Lukas 17,20-33

Das Hörbuch-Video zur Lutherbibel von 1545

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zur Lutherbibel von 1545

 

 

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Die Rede vom Gottesreich
und vom Tag des Menschensohns

Evangelium nach Lukas
17,20-33

vorgelesen von Reiner Makohl

 

 

In den Lutherischen Kirchen zwischen 1958 und 2018 Marginaltext am

→ 2. Advent

 

Gedanken zum Text

 

Evangelium nach Lukas
Kapitel 17, Verse 20-33

Die Rede vom Gottesreich
und vom Tag des Menschensohns

Einleitung

Der Text Lk 17,20-33 er­zählt in vier Ab­schnit­ten die Ge­schich­ten von der Re­de Je­su über das Reich Got­tes und über den Tag des Men­schen­sohns.

1. In den Ver­sen 20 und 21 ant­wor­tet Je­sus auf die Fra­ge, wann das Reich Got­tes kä­me.

2. In den Versen 22 bis 24 spricht Je­sus über das Kom­men des Men­schen­sohns. Dies wür­de oh­ne Vor­war­nun­gen und plötz­lich ge­sche­hen.

Vers 25 ist ein Einschub, der er­klärt, dass al­les erst nach Je­su Tod und Auf­er­ste­hung ge­sche­hen wür­de.

3. In den Versen 26 bis 30 kon­kre­ti­siert Je­sus das kom­men­de Ge­sche­hen bei­spiel­haft an­hand der be­kann­ten Ge­schich­ten von der Sint­flut (→ 1Mos 6 und 7) und vom Un­ter­gang der Städ­te So­dom und Go­mor­ra (→ 1Mos 19).

4. In den Versen 31 bis 33 erklärt Jesus, dass am Tag der Wiederkunft Christi alle Anstregungen, Hab und Gut oder das eigene Leben zu retten, vergeblich und unnütz sein werden.

 

Zusammenfassung

Diese Passage be­tont aus evan­ge­li­scher Sicht die Not­wen­dig­keit ei­nes le­ben­di­gen, ge­gen­wär­ti­gen Glau­bens, der sich nicht auf äu­ße­re Zei­chen ver­lässt, son­dern auf den in­ne­ren Wan­del durch Got­tes Ge­gen­wart. Das Reich Got­tes ist kei­ne Zu­kunfts­mu­sik, son­dern es ist Ge­gen­wart dort, wo gläu­bi­ge Chris­ten ih­ren Glau­ben le­ben (Ver­se 20 und 21).

Gleichzeitig mahnt der Text zur Wach­sam­keit und Be­reit­schaft für Chris­ti Wie­der­kehr, oh­ne in Welt­flucht oder Pas­si­vi­tät zu ver­fal­len (Ver­se 22 bis 30).

 

Interpretation

Aus evangelischer Sicht lässt sich der Text in Lukas 17,20-30 wie folgt in­ter­pre­tie­ren:

Verse 20-21: Die Unsichtbarkeit des Reiches Gottes

Jesus betont, dass das Reich Gottes nicht mit äu­ße­ren Zei­chen kommt, son­dern be­reits mit­ten un­ter den Men­schen ist. Dies un­ter­streicht die geist­li­che Na­tur des Got­tes­rei­ches und dass es im Hier und Jetzt er­fahr­bar ist.

Verse 22-23: Die Plötzlichkeit der Wiederkunft Christi

Jesus ver­gleicht sein Wie­der­kom­men mit ei­nem Blitz, der plötz­lich den Him­mel er­leuch­tet. Dies be­tont die Un­vor­her­seh­bar­keit und Un­mit­tel­bar­keit des Er­eig­nis­ses.

Vers 25: Die Notwendigkeit des Leidens

Jesus weist darauf hin, dass er zu­erst lei­den müs­se, was auf sei­nen be­vor­ste­hen­den Tod am Kreuz hin­deu­tet. Dies un­ter­streicht die zen­tra­le Be­deu­tung von Kreuz und Auf­er­ste­hung im christ­li­chen Glau­ben.

Verse 26-30: Die Parallelen zu Noah und Lot

Jesus zieht Ver­glei­che zu den Ta­gen No­ahs und Lots, um die Un­be­küm­mert­heit der Men­schen vor dem Ge­richt Got­tes zu il­lus­trie­ren. Dies dient als Mah­nung, wach­sam zu blei­ben und das ei­ge­ne Le­ben im Licht des Glau­bens zu führen.

Verse 31-32: Der Aufruf zur Entscheidung

Die Aufforderung, nicht zurückzublicken (V. 31-32), kann als Ermahnung verstanden werden, sich ganz auf Christus auszurichten und nicht an weltlichen Dingen festzuhalten.

