Die Bedeutung Marias im evangelischen Glauben?
Grafik: Trauernde Frau
Die Grafik basiert auf einem KI-generierten Bild.
©by Reiner Makohl | lizenziert für www.stilkunst.de
Es war am Morgen des Ostertages. Maria Magdalena, die Gefährtin Jesu, trauert. Sie schaut zum Grab Jesu. Noch weiß sie nicht, dass das Grab leer ist.
Seit dem Kirchenjahr 2018/2019 gibt es im evangelischen Kirchenkalender den Tag der Maria Magdalena, der in Anlehnung an die römisch-katholische Kirche auf den 22. Juli festgelegt wurde.
Welche Bedeutung hat dieser Tag? Wer ist Maria Magdalena? Was wird in der Bibel über sie berichtet? Warum wird ihr nun, 500 Jahre nach der Reformation, ein Gedenktag gewidmet?
Dieser Artikel möchte diesen Fragen um die Person der Maria Magdalena nachgehen.
Maria Magdalena ist eine der bekanntesten und gleichzeitig umstrittensten Figuren des Neuen Testaments. Ihre Rolle und Bedeutung werden in verschiedenen christlichen Traditionen unterschiedlich interpretiert. Sie wird oft als Jüngerin Jesu, Zeugin seiner Kreuzigung und erste Verkünderin seiner Auferstehung dargestellt. Im Laufe der Jahrhunderte hat sich ihr Bild stark verändert, von einer treuen Anhängerin bis hin zur umstrittenen Sünderin.
In den vier kanonischen Evangelien wird Maria Magdalena mehrfach erwähnt. Die Evangelien beschreiben sie als eine Frau aus Magdala, einer Stadt am Westufer des Sees Genezareth.
In Lukas 8,2 wird berichtet, dass Jesus sieben Dämonen aus ihr ausgetrieben habe, was als Zeichen für eine tiefgreifende spirituelle Befreiung interpretiert wird.
Alle übrigen Erwähnungen der Maria Magdalena finden sich nur in den Kreuzigungs- und Auferstehungsberichten, in denen Maria Magdalena jeweils eine prominente Rolle einnimmt.
Hier die Liste aller namentlichen Nennungen der Maria Magdalena in der Bibel:
Stelle | Text und Erklärung |
Matthäusevangelium | |
»Unter ihnen waren Maria Magdalena und Maria, die Mutter des Jakobus und des Joses, und die Mutter der Söhne des Zebedäus.« Hier wird Maria Magdalena als eine der Frauen aus dem Umfeld Jesu erwähnt, die bei Jesu Kreuzigung dabei waren. | |
»Aber Maria Magdalena und die andere Maria blieben dort sitzen, dem Grab gegenüber.« Nach der Kreuzigung beobachtet Maria Magdalena, wo Jesus begraben wird. | |
»Nach dem Sabbat aber, als der erste Tag der Woche anbrach, kamen Maria Magdalena und die andere Maria, um nach dem Grab zu sehen.« Maria Magdalena ist eine der ersten Zeugen der Auferstehung Jesu. | |
Markusevangelium | |
»Es waren aber auch Frauen da, die von Ferne zusahen, unter ihnen Maria Magdalena und Maria, die Mutter des Jakobus des Kleinen und des Joses, und Salome.« Ähnlich wie im Matthäusevangelium wird Maria Magdalena hier als Zeugin der Kreuzigung Jesu erwähnt. | |
»Maria Magdalena aber und Maria, die Mutter des Joses, sahen, wo er hingelegt wurde.« Maria Magdalena beobachtet, wo Jesus begraben wird. | |
»Und als der Sabbat vorüber war, kauften Maria Magdalena und Maria, die Mutter des Jakobus, und Salome wohlriechende Öle, um hinzugehen und ihn zu salben.« Maria Magdalena kommt mit den anderen Frauen, um Jesus zu salben, und entdeckt das leere Grab. | |
»Als aber Jesus auferstanden war früh am ersten Tag der Woche, erschien er zuerst Maria Magdalena, von der er sieben Dämonen ausgetrieben hatte.« Dies betont ihre besondere Rolle als erste Zeugin der Auferstehung und verweist auf die seit längerer Zeit bestehende Beziehung zu Jesus. Die Geschichte, in der erzählt wird von der Austreibung der sieben Dämonen, wird hier im Markusevangelium nur erwähnt. Zu finden ist sie nur im Lukasevangelium (s. u.). | |
Lukasevangelium | |
»[...] und einige Frauen, die er von bösen Geistern und Krankheiten geheilt hatte: Maria, genannt Magdalena, von der sieben Dämonen ausgefahren waren, [...]« Hier wird Maria Magdalena als eine von den Frauen erwähnt, die Jesus nachfolgten und von ihm geheilt wurden. Dieses Ereignis wird im Markusevangelium bestätigt (Mk 16,9; s. o.). | |
»Es waren aber Maria Magdalena und Johanna und Maria, des Jakobus Mutter, und die andern mit ihnen, die sagten das den Aposteln.« Maria Magdalena ist eine der Frauen, die den Aposteln von der Auferstehung Jesu berichten. | |
Johannesevangelium | |
»Es standen aber bei dem Kreuz Jesu seine Mutter und seiner Mutter Schwester, Maria, des Kleopas Frau, und Maria Magdalena.« Maria Magdalena steht bei der Kreuzigung Jesu. | |
»Am ersten Tag der Woche aber kommt Maria Magdalena früh, als es noch finster war, zum Grab und sieht, dass der Stein vom Grab hinweggenommen war. Da läuft sie und kommt zu Simon Petrus und zu dem andern Jünger, den Jesus lieb hatte, und spricht zu ihnen: Sie haben den Herrn weggenommen aus dem Grab, und wir wissen nicht, wo sie ihn hingelegt haben.« Maria Magdalena entdeckt das leere Grab. | |
Dieser Text ist im evangelischen Kirchenkalender die Evangeliumsperikope zum Tag der Maria Magdalena (22. Juli): Dies ist die ausführlichste Schilderung der Begegnung von Maria Magdalena mit dem auferstandenen Jesus. Hier erkennt sie Jesus erst, als er sie beim Namen ruft. |
Auffällig ist: Bis auf Joh 19,25 wird Maria Magdalena unter mehreren Frauen immer an erster Stelle genannt. Dies weist auf ihre Stellung und Bedeutung im Kreis der Jüngerinnen und Jünger Jesu hin.
