Evangelium nach Markus
Mk 10,17-27
Text hören:
Sprecher: R. Makohl | Musik: ©Bluevalley, J.S. Bach
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Euangelium
S. Marcus.
C. X.
DA Jheſus hin aus gangen war auff den weg / lieff einer forne für / kniet fur jn / vnd fraget jn / Guter meiſter / was ſol ich thun / das ich das ewige Leben ererbe? 18Aber Jheſus ſprach zu jm / Was heiſſeſtu mich gut? Niemand iſt gut / denn der einige Gott. 19Du weiſſeſt je die Gebot wol / Du ſolt nicht ehebrechen. Du ſolt nicht tödten. Du ſolt nicht ſtelen. Du ſolt nicht falſch gezeugnis reden. Du ſolt niemand teuſchen. Ehre deinen Vater vnd Mutter. 20Er antwortet aber / vnd ſprach zu jm / Meiſter / das hab ich alles gehalten von meiner Jugent auff. 21Vnd Jheſus ſahe jn an / vnd liebet jn / vnd ſprach zu jm / * Eines feilet dir / Gehe hin / verkeuffe alles was du haſt / vnd gibs den Armen / ſo wirſtu einen Schatz im Himel haben / Vnd kom / folge mir nach / Vnd nim das Creutz auff dich. 22Er aber ward vnmuts vber der rede / vnd gieng trawrig dauon / Denn er hatte viel Güter.
*
(Eines)
Das iſt / Es feilet dir gantz vnd gar / Denn du wilt from ſein / vnd doch dein Gut nicht laſſen vmb meinen willen / noch mit mir leiden. Darumb iſt Mammon gewislich dein Gott / vnd haſt jn lieber denn mich.
23VND Jheſus ſahe vmb ſich / vnd ſprach zu ſeinen Jüngern / Wie ſchwerlich werden die Reichen in das reich Gottes komen. 24Die Jünger aber entſatzten ſich vber ſeiner rede. Aber Jheſus antwortet widerumb vnd ſprach zu jnen / Lieben kinder / Wie ſchwerlich iſts / das die / ſo jr vertrawen auff Reichthum ſetzen / ins reich Gottes komen. 25Es iſt leichter / das ein Kameel durch ein Naddelöhre gehe / Denn das ein Reicher ins reich Gottes kome. 26Sie entſatzten ſich aber noch viel mehr / vnd ſprachen vnternander / Wer kan denn ſelig werden? 27Jheſus aber ſahe ſie an / vnd ſprach / Bey den Menſchen iſts vnmüglich / Aber nicht bey Gott / Denn alle ding ſind müglich bey Gott.
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Jesus, der Reiche und die Gefahr des Reichtums
Der Text Mk 10,17-22 erzählt die Geschichte, in der Jesu über den Glauben spricht, der die Auferstehung in Aussicht stellt, und über die Nachfolge, die einen gewaltigen Bruch mit dem bisherigen Leben bedeutet.
Interessant ist die einleitende Anrede des reichen Mannes, der Jesus mit »guter Meister« anspricht. Jesus weist dies von sich, denn nur der »einige« Gott (nicht der »dreieinige«), also der »alleinige« Gott sei gut. Jesus sieht sich selbst in diesem Sinne nicht als »gut«. Er unterscheidet sich selbst von Gott. Er ist nicht Gott und sieht sich nicht als diesen.
Jesus erklärte einmal mehr, wie wichtig es ist, das mosaische Gesetz zu halten, zumindest in wesentlichen Kernteilen wie die Zehn Gebote, die eben nicht dem Gebot der Nächstenliebe widersprechen. Die neuen Lehren Jesu ändern diese Gesetze nicht, sondern interpretieren und gewichten sie neu. So ist das Doppelgebot der Liebe (»Liebe Gott über alles und deinen Nächsten wie dich selbst.«) eine neue Form der zehn Gebote, die zwar knapper formuliert, dafür aber auch weit umfassender ist und so die komplette »Gesetzlichkeit« umfasst.
Im Nachgang zu dieser Geschichte (Verse 23-27) spricht Jesus darüber, wie sehr Reichtum wahren Glauben behindern kann.
Dabei benutzt Jesus das Bild eines Nadelöhrs von einer üblichen Nähnadel: »Es ist leichter, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr gehe, als dass ein Reicher ins Reich Gottes komme.« So liest man es in fast allen gegenwärtigen Bibelübersetzungen, doch was ist das für ein merkwürdiger Vergleich?
Die neuere Forschung übernimmt diesen Text nicht mehr ungeteilt. Es könnte sich beim griechischen Wort für Kamel, κάμηλος (kámêlos; dt.: „Kamel“, „Karawane“), in den späten Quellen um einen Übertragungsfehler beim Abschreiben oder beim Schreiben nach Diktat handeln. Das griechische Wort für »Seil« bzw. »(Schiffs-)Tau« unterscheidet sich in nur einem Vokal, der auch noch phonetisch recht ähnlich klingt: »i« statt »e«: κάμιλος (kamilos). Etliche sehr alte Quellen der neutestamentlichen Texte benutzen diese Form, schreiben also (übersetzt): »Es ist leichter, dass ein Seil durch ein Nadelöhr gehe, als dass ein Reicher ins Reich Gottes komme.«
So macht das Gleichnis auch wirklich begreifbaren Sinn, möchte man Jesus nicht als sarkastischen Comedian betrachten. Das Bild war jedem einleuchtend, der je versucht hatte, durch das Öhr einer Nadel einen Faden zu fädeln, der auch nur einen Tick zu dick war.