Vers 33: Das Paradox des Lebensgewinns

Hier be­tont Je­sus das christ­li­che Pa­ra­dox, dass man sein Le­ben ver­lie­ren muss, um es zu ge­win­nen. Ge­meint ist die »geist­li­che Wie­der­ge­burt«, die sich auf ei­ne grund­le­gen­de geist­li­che Er­neu­e­rung des Gläu­bi­gen be­zieht. Es be­zeich­net ei­ne tief­grei­fen­de in­ne­re Ver­än­de­rung, bei der der gläu­bi­ge Mensch ei­ne neue geist­li­che Na­tur er­hält.

Der Vers 21b und seine Botschaft

In der Lutherbibel von 1545 lautet dieser Halb­vers noch: »Denn se­het, das Reich Got­tes ist in­wen­dig in euch.«

In neueren Bibelausgaben, so auch in den mo­der­nen Lu­ther­bi­beln, lau­tet der Vers nun: »Denn se­het, das Reich Got­tes ist mit­ten unter euch.«

Die alte Übersetzung

Nach der alten Über­set­zung wird das Reich Got­tes in uns selbst ver­or­tet, was ei­ne geis­ti­ge Prä­senz des Got­tes­reichs in je­dem gläu­bi­gen Men­schen be­deu­tet. Das meint, es kommt und ent­fal­tet sich dort, wo der Glau­be an Gott in ei­nem Men­schen Raum ein­nimmt.

Dieser Raum wird nach der alt­tes­ta­ment­li­chen Vor­stel­lung im Her­zen ver­or­tet, also un­mit­telbar phy­sisch im Men­schen.

Das »inwendig in euch« zielt auf die Vor­stel­lung, dass das Herz der Sitz der Per­sön­lich­keit, des Glau­bens, des Ge­wis­sens, des Wil­lens, des Ver­stan­des und der Ver­nunft sei. So wird bei­spiels­wei­se in den Psal­men die Prä­po­si­ti­on »in­nen« mit Herz als Sitz von Glau­ben oder Per­sön­lich­keit ver­bun­den (→ Psalm 39,4; → Psalm 103,1; → Psalm 109,22).

Die neue Übersetzung

Nach den neueren Über­set­zun­gen wird das Reich Got­tes als ge­mein­schaft­li­cher Raum ver­stan­den, der aber eben­falls Teil un­se­rer Ge­gen­wart im Hier und Jetzt ist. Doch die Gläu­bi­gen tra­gen die­ses Reich nicht in sich, son­dern sie par­ti­zi­pie­ren da­ran.

Das »mitten unter euch« kann auch als »in eu­rer Mit­te« ver­stan­den wer­den, was die ge­mein­schaft­li­che Di­men­si­on des Rei­ches Got­tes be­tont. Es ma­ni­fes­tiert sich in der Ge­mein­schaft der Gläu­bi­gen.

Das Reich Gottes wird als et­was ver­stan­den, das be­reits da ist, aber noch nicht in sei­ner Voll­en­dung. Es ist ei­ne Re­a­li­tät, die wächst und sich aus­brei­tet.

Die Gegenwart des Rei­ches Got­tes hat Aus­wir­kun­gen auf das ethi­sche Ver­hal­ten der Gläu­bi­gen. Es ruft zu ei­nem Le­ben nach den Maß­stä­ben Got­tes auf.

Die Schwierigkeit einer interpretationsfreien Übersetzung

Die Schwierigkeit der »rich­ti­gen« Über­set­zung liegt im Be­deu­tungs­um­feld des alt­grie­chi­schen Wor­tes ἐντὸς be­grün­det, das in der Haupt­be­deu­tung als Prä­po­si­tion »in­nen, drin­nen, in­ner­halb« be­deu­tet.

 

Exkurs: Der Text aus der neutestamentlichen Quelle

Der ganze Halbvers lautet in altgriechischer Sprache:

ἰδοὺ γὰρ ἡ βασιλεία τοῦ θεοῦ ἐντὸς ὑμῶν ἐστιν.

 

ἰδοὺsiehe!, seht!
γὰρdenn
ἡ βασιλείαdas Königreich
τοῦ θεοῦ – (Genitiv) des Gottes
ἐντὸς – (Präp. mit Genitiv) innen, drinnen, innerhalb
ὑμῶ – (Genitiv) von euch
ἐστιist

Wörtlich also: »Siehe! Denn das Reich Gottes ist innerhalb [innen] von euch.«

 

Doch ist sich die For­schung mitt­ler­wei­le si­cher (auf­grund we­ni­ger au­ßer­bib­li­scher Quel­len), dass im Zu­sam­men­hang mit den von Je­sus an­ge­spro­che­nen Men­schen (gr.: ὑμῶν, dt.: [von] euch) nur ei­ne Über­set­zung im Sin­ne von »in eurer Mitte« in­fra­ge kä­me.

