Was soll das denn? Geht es nicht an jedem Sonntag, bei jedem Gottesdienstbesuch um Glauben?
Ja, richtig! Und deshalb kann dieser Text selbstverständlich jederzeit gelesen werden.
Aber speziell die Sonntage der Trinitatiszeit möchten dazu anleiten und dabei behilflich sein, Glauben zu finden und zu leben. Ganz praktisch. Im Alltag.
Das Kirchenjahr ist weit vorangeschritten. Die Christen erwarteten in der Adventszeit die Ankunft des Herrn. Sie freuten sich in der Weihnachtszeit über die Geburt Jesu, gedachten seinem Heranwachsen und danach seinem Wirken im Kreis seiner Jünger. Sie trauerten am Ende der Passionszeit über seinen Tod und freuten sich über die frohe Botschaft seiner Auferstehung an Ostern.
Der Teil der Geschichte Jesu, in der er unter den Menschen körperlich anwesend war, endete am Himmelfahrtstag. Doch damit begann ein weiterer Teil der Geschichte. Der Heilige Geist erfüllte die Menschen am Pfingsttag. Die Apostel zogen aus, verkündigten das Evangelium und tauften gläubige Menschen. Gemeinden entstanden.
Seit jener Zeit ist es der Glaube, der Menschen zu Christen macht und der Christen zusammenschweißt. Es ist ein Glaube, der nicht an Priester und Kirchen gebunden ist, sondern allein an Jesus Christus, also an Jesus, den Erlöser, und an Gott, den Schöpfer, und an die Gegenwart des Heiligen Geistes, der Menschen erfüllen und leiten kann.
Aber was ist Glauben? Wie macht man das? Wie wird er sichtbar? Und wie kann ich ein gläubiger Christ sein, nicht nur ein bekennender?
Ein schwieriges Thema! Denn die Menschen brauchen konkrete Antworten. Kein oberflächliches Gelaber, keine abgehobenen Thesen und Lehren. Weil sie ein sehr konkretes Problem haben: Wenn sie an Jesus Christus und die Heilsbotschaften glauben wollen, muss sich das in ihrem Alltag umsetzen lassen. Wenn sie gläubig sind, muss sich das in ihrem Alltag zeigen. Wenn der Glaube für sie selbst etwas Gutes ist, wenn sie sozusagen vom Heiligen Geist erfüllt sind, muss sich das im Alltag erweisen.
Und das ist es, was in der Trinitatiszeit im Vordergrund steht: Die getauften Christen, organisiert in Gemeinden, leben ihren Alltag. Nun brauchen sie Anleitung und Hilfe, in diesem Alltag Glauben leben zu können. Sehr viele Predigten stützen sich in der Trinitatiszeit auf Bibelstellen, die genau das bieten: Beispiele, Erzählungen, Anleitungen und Hilfen, die den eigenen Glauben stärken und formen können.
Die Trinitatiszeit führt uns schließlich an das Ende des Kirchenjahres, das zugleich Sinnbild für unser eigenes Ende ist.
Am Totensonntag gedenken wir der Entschlafenen und führen uns unsere eigene Sterblichkeit vor Augen. Doch der Tod in der Kühle des Grabes (Karfreitag / Karsamstag) ist nicht das Ziel unseres Daseins.
Am selben Tag, dem Ewigkeitssonntag, stärken wir unseren Glauben an die Auferstehung (Ostersonntag), die nicht nur Jesus erfahren durfte, sondern die jeder Mensch erfahren kann. Dafür braucht es allerdings den Glauben. Jedoch nicht als Lippenbekenntnis, auch nicht als streitbare Alternative zu wissenschaftlichen Studien über Sterben, Tod und Verwesung. Sondern als Grundlage für ein gerecht gelebtes Leben.
Und wie wird man gerecht?
Wer mag, kann in den vielen biblischen Textempfehlungen dieser Sonntage selbst nachforschen, was Glauben meint. Sie erzählen vom Wissen, von den Erfahrungen und vom Glauben anderer Menschen in unterschiedlichen Formen: als Geschichten, als Gleichnisse, als Reden, als Lieder oder als Sprüche.
