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Muss man nicht lesen, kann man aber!

Todeszone ist seit gestern Sperrgebiet

21. April 2011

E s hat ein Weilchen gedauert. Warum, ist mir unklar. Nun hat die japanische Regierung einen Umkreis von 20 Kilometer um das havarierte Atomkraftwerk Fukushima zum Sperrgebiet erklärt. Für über 80.000 Menschen ist damit die Rückkehr in ihre Häuser, Wohnungen und Geschäfte unmöglich. Sie können nicht mehr auf ihr Eigentum zugreifen. Viele Bewohner dieser Zone hatten in den letzten Tagen versucht, persönliche Habseligkeiten zu bergen und in ihr Exil zu retten. Darauf stehen nun hohe Strafen.

Die Situation entwickelt sich wie einst in Tschernobyl. Ach! Wer hätte das gedacht?! Die ukrainische Stadt Prypjat nahe dem Atomkraftwerk wurde vor 25 Jahren evakuiert. Sie ist bis heute eine Geisterstadt. Sie wird es noch für Jahrhunderte bleiben. Die gesamte Stadt ist im Prinzip ein riesiges freiliegendes, oberirdisches Lager mit verstrahltem Müll.

Gleichzeitig spricht die japanische Betreiberfirma Tepco davon, dass sie vermutlich bis Ende des Jahres die Situation unter Kontrolle haben werden. Ich unterstelle mal: Sie kennen Tschernobyl. Sie kennen die Auswirkungen großer Atomunfälle. Wieso sie den Menschen Hoffnung auf Rückkehr machen, ist mir nicht klar. Es verzögert die Entscheidung, die betroffenen Menschen endgültig umzusiedeln. Allerdings: Dadurch gewinnen sie Zeit, dadurch sparen sie Geld. Was kostet eine komplette Stadt für 80.000 Menschen, voll möbliert und gut ausgestattet bis hin zu gefüllten Kühlschränken?

Nach Tschernobyl hätte man besser vorbereitet sein können. Ich hoffe, die Atomkraftwerksbetreiber in Deutschland besitzen für den Notfall Evakuierungspläne in ihren Schubladen. Pläne, die nicht nur den Abtransport der Menschen, sondern auch ihre Versorgung und den dauerhaften Verbleib an einem sicheren Ort mit einschließen.

S ind Sie ein potentiell Betroffener? Nehmen Sie eine Landkarte. Markieren Sie die nächstgelegenen Atomkraftwerke. Malen Sie vier Kreise mit den Radien 10km, 20km, 30km und 200km um die Kraftwerke. Falls Sie innerhalb eines dieser Kreise wohnen, können Sie sehr stark bis deutlich betroffen sein, wenn es zu einem Atomunfall in diesen Kraftwerksanlagen kommt.

Bei einem GAU (größter anzunehmender Unfall) ist der innerste Kreis die Todeszone. Hier werden mit großer Wahrscheinlichkeit die Bewohner sofort sterben oder so stark verstrahlt werden, dass ihre Lebenserwartung auf Stunden bis Tage schrumpft.

Je nach schwere des Unfalls werden die Bewohner innerhalb des zweiten oder dritten Kreises zu evakuieren sein. Sorgen sie dafür, dass ihr Kreditkartenkonto und andere Bankkonten gut gefüllt sind. Sie werden nur noch besitzen, was sich nicht in der Evakuierungszone befindet. Sorgen Sie dafür, dass wichtige Dokumente griffbereit abgelegt sind oder deponieren Sie Kopien auf einem sicheren Server im Internet. Evakuierte können bestenfalls leichtes Handgepäck und die Kleidung am Leib mitnehmen, alles andere wird innerhalb kurzer Zeit atomverstrahlter Müll werden.

Die Lebensbedingungen werden für alle schwer, aber auch die Wirtschaft wird erschüttert. Beispiel Biblis: Der Frankfurter Flughafen liegt nur etwas mehr als 30km Luftlinie von Biblis entfernt. Wird er bei einem Atomunfall in Betrieb bleiben? Eher nicht. Frankfurt ist eine wichtige Metropole. Ein GAU in Biblis könnte die Bedeutung des Finanzzentrums Frankfurt radikal ändern. Das gesamte Rhein-Main-Gebiet südlich des Flughafens könnte Evakuierungszone werden. Bis hinunter nach Speyer. Dazwischen: Mainz, Rüsselsheim, Darmstadt, Oppenheim, Alzey, Worms, Heidelberg, Mannheim, Ludwigshafen. Sehr viele kleine, mittlere und größere Betriebe würden aufhören, zu existieren. Usw. Es wären weit mehr als 80.000 Menschen betroffen. – Aber was schreibe ich hier? Ist doch alles bekannt. Es wird immer erwähnt und dann mit dem Begriff »Restrisiko« zusammengefasst. Das jedenfalls gehört dazu, zu diesem Restrisiko.

Innerhalb des vierten Kreises (ca. 200km) ist die Strahlung immer noch so hoch, dass mit gesundheitlichen Schädigungen zu rechnen ist. Wetterlagen verformen diese Zone extrem. Auch dann, wenn Sie nicht evakuiert werden: Verlassen Sie die Gegend nach einem Atomunfall sofort.

Nach den Erfahrungen mit Tschernobyl und Fukushima stellt sich die Frage, ob nicht wenigstens die Todeszonen präventiv sukzessive zu räumen wären. Ob nicht die größere Umgebung von Kernkraftwerken aus Sicherheitsgründen Sperrgebiete werden. Beispielsweise mit Hilfe von Baustopps in diesen Gebieten. Beispielsweise mit Aufklärung und der Förderung eines Umzugs der Bewohner. Beispielsweise durch Beschränkung von Gewerbe, usw. Aber wer soll das alles bezahlen?

Na, wer schon!?

Sabrina

Kategorien: Politik | Atomkraft

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