Seit dem 6. Jahrhundert wurde Maria Magdalena mit der salbenden Sünderin aus Lk 7,36-50 identifiziert, die dort nicht benannt und somit unbekannt ist.
In einer Notiz in seiner Biblia von 1545 setzte Martin Luther die unbenannte Frau in der Geschichte von der Salbung in Bethanien in Mt 26,6-13 mit Maria Magdalena gleich. Die Notiz findet sich in Markus 6 zum Vers 13, wo vom Öl die Rede ist, das die Apostel zum Heilen von Siechtum nutzten.
Luther schrieb in der Marginalspalte:
Dis öle machte die Krancken geſund. Aus welchem hernach ein Sacrament ertichtet iſt / fur die ſterbenden. Welches viel beſſer möchte Magdalena ſalbe heiſſen / da ſie Chriſtum auch alſo zum Grabe ſalbete.
[»Dieses Öl machte die Kranken gesund. Daraus wurde später ein Sakrament erfunden für die Sterbenden. Dieses [Öl] sollte viel besser „Magdalenen-Salbe“ heißen, da sie [Maria Magdalena] Christus auch gleichsam zum Grabe salbte. Matt 26.«]
Es ist davon auszugehen, dass die unbenannte Frau in Matthäus 26,6-13 zu jener Zeit allgemein mit Maria Magdalena gleichgesetzt wurde. Wohl nicht zuletzt wegen der inhaltlichen Nähe zu Lk 7,36-50 (Salbung Jesu durch eine Frau), wenn hier auch nicht von einer Sünderin die Rede ist.
Auch Maria von Bethanien (vgl. vor allem Joh 12,1-8) wurde mit Maria Magdalena gleichgesetzt. Dann wäre sie die Schwester der Martha und die Schwester des Lazarus gewesen, den Jesus von den Toten aufferweckte.
Alle diese Annahmen sind nicht haltbar. Es fehlen Beweise oder auch nur hinreichende Indizien.
Das apokryphe »Evangelium nach Maria« bietet eine weitere Perspektive auf Maria Magdalena. Dieses Schriftstück, das nicht zum biblischen Kanon gehört, beschreibt Maria Magdalena als eine weise und spirituell tiefgründige Jüngerin, die eine besondere Beziehung zu Jesus hatte. In diesem Text spielt sie eine führende Rolle unter den Jüngern und wird als Vermittlerin geheimer Lehren Jesu dargestellt.
Das apokryphe Philippusevangelium besteht aus 127 Versen. Die Verse 32 und 55 nennen Maria Magdalena »Gefährtin« Jesu. Vers 55 beschreibt zudem, dass Jesus seine Gefährtin Maria Magdalena mehr liebte als seine Jünger und sie oft küsste, wie sich Liebende küssen.
Der Vers 32 nennt explizit drei Frauen, die ständig bei Jesus waren: seine Mutter Maria, seine Schwester Maria und Maria Magdalena, seine Gefährtin.
Im Mittelalter entstanden zahlreiche Legenden um Maria Magdalena (siehe u. a. Legenda Aurea, Band 2, S. 1235-1259, »Die heilige Maria Magdalena«).
In westlichen Traditionen wurde sie oft mit der namenlosen Sünderin gleichgesetzt, die Jesus die Füße salbte ( Lukas 7,36-50). Diese Identifikation führte zu ihrer Darstellung als reuige Prostituierte, ein Bild, das besonders durch Papst Gregor den Großen im 6. Jahrhundert gefördert wurde, aber haltlos ist.
In der östlichen Orthodoxie hingegen blieb sie vorwiegend als treue Jüngerin und erste Zeugin der Auferstehung in Erinnerung.