Während die alte Über­set­zung stär­ker auf den Glau­ben und die Re­a­li­sie­rung des Got­tes­reichs im Glau­ben des Ein­zel­nen im Hier und Jetzt fo­kus­siert, zielt die neu­e­re Über­set­zung stär­ker auf den chris­to­lo­gi­schen An­satz, der das Reich Got­tes in der Ge­gen­wart Chris­ti ge­ge­ben sieht: Chris­tus ist mit­ten un­ter uns, das mei­ne es, wenn Je­sus sagt, »das Reich Got­tes ist mit­ten un­ter euch«. (→ »Wo zwei oder drei in mei­nem Na­men ver­sam­melt sind, bin ich mit­ten un­ter ih­nen«; → Matthäus 18,20). Je­sus be­zieht sein Wort dann auf sich als Chris­tus (der aber zu­vor noch viel lei­den muss ge­mäß Vers 25).

Fazit zu den Versen 20 und 21

In der Perikope Lukas 17,20-30 be­steht der we­sent­li­che Ab­schnitt aus den Ver­sen 20 und 21. Da­rin geht es um die Fra­ge, wann das Reich Got­tes kä­me. Hier trifft Je­sus ei­ne zen­tra­le re­li­gi­ö­se Aus­sa­ge.

In Vers 21b heißt es: »Denn se­het, das Reich Got­tes ist mit­ten un­ter euch.«

Luther selbst über­setz­te die­sen Vers mit »Denn se­het, das Reich Got­tes ist in­wen­dig in euch.«

In beiden Fällen be­tont der Satz, dass das Reich Got­tes nicht nur ei­ne zu­künf­ti­ge Re­a­li­tät ist, son­dern be­reits in der Ge­gen­wart er­fahr­bar ist. Es ist kein Kon­zept für die fer­ne Zu­kunft, son­dern ei­nes für das Hier und Jetzt.

Das Reich Gottes kann daher nicht als ein rein zu­künf­ti­ges Er­eig­nis ver­stan­den wer­den, son­dern nur als ein Pro­zess, der be­reits längst be­gon­nen hat, sich in der Ge­gen­wart fort­setzt und sich künf­tig wei­ter ent­wi­ckeln wird.

Fazit zu den Versen 22 bis 30

Vom Kommen des Reichs Gottes ist das Kom­men des Tags des »Men­schen­sohns« zu un­ter­schei­den. Die­ser Tag, die Wie­der­kunft Chris­ti, wird oh­ne Vor­an­kün­di­gung und plötz­lich kom­men (Ver­se 22 bis 24).

Die Beispiele aus der Ver­gan­gen­heit mah­nen, sich sehr wohl den welt­li­chen An­ge­le­gen­hei­ten zu wid­men, doch für die Wie­der­kunft Chris­ti durch ein Le­ben im Glau­ben vor­be­rei­tet zu sein, denn nie­mand kennt Ort und Zeit und es gibt kei­ner­lei Vor­warn­zeit (Ver­se 26 bis 30).

Mit der Warnung, dass sein Kom­men nicht vor­her­seh­bar ist, ruft Je­sus zur stän­di­gen Be­reit­schaft auf. Die ein­zi­ge Mög­lich­keit, sich da­r­auf vor­zu­be­rei­ten, be­steht da­rin, den Glau­ben zu le­ben. Dies be­tont die Not­wen­dig­keit ei­nes le­ben­di­gen, ge­gen­wär­ti­gen Glau­bens.

 

 

Liturgiegeschichtliche Verwendung
Perikope Typ Tag
1531 - 1898  

Keine Verwendung an Sonntagen, Feiertagen und Gedenktagen

1899 - 1978  

Lk 17,20-30

2. Evangelium

→ 2. Advent

Lutherische Kirchen
1958-1978
 

Lk 17,20-30(31-33)

Marginaltext

→ 2. Advent

1979 - 2018  

Lk 17,20-24(25-30)

Evangelium +
Reihe I

→ Drittletzter Sonntag des Kirchenjahres

seit 2019  

Lk 17,20-24(25-30)

Evangelium +
Reihe IV

→ Drittletzter Sonntag des Kirchenjahres

 

 

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Credits zum Video:

©2024 by Reiner D. Makohl | www.stilkunst.de

Bibeltexte: Dr. Martin Luther, Biblia, Wittenberg 1545
Zeichensätze der Frakturschriften, Typografie & Layout,
Video: Reiner D. Makohl

Sprecher: Reiner D. Makohl
Musik: ©Bluevalley, J.S.Bach, Präludium in C-Dur, Gitarre

 

 

Sabrina

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