Behauptung: Atomstrom sei harmlos und sicher

Atomstrom ist harmlos und sicher. Erklärte man uns. Die Meiler liegen unter dicken Betonschalen, die auch einem Flugzeugabsturz aushalten würden. Angeblich. Einem Tsunami wohl weniger, wie der Unfall in Fukushima bewies. Oder auch bei menschlichem Versagen gepaart mit technischer Unzulänglichkeit nützen sie nichts. Die meterdicken Schalen über dem Reaktor wurden in Tschernobyl mit einem einzigen Knall weggesprengt und in die Atmosphäre geblasen.

Die Feuer, die da brennen, die Vorgänge im Reaktor, seien beherrschbar. Das behaupten sie noch heute über den zerstörten Reaktor in Fukushima. Obwohl genau der den Ge­gen­be­weis liefert.

Niemals würde man die Arbeiter in Gefahr bringen, die in den Atommeilern ihren Dienst ver­rich­ten und den gefahrlosen Betrieb sicherstellen.

Tschernobyl und Fukushima sind auch nicht die Regel, nicht einmal die Ausnahme. Es sind Super-GAUs, die statistisch gesehen noch weitaus seltener eintreten als ein GAU. Praktisch gar nicht. Nicht umsonst so klassifiziert. Und deshalb nehmen sie in der Diskussion eine absolute Sonderstellung ein, die Sicherheitsaspekte von AKWs nicht direkt tangiere, die unter aktuellen Standards betrieben würden. Jedoch: Ein Restrisiko bliebe wohl immer.

Nur: Die Unfälle in Tschernobyl und Fukushima und ihre Folgen sind knallharte Realität. Kein Restrisiko. Die Gefahr, dass über kurz oder lang ein weiterer Super-GAU eintritt, ist relativ groß – stellt man die Zahl der Unfälle den aktiven AKWs und ihren Betriebszeiten gegenüber. Jedenfalls größer, als man uns glauben machen will.

Hat man den Menschen gesagt, dass diese Arbeiter in AKWs ihr Leben riskieren? Wie die, die am 26. April 1986 Nachtdienst hatten? Viele von ihnen sind längst tot. Sie starben nicht unmittelbar, aber sie wurden auch nicht alt. Wie jene, die bei einem GAU mehr oder weniger schwer betroffen sein wer­den und für die es dann keinerlei Hilfen geben wird? Verstrahlung ist nicht heilbar. Strahlungsopfer müssen hart um Anerkennung kämpfen. Sehr oft kämpfen sie gar nicht oder völlig erfolglos. Sehr oft erleben sie Entscheidungen nicht. Weil Tot-, Missgeburten und Krebs viele Ursachen haben können. Zahllose Opfer wurden nie anerkannt. Das beschönigt Statistiken und Kostenübersichten enorm. Das beschönigt das, was dann »harmlos« genannt wird.

Um Opfer zu wer­den, muss man nicht einmal in einem AKW arbeiten oder nahe daran wohnen. Es genügt beispielsweise, kontaminierte Pilze zu essen. Irgendwo, weit weg von Kraftwerken und offensichtlichen Gefahrenquellen. Oder Fisch. Oder Gemüse. Der Wind treibt die Emissionen über tausende Kilometer hinweg über das Land. Die Gefahr ist unsichtbar, der Fallout nicht vorhersehbar und nicht zu spüren. Es tut nicht weh.

Besonderes schlimm ist es, wenn das verharmlost, kleingeredet und bestritten wird. Es verhöhnt unsägliches Leiden, diskreditiert Mitmenschen und gibt die Opfer weit über ihren Schmerz hinaus der Lächerlichkeit preis.

Wie sicher ist »sicher«? Wie harmlos ist »harmlos«? Wer übernimmt Verantwortung und wer tritt für die Opfer ein, wenn sich das alles als Unsinn erweist? Hat man uns das mitgeteilt? Ist da überhaupt jemand zuständig?

 

 

Behauptung: Atomstrom sei ungefährlich

Das Restrisiko ist gering. Tönten sie. Die Sicherheitsvorkehrungen seien extrem hoch. Die Vorschriften seien umfangreich. Da könne nichts passieren. Und sollte mal et­was passieren, ist das kalkulierbar. Hätten sie jederzeit im Griff.

Nur: Tschernobyl und Fukushima sind die schlagenden Beweise, dass das Restrisiko hoch und nicht kalkulierbar ist. Und das man damit nicht unbedingt verantwortungsbewusst umgeht. Es gab Vorschriften in Hülle und Fülle. Doch es passierte. Einfach so. Entgegen jeder populistisch vorgetragenen statistischen Wahrscheinlichkeit. Die Besonderheit an sta­tis­ti­scher Wahrscheinlichkeit ist eben, dass auch ein Fall, der statistisch annähernd gar nicht vor­kom­men dürfte, jetzt und sofort eintreten kann. Mit jedem Tag, an dem der GAU nicht eintritt, steigt zudem die Wahrscheinlichkeit, dass es morgen passieren wird. Das verschweigen die Statistikverweiser immer ger­ne!

