Deir el-Bahari
Text 3: Der Tod als Brücke zwischen zwei Leben

Titelbild Deir el-Bahari mit dem ägyptischen Namen der Tempelanlage in Hieroglyphen

Djeser-djeseru

Deir el-Bahari

Der Tempel der Maat-ka-Ra Hatschepsut

Teil 3

Djeser-djeseru

Hieroglyphen: Tempel für viele Millionen Jahre, Tempel des Amun, der Erhabenste der Erhabenen

Tempel für viele Millionen Jahre, Tempel des Amun, der Erhabenste der Erhabenen – so nannten die Ägypter die Tempelanlage in Deir el-Bahari auf der Westbank der alten Königsstadt Theben, dem heutigen Luxor.

Königin Hatschepsut regierte Ägypten vermutlich zwischen 1478/79 - 1457/58 v. Chr.

Sie trug den Thronnamen Maat-ka-Ra, war die Witwe des Pharaos Thutmosis II. und lies die Tempelanlage Djeser-djeseru über drei Terrassen von ihrem Baumeister Senenmut als ihren Totentempel errichten.

Das zentrale Heiligtum auf der dritten Terrasse war dem Gott Amun geweiht. In weiteren Kapellen wurden die Göttin Hathor und der Gott Anubis verehrt.

Der Tod als Brücke zwischen zwei Leben

Die Ägypter glaubten an ein Leben nach dem Tod, das in einer anderen Welt stattfindet, im Jenseits. Des Leben vor dem Tod wurde verstanden als Vorbereitung mit dem Zweck, das Leben im Jenseits so angenehm wie möglich zu gestalten. Die Zusammenhänge zwischen diesseitigem und jenseitigen Leben waren komplex. So war eine edle, anständige und vorbildliche Lebensweise unabdingbar, denn im Jenseits wurde das Herz des Verstorbenen in der Waagschale des Totengerichts gewogen.

So war beispielsweise auch die Erinnerung der Lebenden an längst verstorbene Vorfahren ein wichtiger Faktor für ihre Existenz und ihr Wohlergehen im Jenseits. Wichtige Persönlichkeiten, insbesondere die Pharaonen, ließen ihre Bilder und ihre Namenskartuschen an vielen Stellen aufmalen und in Stein meißeln, um nicht in Vergessenheit zu geraten.

Lebende, aber auch Verstorbene konnten bestraft wer­den mit großen Folgen für die Zeit im Jenseits, in dem die Erinnerung an sie ausgelöscht wurde: Namen und Bilder wurden getilgt, zerstört, von Wänden gekratzt, übermalt und aus Manuskripten gestrichen. Auch Hatschepsut erlitt dieses Schicksal, wie wir noch in Teil 4 unserer kleinen Abhandlung sehen wer­den.

Der Totenkult war ausgeprägt. Leichen wurden würdevoll bestattet. Die Mumifizierung der Körper entsprang der Idee, dass die Toten ihre Leibeshülle brauchten, um im Jenseits Gestalt annehmen zu können. Sie diente aber auch schlicht als Maßnahme gegen das Vergessen, die wohl den größten Schutz im Jenseits bedeutete. Reich ausgestattete Gräber spiegelten den Reichtum und das Leben, das der Verstorbene einst lebte.

Dem Glauben der Ägypter und der ägyptischen Mythologie mit ihrem Totenkult verdanken wir unzählige Grabanlagen, die mehr noch als die Tempel über die Zeit berichten, in denen diese Menschen einst lebten. Die ägyptische Gesellschaft errichte bereits viele hundert Jahre vor Christus ganze Nekropolen, also Friedhöfe, die mit ihren Bauten und Anlagen Städten gleich ka­men und sie gar übertrafen. Sie errichteten beeindruckende Bauwerke, die nur einem Zweck dienten: dem Totenkult zu Ehren eines einzigen Menschen, wie es die Pyramiden von Gizeh sind.

Gräber finden sich in Mengen in und rund um Tempelanlagen. Oft waren Tempel selbst ein Mausoleum, ein einziges Grab für den Herrscher, wie vermutlich der Totentempel des Mentuhotep II., der neben der Tempelanlage Djeser-djeseru liegt. Die Felshänge bei Deir el-Bahari sind voll von Felsengräbern. Der Besucher, der über die Ausgrabungsstätten blickt, sieht zahlreiche Sarkophage aus Stein, die scheinbar achtlos neben Tempelwänden stehen.