Wer dann dazu bereit ist, kann versuchen, christlichen Glauben im Alltag zu entdecken und hier und da für sich selbst anzuwenden. Durchaus in kleinen Schritten und Stück für Stück, jedoch immer wieder.
Damit das Glaubensbekenntnis keine leere Formel bleibt, die nur zu gegebenen Anlässen aus der Schublade geholt wird, sondern gelebtes Leben ausdrückt:
Dies ist die Aufforderung zur Tat, der »Call-to-action«, zu der alle Sonntage der Trinitatiszeit immer wieder mit aller gebotenen Festlichkeit einladen:
So, wie Martin Luther sich eingeladen fühlte nach einer vielfach wiederholten Meditation über einen ganz bestimmten Bibeltext:
Ob Sie die Einladung annehmen möchten, bleibt Ihnen überlassen.
Der kurze Text Römer 1,16A.17 ist äußerst modern konzipiert. Er enthält alle wesentlichen Merkmale des Konzepts des heutigen sog. normativen Unternehmensmanagements, ausgedrückt auf engstem Raum. Der Text enthält das Leitbild, die Vision, die Mission, die Strategie und die Zielvereinbarung. Darüber hinaus steckt in ihm das Grundgerüst für die Botschaften, die es zu vermitteln gilt, sowie eine klare und eindeutige Handlungsempfehlung.
Das Leitbild beantwortet im Managementkonzept die Frage »Wofür stehen wir?« und formuliert dafür das Wertesystem, das zugrunde gelegt wird.
Paulus schreibt im ersten Satz: Wir stehen für das Evangelium von Chriſto. Die Christenheit orientiert sich am Wertesystem und an den Lehren des Evangeliums.
Das Leitbild ist klar. Die erste Herausforderung, der wir uns als Leser dieses Textes stellen müssen, ist es, die Glaubenslehren und die christliche Ethik des Evangeliums zu begreifen.
Die Vision beantwortet die Frage »Wo wollen wir hin?« und beschreibt, welches Fernziel erreicht werden soll.
Paulus nennt die Vision für praktizierende Christen im zweiten Satz: Selig werden!
»Selig werden«, das meint: Von allen irdischen Übeln erlöst werden (wie im Vaterunser formuliert) und des ewigen Lebens teilhaftig werden (wie es im Glaubensbekenntnis ausgedrückt ist). Den Weg dahin vermittelt Paulus in den Botschaften im selben Textstück.
Die Vision ist eindeutig: Selig werden, vom Übel erlöst werden, am ewigen Leben teilhaben. Das ist das ferne Ziel, dem wir zustreben. Doch wie? Dafür bedarf es der Mission.
Die Mission beantwortet die Frage »Was tun wir dafür?« und nennt die Aufgabe sowie den Zweck des Unternehmens.
Paulus sieht die Aufgabe darin, die Gerechtigkeit / die fur Gott gilt zu erlangen. Den Zweck beschreibt er so: daran gleuben , also den Glauben praktizieren.
Die Mission stellt die nächste Herausforderung dar: Glauben funktioniert nicht von jetzt auf nachher. Glauben entsteht nicht allein durch das stille Bekenntnis »Ich glaube!«. Glauben möchte und muss gelebt werden. Das verlangt Engagement.
Was die Aufgabe angeht, was »Gerechtigkeit« meint, die vor Gott gilt, das ist zu ergründen, bevor wir es leben können. Das ist eine weitere Herausforderung, der wir uns stellen müssen.
Gemeint ist die Gerechtigkeit, die sich aus dem Leitbild ableitet. Es geht also nicht um irgendeine Gerechtigkeit, wie sie beispielsweise in den Gesetzgebungen der Länder, Staaten und Nationen abgebildet ist, sondern um die vor Gott gültige, um die des Evangeliums.
