vorgelesen von Reiner Makohl
Im Text Mt 9,9-13 wird die Geschichte von der Berufung des Zöllners Matthäus zum Jünger Jesu erzählt und dabei Jesu Umgang mit den gesellschaftlich Ausgegrenzten thematisiert.
Die Berufung des
Matthäus
Die Perikope aus dem Matthäus-Evangelium führt uns tief in das Wesen Jesu Christi und seine Botschaft hinein. Es ist ein kurzer Abschnitt, aber einer von großer Bedeutung. Jesus ruft den Zöllner Matthäus in seine Nachfolge und erklärt, warum er sich gerade jenen Menschen zuwendet, die von anderen verachtet werden.
[Zur Übersetzung siehe Anmerkung]
[9] Und als [Jesus] von dort fortging, sah er einen Mann am Zollgebäude sitzen, der Matthäus genannt wurde, und sagt zu ihm: »Folge mir!« Und er stand auf und folgte ihm.
[10] Und es geschah, als er zu Tische lag in dem Hause, siehe, da lagen viele Zöllner und Sünder zu Tisch mit Jesus und seinen Jüngern. [11] Als die Pharisäer das sahen, sagten sie zu seinen Jüngern: »Warum isst euer Meister mit den Zöllnern und Sündern?«
[12] Aber als Jesus das hörte, sagt er: »Diejenigen, die gesund sind, brauchen keinen Arzt, sondern die, die sich in einem kranken Zustand befinden.
[13] Wenn ihr geht, lernt, was es heißt: „Barmherzigkeit will ich und nicht Opfer!“ Denn ich bin nicht gekommen zu rufen die Gerechten, sondern die Sünder.«
Jesus geht auf Matthäus zu, einen Zöllner, jemanden, der in den Augen seiner Mitmenschen ein Verräter und Sünder ist. Er arbeitete für die römische Besatzungsmacht und wurde deshalb verachtet. Doch Jesus sieht nicht den verhassten Zöllner, sondern den Menschen Matthäus. Er ruft ihn mit den einfachen Worten: „Folge mir!“ Und Matthäus steht auf und folgt ihm. Was für eine unerwartete Wendung in seinem Leben!
In diesem Ruf zeigt sich die bedingungslose Liebe und Gnade Gottes. Jesus wählt nicht die, die sich selbst für würdig halten, sondern die, die auf die Gnade Gottes angewiesen sind.
Auch wir werden von Jesus gerufen, unabhängig davon, wie andere uns sehen oder wie wir uns selbst sehen. Jesus sieht das Potenzial in jedem Menschen, das verborgene Gute, das durch seine Liebe ans Licht kommen kann.
Jesus geht noch weiter. Er setzt sich mit den Zöllnern und Sündern an einen Tisch, er teilt Gemeinschaft mit denen, die von der Gesellschaft ausgestoßen werden. Für die Pharisäer ist das unverständlich. Wie kann ein Lehrer, ein Prophet, sich mit solchen Menschen umgeben?
Doch Jesus antwortet mit einer tiefen Wahrheit: „Die Starken bedürfen des Arztes nicht, sondern die Kranken.“
Damit stellt Jesus klar, dass seine Mission nicht darin besteht, die Selbstgerechten zu bestätigen, sondern die Sünder zu retten. Er kommt nicht, um diejenigen zu belohnen, die meinen, alles richtig zu machen, sondern um denen zu helfen, die sich ihrer eigenen Schwächen und Sünden bewusst sind.
Diese Haltung fordert uns heraus, unser eigenes Verhalten zu hinterfragen. Wem schenken wir unsere Aufmerksamkeit? Sind wir bereit, uns den Schwachen und Ausgegrenzten zuzuwenden, so wie Jesus es tut?
Jesus zitiert das alttestamentliche Wort: »Ich habe Wohlgefallen an Barmherzigkeit und nicht am Opfer.« (nach Buch des Propheten Hosea, Kapitel 6, Vers 6).
Mit diesen Worten betont er, dass es Gott nicht um äußerliche Riten und Pflichterfüllungen geht, sondern um das Herz, um echte Barmherzigkeit und Liebe zu den Mitmenschen.
Dieser Satz lädt uns ein, unser eigenes Handeln zu überprüfen: Geht es uns in unserem Glauben um das Erfüllen von Pflichten oder um das Erbarmen und die Liebe, die wir anderen entgegenbringen?
Die Botschaft dieses Textes ist klar und herausfordernd: Wir sollen uns nicht über andere erheben, sondern uns denjenigen zuwenden, die in Not sind, die ausgestoßen sind, die Sünder. Wir sollen Barmherzigkeit üben, wie Jesus es getan hat. Er ruft uns in seine Nachfolge, und dieser Ruf gilt uns allen, egal woher wir kommen, was wir getan haben oder wie andere uns sehen.
Wir werden in unserem Alltag immer wieder diese Barmherzigkeit gewähren müssen, die Jesus uns vorgelebt hat. Dafür ist es nötig, Menschen mit den Augen Jesu zu sehen – nicht mit den Augen des Urteils, sondern mit den Augen der Liebe und des Vergebens. Denn darin liegt die wahre Nachfolge Jesu: in der Liebe, die alle Menschen einschließt.
Anmerkung zur Übersetzung der Perikope:
Der Text des Abschnitts Schriftlesung aus dem Neuen Testament ist aus den altgriechischen Quellen neu übersetzt. Unnötige Glättungen im Satzbau und in der Wortwahl wurden wegen des Ziels einer möglichst textgetreuen Übersetzung nicht realisiert. Wörter in eckigen Klammern finden sich nicht im griechischen Text, sind aber für das Verständnis in der deutschen Sprache nötige Ergänzungen. Für die Predigtpraxis empfiehlt sich selbstverständlich der Text einer modernen Bibelausgabe.
Perikope | Typ | Tag |
---|---|---|
1531 - 1898 | ||
Keine Verwendung an Sonntagen, Feiertagen und Gedenktagen | ||
1899 - 1978 | ||
Mt 9,9-13 | 2. Evangelium | |
Lutherische Kirchen 1958-1978 | ||
Mt 9,9-13 | Reihe III | |
1979 - 2018 | ||
Mt 9,9-13 | Reihe V | |
Mt 9,9-13 | Evangelium | |
seit 2019 | ||
Mt 9,9-13 | Reihe V | |
Mt 9,9-13 | Evangelium + |
Frakturschrift ist nicht leicht zu lesen. Die Videos zeigen ausgewählte Texte aus der Lutherbibel von 1545, vorgelesen von Reiner Makohl.
Die Lutherbibel von 1545 ist mit ihrem Frakturzeichensatz nicht leicht zu lesen. Wir bieten Videos, in denen ausgewählte Perikopen aus den Sonn- und Feiertagsreihen vorgelesen werden.
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©2024 by Reiner D. Makohl | www.stilkunst.de
Bibeltexte: Dr. Martin Luther, Biblia, Wittenberg 1545
Zeichensätze der Frakturschriften, Typografie & Layout,
Video: Reiner D. Makohl
Sprecher: Reiner D. Makohl
Musik: ©Bluevalley, J.S.Bach, Präludium in C-Dur, Gitarre