vorgelesen von Reiner Makohl
Die Frage nach dem größten Gebot
Der Text Mk 12,28-34 erzählt die Geschichte von der Frage eines Schriftgelehrten an Jesus, welches das größte Gebot sei.
Von großer Bedeutung sind vor allem zwei Aussagen in diesem Textstück:
1. Es gibt für Christen kein größeres Gebot als das:
Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.
2. Die Einhaltung des sogenannten »Doppelgebots der Liebe« (liebe Gott und liebe deinen Nächsten) übertrifft jede Form denkbarer Opfer, Opfergaben und Opferrituale. Dazu zählen auch Sühneopfer. Allein durch die Befolgung des Gebots werden Opfer unnötig. Buße mündet daher immer in Liebe, nicht in Ritualen gleich welcher Art.
Das Wort »thurste« (thurſte) im letzten Satzstück von Vers 34 kommt von einem heute nicht mehr gebräuchlichen Verb »turren« bzw. »durren« zu den Substantiven »Thurst, Turst, Durst«. Es bedeutet etwa »wagen, sich erkühnen, sich erdreisten«, aber auch »dürfen«.
Die Bedeutung ist hier im Vers 34 dicht am heutigen »dürfen«. Der Text meint dann »Und es durfte ihn niemand weiter fragen.«
Die Frage nach dem größten Gebot
Wenden wir uns einem zentralen Abschnitt aus dem Markus-Evangelium zu, der uns die Essenz des christlichen Glaubens aufzeigt. Markus 12,28-34 enthält die Worte Jesu, die uns lehren, was das wichtigste Gebot ist.
Diese Worte haben eine unermessliche Bedeutung für unser Leben als Christen und für unser Verständnis von Gottes Willen.
Ein Schriftgelehrter fragte Jesus: »Welches ist das höchste Gebot von allen?«
Jesus antwortete: »Das höchste Gebot ist: „Höre, Israel, der Herr, unser Gott, ist der alleinige Herr. Und du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von ganzem Gemüt und von allen deinen Kräften.“ Das andre ist dies: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“ Es ist kein anderes Gebot größer als diese.«
Der Schriftgelehrte sprach: »Ja, es ist wahr, er ist der einige Gott, und es ist kein anderer außer ihm. Ihn lieben von ganzem Herzen, von ganzem Gemüt und von allen Kräften und seinen Nächsten lieben wie sich selbst, das ist mehr als alle Brandopfer und Schlachtopfer.«
Da sprach Jesus zu ihm: »Du bist nicht fern vom Reich Gottes.«
Der Kontext dieser Begegnung ist eine Reihe von Diskussionen und Streitgesprächen zwischen Jesus und den religiösen Führern seiner Zeit.
Ein Schriftgelehrter, beeindruckt von Jesu Antworten, stellt eine bedeutende Frage: »Welches ist das höchste Gebot von allen?«
Diese Frage zielt auf den Kern des jüdischen Glaubens und der Tora ab.
Jesus antwortet zunächst mit dem Schma Israel [1], einem zentralen Gebet des Judentums: »Höre, Israel, der Herr, unser Gott, ist der alleinige Herr.«
Damit zieht Jesus für seine Antwort die Formel eines Glaubensbekenntnisses heran, das jedem Juden geläufig ist.
Daraufhin formuliert er das erste der beiden höchsten Gebote: »Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von ganzem Gemüt und von allen deinen Kräften.«
Diese Liebe zu Gott soll unser ganzes Sein durchdringen. Sie ist nicht nur eine emotionale Zuneigung, sondern eine ganzheitliche Hingabe, die unser Denken, Fühlen und Handeln umfasst.
Jesus fügt unmittelbar das zweite der beiden höchsten Gebote hinzu: »Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.«
Hier zeigt sich, dass die Liebe zu Gott untrennbar mit der Liebe zu den Mitmenschen verbunden ist. Wahre Gottesliebe manifestiert sich in der praktischen Liebe und Fürsorge für andere Menschen.
Der Schriftgelehrte erkennt die Tiefe und Wahrheit von Jesu Antwort und bestätigt, dass diese Gebote wichtiger sind als alle religiösen Rituale und Opfer. Dies unterstreicht die Priorität der Liebe über religiöse Formalitäten und äußere Praktiken.