Dafür muss man sich damit ernsthaft auseinandersetzen, um zu verstehen, was das Evangelium dazu sagt.
Neugierig macht uns Paulus mit seiner mahnenden Erkenntnis. Er schreibt: Das Evangelium Christi iſt eine Krafft Gottes. Sie ist es, die selig macht. Die Mission orientiert sich an der Vision »Selig werden«.
Die Strategie beantwortet die Frage »Wie wollen wir es erreichen?« und hält die mittelfristigen Ziele fest, also jene Ziele, die wir jetzt sofort ansteuern und in Kürze erreichen können. In diesem Fall meint das: zu unseren Lebzeiten, vor den fernen Zielen der Vision.
Paulus schreibt, wir erreichen das Ziel, gerecht vor Gott zu werden, aus glauben in glauben.
Die Strategie will geübt werden: Aus Glauben in Glauben, das meint, sich ständig am Glauben, am Wertesystem, am Evangelium orientieren, daraus die Kraft ziehen für zielgerichtetes Handeln, und dann danach handeln. Nicht leicht! Aber möglich.
Die Zielvereinbarung beantwortet die Frage »Wie machen wir es messbar?« und formuliert dafür das Kriterium, das für die Erfolgsmessung herangezogen wird. Woran also macht sich der Erfolg fest, wenn wir der Strategie folgen?
Paulus beschreibt die Zielvereinbarung und benennt das Messkriterium im letzten Satz:
Diese Zielvereinbarung erscheint trivial, ist sie aber nicht: Auf der Basis seines Glaubens leben, kann schwer sein. Und gefährlich. Unglaublich viele Menschen haben bis heute dafür schon ihr Leben gegeben. Und weitere werden folgen. Die Zeitungen berichten immer wieder über religiös motivierte Misshandlungen, über Folter und Verstümmelungen brutalster Art, sowie über Tötungen und Massentötungen von Menschen. Quer durch alle Kulturen und alle Religionen. Selbst Jesus, Petrus und auch Paulus haben letztendlich ihre religiöse Haltung mit dem Leben bezahlt.
Doch auch, wenn heute in Deutschland nicht unser Leben bedroht ist, nur weil wir Christen sind, gibt es sehr viele äußere und innere Hindernisse, die es zu überwinden gilt. Sie scheinen klein und harmlos zu sein. Sind sie aber nicht!
Schämen Sie sich dafür, Christ zu sein? Als Christ in der Öffentlichkeit erkannt zu werden? Schämen Sie sich dafür, »Liebe Deinen nächsten wie Dich selbst!« zu sagen, wenn es angebracht ist? Halten Sie sich dann zurück?
Paulus schrieb dazu seine Haltung, die nach seiner Erfahrung sowohl die äußeren Hindernisse wie auch die inneren Hindernisse überwinden hilft:
Lernen, sich nicht zu schämen. Das setzt voraus, dass man übt und erfährt, wie es sich anfühlt. Lernen aus Erfahrung.
Sich nicht schämen für seinen Glauben, weder vor sich selbst noch vor anderen, auch das kann einem sehr schwer gemacht werden. Es verlangt Mut, zu seiner inneren Haltung zu stehen. Sehr viel Mut. Und denen, die den Mut aufbringen, gehört aller Respekt dafür. Sie sind es, die das Christentum und seine Lehren tragen und weitergeben, sie schreiten voran mit ihrem Beispiel. Das ist nicht einfach in einer Welt, in der andere Werte gesellschaftlich erstrebenswert und sehr oft bedeutungsvoller sind.
Es braucht Mut. Selbst Petrus hatte es im Angesicht der Gefangennahme Jesu nicht geschafft, zu Jesus zu stehen und ihn dreimal verleugnet. Gut, diese Situation war auch brandgefährlich für ihn.