Die Folgen des GAUs waren weder in Tschernobyl noch in Fukushima beherrschbar. Sie wer­den es auch bei solchen Super-GAUs in anderen AKWs nicht sein. Weil es für die Bewältigung der Folgen keinerlei Vorkehrungen gibt. Gäbe es sie, würden sie die Kosten für Atomstrom unmittelbar explodieren lassen und für normale Haushalte unbezahlbar machen. Und ohne umfangreiche Subventionen wäre Atomstrom auch für die Industrien als Abnehmer uninteressant.

Wer in Planspielen mit dem »Restrisiko« spielt und es leichtfertig in Kauf nimmt, spielt mit dem Leben von Menschen. Er plant vorsätzlich eine unbekannte aber sehr große Zahl an Opfern ein. Das ist ein unglaublich hoher Preis für Energie, für Wachstum und für Gewinne auf den Konten weniger. Das ist das – angesichts der vielen Atomunfälle und angesichts der Super-GAUs in Tschernobyl und Fukushima! –, was uns allen bewusst sein sollte, wenn wir über Nuklearenergie und steigende Preise für erneuerbare Energien nachdenken.

 

Hat man uns das alles gesagt?

 

 

Fakt: Es ist der teuerste Strom der Welt

Unter Berücksichtigung der Planungs-, Betriebs- und Folgekosten lieferte das Tschernobyler Atomkraftwerk W. I. Lenin umgerechnet auf die Kilowattstunde den teuersten Strom, der jemals produziert wurde. Der Preis, den man Verbrauchern auf Rechnungen präsentiert hatte, mag niedrig gewesen sein. Die Kosten dafür waren und sind exorbitant hoch. Noch längst ist die Abschlussrechnung nicht erstellt. Getragen wurden und wer­den die Kosten von vielen. Insbesondere aber von den direkten und indirekten Opfern der Katastrophe. Viele haben mit ihrem Leben bezahlt. Ein höherer Preis ist nicht vorstellbar.

Geschlagen wer­den können diese Kosten noch immer vom Kernkraftwerk Fukushima Daiichi. Dort sind Folgen noch längst nicht auch nur annähernd abschätzbar. Gut zwei Jahre nach dem Unfall hört man in den Nachrichten noch immer von neuen Lecks in Systemen, die hochgradig kontaminiertes Wasser in die Umwelt leiten und somit die Folgen verschlimmern und die Kosten in die Höhe treiben.

Mehr dazu finden Sie in unseren BLOG-Artikeln: →Atomkraft

 

 

Fakt: Das Restrisiko tragen wir

Manchmal kommt es mir so vor, als wolle man uns Verbrauchern die Schuld dafür geben, dass die Preise für Strom nun steigen. Richtig: Der Ausstieg aus der Atomenergie ist teuer. Aber das liegt am Ausstieg und an seinen Folgekosten, nicht an den Kosten für den Einstieg in die erneuerbare Energien. Wir zahlen auch hier in die Atomenergie ein, und sei es nur, um entgangene Gewinne und ausbleibende Subventionen zu kompensieren.

Die erneuerbaren Energien wer­den genau wie Atomstrom unmittelbare Gewinne abwerfen, garantiert. Aber im Gegensatz dazu verursachen sie tatsächlich kalkulierbare Kosten und Folgen – auch langfristig, weil beherrschbare Technologien zum Einsatz kommen, deren Effizienz sich ganz sicher durch fortschreitende Verbreitung und Fortentwicklung auch noch steigern lassen wird. Die direkten Kosten für nicht vorhersehbare Folgen der erneuerbaren Energien, die dem Steuerzahler aufgebürdet wer­den, wer­den im Gegensatz zur Atomenergie auf minimale Beträge schrumpfen und uns alle entlasten. Garantiert.

Das »Restrisiko« tragen allein wir. Und das ist nun mal bei Atomenergie völlig unkalkulierbar. Der Preis, den wir dafür zahlen, entzieht sich jeder Vorstellungskraft.

 

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Wissenswertes zum Tag

→GAU im AKW Fukushima Daiichi | 11. März

Am 11. März 2011 erschütterte ein Erd­be­ben den Meeres­grund vor der Küs­te Ja­pans. Da­mit wur­de der Su­per-GAU des AKW ein­ge­lei­tet.

 

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