Jesus bemerkt die Weisheit des Schriftgelehrten und sagt ihm: »Du bist nicht fern vom Reich Gottes.«
Dies zeigt, dass das Verständnis und die Umsetzung dieser Gebote den Menschen dem Reich Gottes nahebringen. Es geht um eine innere Haltung und die konkrete Umsetzung von Liebe in unserem Leben.
Lasst uns unser Leben darauf ausrichten, Gott von ganzem Herzen, ganzer Seele, ganzem Gemüt und allen Kräften zu lieben. Dies bedeutet, dass wir in allen Bereichen unseres Lebens nach Gottes Willen suchen und unser Leben nach den christlichen Lehren gestalten, so gut es uns gelingen kann.
Die Liebe zu unseren Mitmenschen sollte in unseren täglichen Handlungen sichtbar werden. Dies kann durch Freundlichkeit, Unterstützung, Vergebung und Mitgefühl geschehen.
Jeder Mensch ist unser Nächster, unabhängig von Herkunft, Geschlecht, Religion, Weltanschauung, Alter, körperlichen und geistigen Fähigkeiten oder Einschränkungen, sexueller Identität oder gesellschaftlichem Status.
Beide Gebote sind gleichwertig. Zusammen werden sie »das Doppelgebot der Liebe« genannt. Sie stehen in enger, untrennbarer Beziehung zueinander.
Wir können nicht Gott lieben, ohne unsere Mitmenschen zu lieben. Und das meint umgekehrt eben auch: Wenn wir unsere Mitmenschen nicht lieben, lieben wir Gott nicht.
Während religiöse Rituale und Gottesdienste wichtig sind, sollten sie niemals an die Stelle der Liebe treten.
Unsere Gottesdienste sollten Ausdruck und Quelle der Liebe sein, die wir in der Welt ausleben.
Unser Leben sollte Gottesdienst sein.
Die Worte Jesu in Markus 12,28-34 sind ein Aufruf zu einer tiefen und authentischen Nachfolge. Lasst uns bestrebt sein, Gottes Liebe in unserem Leben widerzuspiegeln und in der Welt zu verbreiten. Indem wir Gott lieben und unseren Nächsten wie uns selbst, kommen wir dem Reich Gottes nahe und erfüllen den höchsten Auftrag, den Jesus uns gegeben hat.
Anmerkungen:
[1] Das Schma Jisrael oder Schema Jisrael (hebräisch: שְׁמַע יִשְׂרָאֵל šma‘ yiśra’el; deutsch: ‚Höre, Israel!‘) gehört zu den wichtigsten Gebeten des Judentums. Es ist benannt nach den Anfangsworten eines Abschnitts aus der Tora (5. Buch Mose 6,4–9) und ist ein zentraler Bestandteil des Abend- (Maariw, hebr. מעריב) und des Nacht- und Morgengebets (Schacharit, hebr. שחרית).
( Wikipedia, Schma Jisrael)
Perikope | Typ | Tag |
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1531 - 1898 | ||
Keine Verwendung an Sonntagen, Feiertagen und Gedenktagen | ||
1899 - 1978 | ||
Keine Verwendung an Sonntagen, Feiertagen und Gedenktagen | ||
Lutherische Kirchen 1958-1978 | ||
Keine Verwendung an Sonntagen, Feiertagen und Gedenktagen | ||
1979 - 2018 | ||
Mk 12,28-34 | Evangelium + Reihe I | |
seit 2019 | ||
Mk 12,28-34 | Evangelium + Reihe I |
|
Mk 12,28-34 | Pool |
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Frakturschrift ist nicht leicht zu lesen. Die Videos zeigen ausgewählte Texte aus der Lutherbibel von 1545, vorgelesen von Reiner Makohl.
Unsere Reihe »Gedanken zu biblischen Texten« bietet Texte und Videos mit Gedanken zu ausgewählten Perikopen und Textabschnitten der Bibel.
Die Lutherbibel von 1545 ist mit ihrem Frakturzeichensatz nicht leicht zu lesen. Wir bieten Videos, in denen ausgewählte Perikopen aus den Sonn- und Feiertagsreihen vorgelesen werden.
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©2024 by Reiner D. Makohl | www.stilkunst.de
Bibeltexte: Dr. Martin Luther, Biblia, Wittenberg 1545
Zeichensätze der Frakturschriften, Typografie & Layout,
Video: Reiner D. Makohl
Sprecher: Reiner D. Makohl
Musik: ©Bluevalley, J.S.Bach, Präludium in C-Dur, Gitarre