Doch wie ist es bei Ihnen zu Hause? Beten Sie? Sprechen Sie beispielsweise Tischgebete? Auch wenn Gäste dabei sind? Gehen Sie in die Kirche ihrer Gemeinde? Erzählen Sie danach über ihre Erlebnisse und über das Gehörte dort im Bekanntenkreis? Ergreifen Sie Partei, wenn gegen christliche Lehren verstoßen wird, beispielsweise in der Nachbarschaft, im Verein oder am Stammtisch? Ergreifen Sie Partei, wenn Menschen zu Opfern gemacht werden von kleinen und größeren Taten? Wenn über Dritte hergezogen wird im lockeren Tratsch unter Nachbarn und am Arbeitsplatz? Wenn eigentlich »Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst!« angesagt wäre?
Sich nicht schämen und Courage zeigen, dort, wo andere schweigen, sich nicht schämen und seinem Gewissen folgen, aus Glauben in Glauben, ist wirklich nicht leicht. Doch es ist die Voraussetzung dafür, die Zielvereinbarung für praktizierten Glauben zu erfüllen.
Das schafft man nicht immer. Nicht immer ist es möglich, 100% Zielerreichung zu erbringen. Was auch nicht schlimm ist, man sollte sich nur klar darüber werden, woran es liegt, und wie man es ändern kann, wenn man seine Ziele nicht geschafft hat. Diese Reflexion hilft dabei, sich zu rüsten für das, was vor einem liegt.
Paulus liefert uns als Empfänger dieser Zeilen in diesem Text im Wesentlichen gleich drei Botschaften:
1. Die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt – und damit vor den Menschen! –, kommt im Glauben an das Evangelium aus dem Glauben heraus.
2. Der vor Gott und vor seinen Mitmenschen »Gerechte« wird diesen Glauben leben und danach handeln. Reden ist eins, Handeln etwas anderes.
3. Wer entsprechend handelt, braucht sich seines Glaubens und des Evangeliums nicht zu schämen. Vielmehr ist er aufgefordert, seinen Glauben frei und unbekümmert zu leben, wobei ihm die »Kraft Gottes« behilflich ist, die im Evangelium steckt.
Der Text liefert die Handlungsempfehlung für jeden, der in irgendeinem Sinne gerecht leben möchte: Probiere es einmal mit dem christlichen Glauben!
Denn egal, was man glaubt, es drückt sich immer in der Einstellung zum Leben und zu den Mitmenschen, im Denken, im Reden und im Handeln aus.
Dies gilt für Christen genau so. Ihre wirkliche Einstellung und das, was sie tatsächlich glauben unabhängig von einer Taufurkunde, lässt sich nicht verbergen! Ihr Reden und ihre Taten sind Ausdruck ihrer Gesinnung. Es sind die Zeugnisse, die sie sich selbst ausstellen. Es sind die Spiegelbilder, die alle anderen um sie herum wahrnehmen und die sich nicht beschönigen lassen. Immer und überall.
Auch und oftmals gerade im Alltag wird es sichtbar: im Umgang mit unseren Kindern und mit unseren Eltern, mit Verwandten und Bekannten, mit Nachbarn, Arbeitskollegen, Mitarbeitern und Vorgesetzten. Im Auto, im Supermarkt und im Restaurant. Kurz: Überall dort, wo wir sind, wo wir Handeln und wo wir Spuren unseres Seins hinterlassen.
Das christliche Bekenntnis und die Erwartung, selig werden zu wollen, geht einher mit der Aufforderung, gerecht zu leben. Immer und überall. Daran wird es sich erweisen, ob man gerecht ist vor Gott und den Menschen:
Insofern bietet der Text die Motivation für jedes Handeln eines Christen. Er beschreibt praktiziertes Christentum.
Gleichzeitig ist er die Einladung an alle, die gerecht leben wollen, ob getauft oder ungetauft, es doch einmal mit dem christlichen Glauben zu probieren. Es kostet ja nichts.
Beten! – Was riskieren wir schon dabei? Nichts. Was kostet es uns, außer einigen Minuten Zeit, die wir vermutlich anderweitig kaum besser genutzt hätten?
Ein Workshop zum Thema Beten