Doch Djeser-djeseru ist kein Totentempel – wenn er womöglich auch einst so geplant gewesen sein mag! Das vorhandene Grab, das Senenmut dort für sich selbst einplante, kann nur den Schluss zulassen, dass auch sein Pharao, die Königin Maat-ka-Ra Hatschepsut, dort ursprünglich bestattet wer­den sollte. Doch die Geschichte verlief anders, noch zu Lebzeiten Hatschepsuts wurde neu geplant. Djeser-djeseru war und blieb eine Tempelanlage zur Verehrung des Got­tes Amun, zur Verehrung der Göttin Hathor, die wohl Hatschepsuts Lieblingsgöttin war, und zur Verehrung des Totengottes Anubis, mit dem sich Hatschepsut aus guten Gründen ganz besonders gut stellen musste. Er ist es, der ihr in der Anubis-Kapelle das »Anch«, das Lebenssymbol überreicht. Er ist damit der Garant für ihr Leben im Jenseits.

Die Felsengräber im Osthang des Tales

Felsengräber in den Berghängen bei Deir el-Bahari [1] | Foto: Sabrina | Reiner | CC BY-SA

Bild 1 -3

Die Tempelanlagen von Deir el-Bahari sind umringt von zahlreichen Nekropolen und Grabanlagen. Für den Besucher sind die Öffnungen in der Ostwand der Bergkette weithin sichtbar. Hier wurden viele Felsengräber unterschiedlicher Qualität entdeckt.

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Fotos: ©by Sabrina | Reiner | CC BY-SA

 

Felsengräber in den Berghängen bei Deir el-Bahari [2] | Foto: Sabrina | Reiner | CC BY-SA
Felsengräber in den Berghängen bei Deir el-Bahari [3] | Foto: Sabrina | Reiner | CC BY-SA

Bild 4

Nahezu unbemerkt von den vielen Tagesbesuchern befinden links neben dem Tempel am Sockel ganze Reihen steinerner Sarkophage. Die Ausgrabungen im Tempelkomplex mit den drei Tempeln sind noch im Gange.

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Foto: ©by Sabrina | Reiner | CC BY-SA

 

Sarkophage bei Deir el-Bahari | Foto: Sabrina | Reiner | CC BY-SA

Das Grab der Hatschepsut

Die Felswand des Bergkammes, an dem die Tempel errichtet sind, trennt Deir el-Bahari vom Tal der Könige. Dort befindet sich auch, nur wenige Meter Luftlinie von ihrem Tempel entfernt, das Grab der Hatschepsut (Nr. 20 im Tal der Könige, KV201). Nach dessen Fertigstellung ordnete Hatschepsut die Umbettung der Mumie ihres geliebten Vaters, Thutmosis I., in dieses Grab an.

Doch die Ruhe in seinem neuen Grab nahe seiner Tochter war für Thutmosis I. nur von kurzer Dauer: Thutmosis III. ließ seinen Großvater nach dem Tod der Hatschepsut wieder in seine ursprüngliche Grabkammer im Tal der Könige KV38 überführen. Wenige hundert Jahre später fand Thutmosis I. seine vorläufig letzte Ruhestätte im Versteck von Deir el-Bahari (DB320). Heute befindet sich seine Mumie im Ägyptischen Museum in Kairo.

KV20 ist die zweite Grabanlage, die für Hatschepsut errichtet wurde. Vor ihrer Krönung, als sie noch Große Königliche Gemahlin des Thutmosis II. war, begann man mit dem Bau eines Felsengrabs im Wadi Sikket Tâquet el-Zaid. Dieses Grab ist jedoch unvollendet und aufgegeben wor­den, als Hatschepsut Königin wurde.

Hatschepsut selbst wurde im Grab KV20 bestattet. Heute ist der Verbleib ihrer Mumie allerdings ungeklärt. In DB320 wurde nur ein kleiner Elfenbeinkasten mit der Kartusche der Maat-ka-Ra neben einem leeren Frauensarg gefunden. Der Elfenbeinkasten enthielt ein mumifiziertes Organ – die Milz oder die Leber. Neben dem Frauensarg fand man eine weibliche Mumie. Es ist jedoch nicht beweisbar, dass dies die Mumie der Hatschepsut ist. In der wissenschaftlichen Diskussion gibt es zahlreiche Versuche und Anstrengungen, unter unbekannten weiblichen Mumien die der Hatschepsut zu identifizieren.