In jüngerer Zeit haben feministische Theologinnen Maria Magdalena neu interpretiert. Sie betonen ihre Rolle als unabhängige und mutige Frau, die eine zentrale Rolle im frühen Christentum spielte. Diese Perspektive stellt Maria Magdalena als Vorbild für weibliche Führung und spirituelle Weisheit dar.
In der evangelischen Theologie und Tradition hat Maria Magdalena als Jüngerin Jesu eine einfache, aber sehr wichtige Rolle inne. Sie gehörte zum engsten Kreis um Jesus. Sie verkündete als erster Mensch die Auferstehung Jesu, das zentrale Moment des christlichen Glaubens.
Der Glaube an die Auferstehung des gekreuzigten Messias Jesus hat eine einmalige und besondere Gestalt. Ohne diesen Glauben wäre kein Christentum entstanden. Damit steht Maria Magdalena zugleich am Anfang wie auch als Ausgangspunkt des christlichen Glaubens.
Die Bedeutung und Darstellung der Maria Magdalena unterscheidet sich von anderen christlichen Traditionen deutlich.
Im evangelischen Glauben wird Maria Magdalena vor allem als die erste Zeugin der Auferstehung Jesu Christus geschätzt. Sie war die erste Person, die den auferstandenen Jesus sah und die Botschaft der Auferstehung auf dessen Auftrag hin verbreitete ( Johannes 20,1-18). Diese Tatsache unterstreicht die wichtige Rolle von Frauen in den frühen christlichen Gemeinschaften und ihre Fähigkeit, zentrale Glaubensbotschaften zu vermitteln und zu verkünden.
Maria Magdalena wird im evangelischen Glauben als Beispiel für tiefe Treue und Hingabe an Jesus Christus angesehen. Ihre Präsenz bei der Kreuzigung und ihr frühes Aufsuchen des Grabes am Ostermorgen zeigen ihre tiefe Verbundenheit mit Jesus und ihre Entschlossenheit, sein Werk fortzusetzen und ihm bis zum Ende und darüber hinaus treu zu bleiben.
Im Gegensatz zu einigen katholischen Traditionen wird Maria Magdalena im evangelischen Glauben nicht mit der namenlosen Sünderin gleichgesetzt, die Jesus die Füße wusch (Lukas 7, 36-50). Diese Unterscheidung hilft, sie von Stereotypen und Missverständnissen zu befreien und ihre wahre Bedeutung als Jüngerin und Zeugin der Auferstehung hervorzuheben.
Im evangelischen Glauben ist Maria befreit von allen Überzeichnungen durch die im Mittelalter entstandenen Legenden.
Die katholische Kirche begeht den Gedenktag am 22. Juli. Im Jahr 2016 entschied Papst Franziskus, den seitherigen gebotenen Gedenktag zum Fest aufzuwerten. Damit wurde Maria Magdalena den Aposteln gleichgestellt, was den Rang ihres Gedenkens im Heiligenkalender betrifft. [1]
Und »erst seit dem neugestalteten liturgischen Kalender von 1969 wird sie in der katholischen Kirche nicht mehr mit der Büßerin oder Sünderin gleichgesetzt« [2], von der Lk 7,36-50 berichtet.
Diese Geschichte erfuhr im Mittelalter farbenreiche Ausschmückungen, zusätzlich getrieben von der Idee, dass Maria als Frau in der Nachfolge Evas als Sünderin stand.
Für die Kirche war sie spätestens seit dem 6. Jahrhundert eine Prostituierte, die sich ganz den »Freuden des Leibes und der Wollust« hingab. Ihr Schicksal als Jüngerin Jesu wurde durch die Liebe Jesu zu ihr bestimmt, der »ihr große Wohltaten erwies und ihr gegenüber große Zeichen der Zuneigung« tat. [3]
Maria Magdalena ist in der katholischen Kirche Patronin der Frauen, der reuigen Sünderinnen und Verführten; der Kinder, die schwer gehen lernen; der Schüler und Studenten, der Gefangenen; der Handschuhmacher, Wollweber, Kammmacher, Friseure, Salbenmischer, Bleigießer, Parfüm- und Puderhersteller, Gärtner, Winzer, Weinhändler, Böttcher; sie wird angerufen gegen Augenleiden und Pest, gegen Gewitter und Ungeziefer. [4]
Anmerkungen:
[1] Quelle: Ökumenisches Heiligenlexikon: heiligenlexikon.de
[2] Quelle: katholisch.de
[3] Quelle: Legenda Aurea, Band 2, S. 1237, »Die heilige Maria Magdalena«
[4] Quelle: katholisch.de
In der evangelischen Tradition hat Maria, die Mutter Jesu, eine wichtige, aber unterschiedliche Bedeutung im Vergleich zur katholischen und orthodoxen Kirche.
Bartholomäus war einer der zwölf Jünger Jesu, die er selbst berufen hatte. Doch wir erfahren aus den Evangelien nur wenig über ihn.