Diese Gleichnisse zeigen immer wieder auf, welchen großen Wert Jesus dem gegenwärtigen Dasein beimaß. Das Leid der Armen bedrückte ihn offensichtlich sehr. Sie auf das jüngste Gericht zu vertrösten, war durchaus wichtiger Balsam für die Seele. Doch den physischen »Trost« in der realen Gegenwart, die Linderung der Armut, konnten nur Menschen geben, die reich genug waren, um von ihrem Reichtum abgeben zu können.
Der abschließende Satz Jesu in dieser Perikope erklärt eindeutig, dass niemand das Recht oder Kompetenz besitze, reichen Menschen das Himmelreich zuzusagen. Dies ist allein Sache Gottes. Der Platz im Reich Gottes kann nicht gekauft werden.
Dies ist ein Grund, warum in den vergangenen Jahrhunderten reiche Menschen nicht selten als Mäzen, Förderer und Spender in Gemeinden und Bistümern auftraten. Im Gegenzug erhielten sie neben Ablaß sogar Altäre, kleine Kapellen und Grüfte in Kirchen oder bevorzugte Grabstätten auf dem Kirchhof. Gott ein Stück näher sein, gerade als reiche Person. Jesus ein Schnippchen schlagen wollen. Doch nicht Geld zählt, sondern Glaube, das Halten der Gebote und das Annehmen des eigenen Kreuzes – was immer das auch umfassen mag.
Der abschließende Satz in Vers 21 lautet: »Und nimm das Kreuz auf dich.« Dieses kleine Stück Text ist sehr bemerkenswert und verdient Aufmerksamkeit. Denn es öffnet ein wenig den Blick auf die Entstehung der Evangelien.
Dieser Satz kann nur nach der Kreuzigung Jesu formuliert worden sein. Sowohl dem Schreiber wie auch den Lesern und Hörern war die Kreuzigung Jesu bekannt. Diese Formulierung ist keine Redensart, kein Spruch, der zur Zeit Jesu in Palästina geläufig gewesen wäre. Er wurzelt im Bericht über Jesu Weg aus der römischen Kaserne in Jerusalem nach Golgata. Jesus hätte das verhindern können, doch er nehm sein Kreuz auf sich. Jesus hat den Satz mit Sicherheit nie gesprochen.
Womöglich ist der Spruch auch unter den schmerzenden Eindrücken der frühen Christenverfolgungen entstanden. Er besagt, man solle die Konsequenzen tragen, die sich aus der Nachfolge, aus dem Christsein ergeben. Und genau die bedeuteten in den Zeiten der Verfolgungen Gefahr für Leib und Leben.
Wenn nun aber der Autor an dieser Stelle nicht die wahre Begebenheit erzählt hat, sondern mit bestimmten Absichten und Zielen, dann ist dies auch im restlichen Text, ja im gesamten Markusevangelium wie allen anderen Evangelien zu erwarten.
Wir dürfen daher nicht einmal dort, wo Jesus in den Evangelien spricht, davon ausgehen, dass dies echte Jesus-Worte sind. In jedem Fall sind es keine wörtlichen Zitate, denn die Zeit zwischen Jesu Wirken und der Niederschrift dieser Texte betrug viele Jahre. Eine weite Spanne, voll von Vergessen und Ausschmückung, voll von Erinnerung und persönlichen Eindrücken. Manche Autoren geben nur Hörensagen wieder. Sie waren keine Augen- und Ohrenzeugen. Die späteren Abschriften erlitten nicht selten versehentliche Fehler, aber auch absichtliche und willkürliche Änderungen aus theologischen Gründen.
Das klingt ernüchternd. Ist deshalb Gottes Wort etwa nicht wahr? Nein. Aber wir müssen uns aber mühen, aus den Texten Gottes wahres Wort zu extrahieren. Es steht nicht einfach so da. Die Perikope vom reichen Mann belegt: Was da steht, ist das Wort von Menschen, die aus ihrem Glauben heraus, aus ihrem Verständnis und aus ihrer Lebensrealität versuchten, Gottes Wort zu verstehen und zu verkünden für ihre Leser, für ihre Zeit.
Perikope | Typ | Tag |
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1531 - 1898 | ||
Keine Verwendung an Sonntagen, Feiertagen und Gedenktagen |
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1899 - 1978 | ||
Mk 10,17-27 |
2. Evangelium |
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Lutherische Kirchen 1958-1978 |
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Keine Verwendung an Sonntagen, Feiertagen und Gedenktagen |
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1979 - 2018 | ||
Mk 10,17-27 |
Reihe III |
|
seit 2019 | ||
Mk 10,17-27 |
Evangelium + |
Das Video zeigt den Text der Geschichte aus der Lutherbibel von 1545, in der Jesus über ein Kamel, ein Nadelöhr und reiche Menschen spricht, vorgelesen von Reiner Makohl.