1 Abkürzungen in den Nummerierungen der Grabanlagen:

  • KV = Kings Valley; Grab im Tal der Könige
  • TT = Theban Tomb; Grab in Theben
  • DB = Deir el-Bahari; Grab in/bei Deir el-Bahari

Das Grab des Senenmut

Er war der Architekt und Erbauer des Tempels der Hatschepsut und wohl auch lange Zeit ihr Geliebter. Er legte sein Grab selbst unter der ersten Terrasse des Tempels an. Allerdings wurde er dort nicht bestattet. Vermutlich fiel Senenmut in den letzten Jahren der Regierung der Hatschepsut in Ungnade und wurde mit großer Wahrscheinlichkeit schließlich in seinem zweiten Grab beigesetzt. Dieses Grab mit der Bezeichnung TT71 befindet sich wenige hundert Meter südlich von Deir el-Bahari in einer der «Nekropolen der Noblen» in Scheik Abd el-Qurna.

 

Gräber im Tempel Mentuhoteps

Der Tempel von Pharao Mentuhotep II. befindet sich neben dem Tempel der Hatschepsut. Er war noch als wirklicher Totentempel und mit einer Grabanlage für den Pharao angelegt. In der Tempelanlage fanden sich zudem Kapellen und Gräber für die Königinnen, Prinzen und Prinzessinnen.

Blick auf den Tempel des Mentuhotep II.  | Foto: Sabrina | Reiner | CC BY-SA

Bild 5

Der Tempel des Mentuhotep II. befindet sich links neben dem Tempel der Hatschepsut. Von dieser Anlage sind nur noch die erste Rampe und einige Trümmer vorhanden.

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Foto: ©by Sabrina | Reiner | CC BY-SA

 

Das Versteck von Deir el-Bahari

Überquert man den Südhang der Bergkette, die Deir el-Bahari einschließt, gelangt man in ein stark V-förmig geschnittenes kleines Tal, das von weitem nicht eingesehen wer­den kann.

Hier fand man 1881, im ursprünglichen Grab der königlichen Braut Inhapi (Grab Nr. DB320), das heute berühmte »Versteck von Deir el-Bahari«: In einer einzigen Grabkammer befanden sich 40 königliche Mumien, darunter die Mumien von Thutmosis I., Thutmosis III., Sethos I. und Ramses II.

In Folge von wiederholten Grabplünderungen bereits in den Jahren vor 1000 v. Chr. beschlossen die Priester Thebens wahrscheinlich um 1080 - 960 v. Chr. die Mumien der bedeutendsten Pharaonen vor der Entweihung zu retten und die Überreste hier zu verstecken. Die völlig planlose und wirre Anordnung der Sarkophage bescheinigt, dass Eile und Geheimhaltung bei der Rettungsaktion der Mumien im Vordergrund standen und religiöse Riten eines Totenkultes bei der Umbettung keine Rolle mehr spielten.

 

Fortsetzung in den Teilen 1 und 3 bis 4

Teil 1:

  • Djeser-djeseru – Tempel für viele Millionen Jahre, Tempel des Amun, der Erhabenste der Erhabenen, so nannten die Ägypter die Tempelanlage in Deir el-Bahari auf der Westbank der alten Königsstadt Theben, dem heutigen Luxor. Im ersten Teil stellen wir Ihnen die Tempelanlage überblicksartig vor.

Teil 2:

  • Traurige Berühmtheit erfuhr der Tempel der Hatschepsut am Morgen des 17. November 1997, als ein sechsköpfiges Killerkommando der islamistischen Gama'at al-Islamiyya (Islamische Vereinigung) mit Sturmgewehren und Maschinenpistolen in die Touristenmenge am Fuße des Tempels schießt. 58 Touristen, darunter vier Deutsche, sowie vier ägyptische Polizisten und Zivilisten kommen dabei ums Leben.

Teil 4:

  • Die Anubis-Halle im Tempel der Hatschepsut überrascht mit einem merkwürdigen Relief: Dort, wo eigentlich der Totengott Anubis verehrt wird, zeigt sich der Gott Sokar. Als Totengott der Ägypter stammt er aus einer anderen Epoche und aus einer anderen Region des weit gestreckten Landes. Was macht Sokar in der Anubis-Halle? Wir finden keine Antwort, aber es zeigt sich ein Puzzle vor dem Hintergrund der Zerstörungen und Veränderungen in den Zeiten nach Maat-ka-Ra.
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Hatschepsut war die erste Frau, die zum Pha-rao ge-krönt wur-de. Der Ar-ti-kel zeigt ih-re zahl-rei-chen Na-men, die sich noch heu-te in In-schrif-ten fin-den las-sen.

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